laut.de-Kritik
Die Noise-Ära: Sturm und Drang und ein Ausreißer.
Review von Matthias BossallerKurz vor ihrem 40-jährigen Bandjubiläum veröffentlichen Kreator das toll aufgemachte Box-Set "Under The Guillotine". Darin sind die ersten sechs Alben von Europas erfolgreichster Thrashband enthalten. Damals standen die Ruhrgebiets-Metaller bei Noise Records (1985 bis 1992) unter Vertrag und beeinflussten eine Vielzahl späterer Thrash- Death- und Black Metal-Bands.
Die ersten fünf Platten gelten allesamt als Klassiker, bei "Renewal", das die experimentelle Phase der Band einläutete, scheiden sich jedoch die Geister. Alle remasterten Alben kommen im Original-Artwork und sind auf farbigem Vinyl gepresst. Außerdem enthält die Box eine DVD mit Kurz-Doku, ein 40-seitiges Hardcoverbuch mit seltenen Fotos, Zitaten und Songtexten. Hinzukommt das frühe "End Of The World"-Demo auf Kassette. Als Gimmick gibt's noch den Kreator-Demon als Figur.
Für Vinyl-Freaks, Diehard-Fans aber auch Neueinsteiger hat die Box durchaus ihren Reiz. Alle anderen werden vielleicht maulen, dass es sich hierbei um reine Geldmacherei handelt, da die Noise-Alben erst vor drei beziehungsweise vier Jahren wiederveröffentlicht wurden. "Das ist ein Sammlerding", sagt Bandboss Mille Petrozza, "das muss man einfach für sich entscheiden, ob man da Bock drauf hat."
Der damalige Noise-Labelchef Karl-Ulrich Walterbach wurde auf die jungen Ruhrpott-Metaller aufmerksam. Aus den USA schwappte gerade mit Bands wie Slayer und Metallica die Thrashwelle hinüber nach Europa. Walterbach stattete Kreator mit einem Vertrag aus und schickte sie nach Berlin ins Studio. Dort nahmen die noch nicht volljährigen Essener 1985 ihr erstes Album "Endless Pain" auf.
Mille und Co. legten hier den Grundstein für ihre glanzvolle Karriere. Glanz und Gloria versprüht das rohe Debüt "Endless Pain" zwar nicht, doch bei allem Gerumpel verfügt die Scheibe über eine imposante Intensität und brutale Speed-Granaten wie "Total Death", "Flag Of Hate" oder den Titeltrack.
"Wir wollten mit 'Endless Pain' das härteste Album machen. Mit 'Pleasure To Kill' wollten wir ein noch härteres Album machen und so weiter. Wir waren sehr zielorientiert aber nicht in kommerzieller Hinsicht", reflektiert Mille die Anfangszeit der Band.
Beim Nachfolger macht sich die erhöhte Vorbereitungszeit deutlich bemerkbar. Das Songwriting auf "Pleasure To Kill" (1986) ist ausgefeilter. Das Tempo ist aber nach wie vor rasant und der Sound brutal. "Pleasure To Kill" ist Kreators Kultalbum schlechthin. Songs wie "The Pestilence", "Riot Of Violence" oder natürlich "Pleasure To Kill" sind Alltime-Favoriten. Legendär ist auch das Cover: Aus "ikonischer Sicht" bezeichnet es Mille als sein Lieblingsartwork.
Mit "Terrible Certainty" zementieren Kreator 1987 ihren Status als eine der führenden deutschen Thrash-Kapellen. Das Songwriting fällt vielschichtiger aus, die Zeiten des reinen Gebolzes sind vorbei. Die Hits der Platte sind "Toxic Trace" und der Titeltrack. Mille gefällt der Sound von Album Nummer drei allerdings nicht sonderlich.
Den größten Entwicklungsschritt machen Kreator hin zu "Extreme Aggression" (1989) – auch kommerziell. Das Video zur Single "Betrayer" läuft beim US-TV-Sender MTV in Dauerrotation. Auf dem Longplayer befinden sich neben dem Titelstück und "Betrayer" weitere Hits wie "Love Us Or Hate Us" oder "Some Pain Will Last".
Der bekannte amerikanische Produzenten Randy Burns verpasst der Band einen international konkurrenzfähigen Sound. Klar strukturierte Arrangements und der gelungene Kontrast zwischen Härte und Melodie verhalfen der Band zum internationalen Durchbruch. "Da haben wir das Ganze zum ersten Mal wirklich ernst genommen", findet Mille: "Wir hatten einen richtigen Produzenten, der extra aus Amerika kam, der uns richtig gecoacht und an unsere Grenzen gebracht hat. Der hat dafür gesorgt, dass wir nach internationalen Maßstäben einen super Sound hatten. Er hat uns auf das nächste Level gebracht."
Mit "Coma Of Souls" (1990) manifestieren Kreator ihren Platz an der europäischen Spitze. Ihrem auf messerscharfen Riffs basierenden Thrash fügt die Band klassische Elemente von Bands wie Iron Maiden oder Judas Priest bei. Positiv bemerkbar machte sich auch Gitarren-Neuzugang Frank Blackfire. Der hatte bereits bei Sodom ein Händchen für gutklassige Riffs bewiesen. Der Platte fehlt allerdings die Hit-Dichte des Vorgängers.
"Renewal" (1992) stellt einen großen Einschnitt dar. Wie viele andere Metalbands in den 1990er Jahren tragen auch Kreator dem von Grunge eingeläuteten musikalischen Wandel Rechnung. Heraus kommen Hardcore-Riffs und Grunge-Melodien sowie der Versuch, dem Sound einen gewissen Groove zu verpassen.
Die Essener waren vom Wille zur musikalischen Weiterentwicklung getrieben. "Wir wollten eine Art Pink-Floyd-Version von Kreator machen", erzählt Mille: "Die ersten fünf Alben kann man als unsere Sturm und Drang-Phase zusammenfassen. 'Renewal' ist das Album, dass außen vor ist. Es war nicht unser beliebtestes Album aber ein sehr wichtiges."
1 Kommentar
Fünf wegweisende Kultalben und das übliche Punk-Experiment einer gelangweilten Thrash-Band, von denen man bekanntlich nicht genug bekommen kann. Vor allem die ersten Alben sind ein guter Einstieg in den jungen Extreme Metal-Mischmasch der späten 80er. Endless Pain war First Wave Black, basta. Aber auch Kreators immenser Einfluss auf folgende Thrash-Generationen dürfte beim weiteren Durchhören klar werden.
Solche Boxen sind super für jüngere Oldschool-Fetischisten die kein Vermögen in Original-Releases stecken wollen.