laut.de-Kritik
Die Geschichte der Riot Grrrls ist hoffentlich noch nicht zu Ende erzählt.
Review von Alexander CordasAm 27. Januar 2015 ging ein Kickstarter-Projekt online, mit dem das Produzententeam von Blue Hats Creative eine Dokumentation über L7 finanzieren wollte. Kaum vier Wochen später war die Katze im Sack und das Finanzierungsziel erreicht. Mit Sarah Price (unter anderem "The Yes Men") gewannen Robert Fagan und Maria Aves, die Köpfe hinter der Produktionsfirma, eine hochgelobte Regisseurin für die Dokumentation.
Über hundert Stunden Videomaterial dienten als Basis für den kurzweiligen Neunzigminüter. Bandeigene Camcorder-Aufnahmen, Interviews und Live-Auftritte flossen in den Film mit ein. Dass der Streifen maßgeblich für das Comeback der legendären Truppe die Verantwortung trägt, setzt dem Paket das Sahnehäubchen auf.
Die Doku zeichnet die Geschichte der Band chronologisch nach. Die Anfänge liegen in L.A., als L7 sich zwischen all den Hair-Metalbands des Sunset Strips vorkommen mussten wie Aliens auf einem fremden Paneten. Donita Sparks' und Suzi Gardeners Hintergrund war auch ein anderer als der der meisten Bands der lokalen Szene. Eher in der Aktionskunst zu Hause, gaben sich L7 schon immer eher anarchisch und vom Gestus her punkig.
Dass dieses aggressive und selbstbewusste Auftreten nicht nur begeisterte Reaktionen hervorruft, machen diverse Kommentare von befreundeten Musikern deutlich. Zu Wort kommen unter anderem Shirley Manson (Garbage), Allison Robertson (The Donnas), Butch Vig, Krist Novoselic (Nirvana), Lydia Lunch, CSS, Brody Dalle und Joan Jett.
Zu den Highlights der Camcorder-Aufnahmen zählen neben einer derangierten Courtney Love ganz sicher die Aftershow-Spackereien mit Nick Cave (im Damen-Nachthemd) und ein Rollerskate-Auftritt beim Bad Seed-Frontmann vom Lollapalooza 1994.
Die Interviewten heben regelmäßig darauf ab, dass sich weibliche Musiker immer und immer wieder mit Fragen auseinandersetzen müssen, die sich um ihr Geschlecht drehen. Ein Zitat von Krist Novoselic macht das ganze Dilemma deutlich: "They had the riffs, they had the songs, they just rocked!" Um nichts anderes sollte es eigentlich gehen. Tat und tut es aber nicht. So ist es immer noch kaum nachzuvollziehen, warum der Band nie der Erfolg zuteil wurde, den sie eigentlich verdient.
Halt! Eine Begebenheit zeigt die Doku, die dem Stellenwert und dem Einfluss von L7 gerecht wird. Als die Band in Brasilien einläuft, drehen auf einmal alle durch. Auf dem Hollywood Rock Festival 1993 spielen sie in einer Reihe mit den Red Hot Chili Peppers, Nirvana und Alice in Chains. Ihr Auftritt (auch auf YouTube in voller Länge zu sehen) gerät zum Triumphzug. Wenn Donita Sparks "Deathwish" mit einswei drai firr" anzählt, gleicht das Auditorium einem Tollhaus.
Dass L7 den kommerziellen Durchbruch verkackt haben, ist sicher auch dem Umstand geschuldet, dass es die Band immer bewusst vermieden hat, sich auf ihr Äußeres reduzieren zu lassen. Das führte zu Bühnen-Verkleidungen, die man zartfühlenden Seelen nur schwer verkaufen konnte. Zu politisch (L7 starteten die Rock For Choice-Kampagne), zu wenig angepasst und zu aufmüpfig waren sie ohnehin. Erst nach dem Bandsplit Anfang 2001 realisierte die Öffentlichkeit langsam, welche Perle ihnen da durch die Lappen gegangen ist.
Im März 2012 brachte Donita Sparks die offizielle Facebook-Seite der Band an den Start, um Fans am Erbe teilhaben zu lassen. Das immense Echo überraschte nicht nur die Sängerin und Gitarristin. Der aus dieser Euphorie heraus geborene Film zeichnet liebevoll das Bild einer wahrhaft einzigartigen Formation nach, deren Geschichte hoffentlich noch nicht zu Ende erzählt wurde. Aktuell arbeiten die hart rockenden Damen nämlich an neuem Material, obwohl zu Beginn der Reunion nur Konzerte auf dem Programm standen. Da hat wohl jemand wieder Blut geleckt. Geil!
1 Kommentar
Und was hat das mit der Sagrada Familia zu tun?