14. August 2007

"Wir küssen keine Ärsche mehr"

Interview geführt von

Beinahe acht Jahre nach "Peasants, Pigs And Astronauts" veröffentlichen Kula Shaker ein neues Album. Crispian Mills spricht über "Strangefolk" und die neuen Freiheiten, die die Auszeit mit sich gebracht hat.Anfang 2006 kündigten Kula Shaker ihre Reunion an, danach geht alles ganz schnell. Im April gehen sie schon auf Tour durch Großbritannien, im Sommer 2007 erscheint mit "Strangefolk" das dritte Album der Briten. Auch bei der Promo-Arbveit lassen Kula Shaker nichts anbrennen.

"Fünf Minuten habe ich ja noch Zeit", denke ich und begebe ich mich in unseren Konferenzraum, um gemütlich Aufnahmegerät und Mikro herzurichten. Kaum öffne ich die Tür, klingelt das Telefon: Promoter Olli erklärt mir, dass Crispian Mills sehr gesprächig auf mich wartet und reicht mich auch schon weiter.

Hi, mein Name ist Anja.

Crispian Mills: Hi Anja

Wie war Dein Tag bis jetzt?

Gut, vielen Dank. Großartig, sonnig.

Du sitzt gerade in Hamburg?

Ja.

Und Ihr fahrt heute abend nach Berlin?

C: Ja, wir werden nach Berlin fahren. Im Oktober haben wir dort einige Livegigs.

Denkst Du, die Zeit war reif für eine Kula Shaker-Reunion?

Ja. Es ist eigentlich keine Reunion, sondern eine Reinkarnation. Derselbe Spirit ist wieder da. Ich habe die Band 1999 verlassen und wollte auch keine weiteren Kula-Shaker-Platten mehr machen. Doch ich war im Musikgeschäft sehr verloren und wusste nicht, was für eine Art von Album ich machen wollte. Besser als etwas Schlechtes oder Konfuses zu machen, machte ich dann lieber nichts. So habe ich bis jetzt gewartet. Wir waren sehr gespannt darauf, eine Platte zu machen. Geplant haben wir sie über eineinhalb Jahre.

Hat sich in den letzten Jahren etwas an Eurer Art, Musik zu machen, verändert?

Der Unterschied zwischen heute und vor sechs Jahren liegt darin, dass wir heute unabhängig sind. Wir sind in der Lage, den Fokus ganz auf die Musik zu legen. Wir müssen keine Ärsche mehr küssen, die Plattenfirma muss nicht mehr gefragt werden, wir haben keinen Manager mehr. Wir haben nicht mehr so viele Leute um uns. Wir konnten unser Album machen, und die Musik hat den Prozess vorangetrieben. Wir waren sehr glücklich, dass die Musik die meiste Aufmerksamkeit bekommen hat und nicht der ganze Rest drum herum.

Habt Ihr zu Jay Darlington noch Kontakt, Eurem ehemaligen Keyboarder, der jetzt bei Oasis spielt?

Ja, aber er war schon immer sehr verschlossen. Er ist wie ein Einsiedler. Alonza, Paul und ich lebten viele, viele Jahre zusammen. Jay war nie mit dabei. (lacht) Je erfolgreicher die Band wurde, desto distanzierter wurde Jay. Als ich ihn fragte: "Willst Du wieder in der Band sein?" konnte er sich nicht darauf festlegen. Ich mache ihm keine Vorwürfe, denn es ist nicht einfach, full-time in einer Band zu spielen, man hat sehr viele Verpflichtungen. Er spielt sehr gerne mit Oasis. Sie bezahlen ihn, und er muss nichts dafür tun. Er sitzt da nur rum. (lacht)

Wie war die Zusammenarbeit mit Harry Broatbent, dem neuen Bandmitglied?

Es ist einfach großartig. Er ist ein exzellenter Spieler, und wir machten ihn zum Star unseres Videos. Anstatt ihn einfach in eine Ecke der Bühne zu stellen, haben wir gedacht: "Wir machen ihn zum Star und erniedrigen ihn." (lacht)

War er seit längerer Zeit ein Freund von Euch, oder wie habt Ihr ihn gefunden?

Nein, eigentlich spielte er in einer Funk-Band harten New Orleans-Funk. Ich habe ihn mir angesehen, und wir haben ihn gestohlen. Da wir eineinhalb Jahre ohne Release und folglich auch ohne viel Geld an unserer Platte arbeiteten, mussten wir ihn verführen und entführen.

"Die Welt wird von Männern regiert, die wir Soziopathen nennen."

In manchen Songs erinnert mich Deine Stimme etwas an John Lennon. Seid Ihr große Beatles-Fans?

Ja, auf jeden Fall.

Wie war der Videodreh zu "Second Sight?" Es sieht so aus, als hättet Ihr großen Spaß dabei gehabt.

Es war das erste Mal, dass ich als Regisseur gearbeitet habe. Das ist der Spaß, den wir uns jetzt gönnen, unser eigenes Album und unser eigenes Video zu machen. Ja, es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Die Idee, Harry zum Star zu machen, war sehr witzig, denn er ist eigentlich sehr schüchtern. (lacht)

Ich musste laut lachen, als ich den Refrain zu "Great Dictator" gehört habe. Wie seid Ihr auf die Idee zu diesem Song gekommen?

Das war der erste Song, den wir für das Album geschrieben haben. Manchmal denken die Leute, es geht nur um George Bush, aber es geht eher um alle diese Jungs aus all diesen Ländern. Die Welt wird von Business-Männern regiert, von Männern, die wir Soziopathen nennen. Sie haben keine Achtung vor dem Leben. Das kann man an ihren Aktionen sehen. Sie sind eindeutig verrückt. Ich denke, eigentlich ist George Bush eine gute Sache, denn er zeigt den Leuten, wie viel Korruption der Seele in der Welt ist.

Hast Du bei der Produktion dieses Videos auch Regie geführt

Ich habe ein Konzept vorgestellt, doch konnte ich es nicht umsetzen. Freunde von uns haben es gemacht. Hast Du das Video gesehen? Das mit der Animation?

Ja, genau.

Wir wollten eigentlich noch ein richtiges Video drehen, doch die Animationen haben uns so gut gefallen, dass wir es dabei belassen haben.

"Ich mag Politik nicht."

Eure Texte sind sehr politisch. Kannst Du mir etwas zum Angriff auf Blair im Song "Die For Love" sagen?

Ich mag Politik nicht. Ich finde sie langweilig. Und ich glaube auch, dass sie zu nichts führt. Aber ich singe gerne über Menschen, Emotionen, wie ich mich fühle und auch über die Gefühle anderer Menschen. Ich glaube, jedermann weiß, dass Liebe die einzige Sache ist, die wichtig ist. Dass Liebe das Einzige ist, wofür es sich zu sterben lohnt. Und auf keinen Fall für irgendwelche Geschäfte.

Was hältst Du von Künstlern wie Bono und ihrem Einsatz in Sachen Politik?

Ich denke, er meint das nur gut.

Ihr Jungs habt Euer eigenes Label. Wollt Ihr auch andere Bands signen?

Wir planen, andere Bands zu signen. Aber das werden wir in Verkleidungen sein. So können wir mehr Geld verdienen. (lacht). Wir als Reggae-Band aus Jamaika, wir als Surf-Band aus Hawaii. Niemand wird merken, dass das wir sind.

Spielt Ihr diesen Sommer auf Festivals?

Nein, wir haben die Festivalsaison verpasst. Im Oktober touren wir durch Europa. Ich denke, nächstes Jahr werden wir dann auch auf Festivals spielen.

Wir war Deine Arbeit mit den Jeevas?

Die Jeevas waren ein Nebenprojekt, während ich Filmskripte geschrieben habe, was sehr viel Zeit in Anspruch genommen hatte. Doch ich musste weiterhin Musik machen, und die Jeevas waren meine musikalische Lebensader. Die Jeevas waren wie ein heißes Date, aber Kula Shaker ist wie eine Familie.

Hast Du zu den Jungs von den Jeevas noch Kontakt?

Ja, sie haben ein neues Projekt, The Magic Bullet Band und haben uns in England schon supported.

Vielen Dank für das Interview.

Dankeschön.

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