laut.de-Kritik

Battlerap gegen das eigene Imposter-Syndrom.

Review von

Es gibt diese Rapper, die im Ozean Deutschrap auf einer einsamen Insel hausen. Lance Butters ist so ein Fall. Der existiert seit nun mehr über einem Jahrzehnt mit einem Sound, der sich keinem Genre so richtig zuordnen lässt, weder Newschool noch Oldschool, einfach nur ein konstant vor sich hin mutierendes Produkt der RBA-Ära, das über all die Jahre seine Fans erstaunlich robust an sich gebunden hat. Und man versteht ja auch, warum: Sein Flow ist einzigartig, sein Soundbild stark, das gilt auch hier. Trotzdem.

Ich habe mittelschweres Hühnchen zu rupfen. Als ich für diese Review noch mal durch seine Alben und EPs gegangen bin, fiel mir auf, dass selbst die Momente, in denen er objektiv ziemlich gut und beizeiten tiefschürfend abgeliefert hat, mir heute großteils auf die Nerven gehen. Entsprechend praktisch, dass sein methodisch wie eine "Hey, ich bin wieder weg von Tauchstation, sorry fürs Ghosten, ich bin gerade etwas knapp bei Kasse, also... :)" in den Gruppenchat einschlagende neue EP wie ein Destillat seiner negativen Eigenschaften aufwartet.

"Long Live Lance" arbeitet weiter an dem Plot, an dem er sich nun schon seit zehn Jahren abarbeitet. Und das ist, wenn es mal quantitativ angeht, weder die vielbeschworene Arroganz noch die neuerdings immer öfter thematisierte Depression. Es ist ein überbordender Frust, dass andere im Rapgame etwas geworden sind und er nicht. Das war die Einsicht, die mir Lance Butters ruiniert hat. Er versteckt unter dem Deckmantel des Battleraps ein extrem wehleidiges Gejammer über die Konkurrenz, die ja nur Trends folgen und deren Hypes ja auch bald sterben würden. Aber über kurz oder lang kommt mir die Tragödie "Ich war mal ein C-List gehypter Rapper, aber dann war ich es nicht mehr" gar nicht so schlimm tragisch vor, wie Lance sie sie nun seit Jahren breit tritt.

Konkreter: Das Intro "Long Live Lance" fängt mit schreibblockadigem Gestocher an. Erst wird uns erklärt, wie supergut der eigene Flow ist (für diese Art Line sollte bitte bestenfalls die Show don't tell-Regel gelten), dann gibt es Punchlines wie: "Dein neuer Song sorgt bei Kids gerade für Aufregung / doch ist für mich eher wie ein Laubbläser" oder "Bruder was du verdienst mit deinem Dreck ist keine Leistung, sondern nur ein glücklicher Zeitpunkt".

Auf den ersten Blick sind das belanglose Fillerlines. Aber das Ding an dieser Art Szenekritik ist ja, dass jeder Front bestenfalls bewusst auf einen zurückfällt. Wer sagt, jemand anders könne nicht rappen, sagt dadurch indirekt, er selbst könne rappen. Wer anderen vorwirft, nicht real zu sein, sagt indirekt, er selbst sei es. So entsteht im Battlerap Charakterisierung; ein guter Battle-MC steht so für etwas. Wofür Lance mit seinen ganzen Gefronte steht, wird nicht klar. Er regt sich über deutschen Rap auf wie der 16Bars-Facebook-Kommentarbereich. Pointen finden sich kaum, kohärente Ziele genauso wenig.

"Mir Geht's Gut" ist definitiv der schlimmste Offender, weil es an seine beste Arbeit anknüpft, aber nur oberflächlich. Als er auf "Angst" mit "Mag Sein" tief hinter die Maske hat spähen lassen, da war das ein eruptiver und drängender Moment. Auf diesem Tape kriegt er seine Mental Health ums Verrecken nicht von seinem Rapperjob getrennt. Ich will ihm nicht absprechen, dass es ihm schlecht geht, aber wenn er im zweiten Part erst sich selbst dafür feiert, wie authentisch seine "schlechte Laune für die Traurigen" sei, warum driftet er danach wieder in dieses ziellose, hohle Gerante über die nebulösen, blöden anderen Rapper mit ihren Klicks ab?

Dieses ganze Tape fühlt sich wie ein Fortschrittsbericht ohne Fortschritt an, dessen Insights nur interessant sein können, wenn man lange schon sehr parasozial involviert in das Phänomen Lance Butters ist. Und das ist leider das Schicksal von so vielen Untergrund-Rapper*innen: Wenn man sich selbst konsequent zum Thema macht, dann entsteht irgendwann kaum noch mehr als oberflächlich an alte Musik andockende Raps darüber, wie die eigene Rap-Karriere gerade läuft. Es fühlt sich an, als wäre das erzählenswert, weil das Musikerleben die Artists dazu zwingt, an quasi nichts anderes zu denken. Aber ist man nur ein Quäntchen raus aus dieser Kern-Fangruppe, ist das als Thema wirklich unglaublich egal.

"Weil Ich's Kann" beendet das kurze Tape dann genau da, wo es anfängt: Mit Stammtisch-Faustschwingen über den vermeintlich so furchtbaren Stand des Deutschraps von jemandem, der ständig versichert, das würde ihn ja eh nicht interessieren. Da stellt sich eine elementare Frage: Warum erzählst du uns das dann die ganze Zeit? Wen juckt's?! Wen juckt's, dass irgendein nebulöser Rapper, den du nicht benennst, schlecht auf einen Drill-Beat gerappt hat oder trotz guten Masterings nicht geil klingt? Was hat das mit dir zu tun? Was willst du uns hier gerade erzählen? Oder schlagen wir gerade nur Zeit tot?

"Long Live Lance" ist die langweiligste Form von Anti-Alles: Obwohl sie sich zwar über alles erhaben fühlt, steht sie selbst für überhaupt nichts. Es hat keinen Humor, keinen Spaß an der Sache und keine neuen Ideen (allerhöchsten der Dance-Track "Krank" kommt klanglich interessant, hätte aber auch ein bisschen weiter ausgearbeitet werden können). Es ist ein rambelndes Selbstgespräch von Lance mit sich selbst darüber, warum er definitiv mehr Erfolg verdient hätte. Es ist ein Update ohne Neuigkeit und so mit sich selbst beschäftigt, dass es das nicht einmal merkt. Falls er hier irgendetwas battlet, dann höchstens sein Imposter-Syndrom.

Trackliste

  1. 1. Long Live Lance
  2. 2. Issa Vibe (Interlude)
  3. 3. Krank
  4. 4. Mir Geht's Gut
  5. 5. Ein Und Aus
  6. 6. Weil Ich's Kann

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5 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor einem Monat

    Dieser Kommentar wurde vor einem Monat durch den Autor entfernt.

  • Vor einem Monat

    Tut mir leid dass so zu sagen aber das ist die schlechteste Review die ich seit langem gelesen habe. Normalerweise mag ich die Reviews von Yannik ja, hab aber spätestens seit der Hollywood Hank Thematik das Gefühl dass unter jedem Beitrag hier erstmal die höchst subjektive Wahrnehmung eines Künstlers als Person und deren Werdegang Thema ist statt sich auf das vorliegende Album/EP zu konzentrieren und die Qualität der Musik zu thematisieren. Kommt mir bisschen so vor als wenn das für dich jetzt der perfekte Zeitpunkt war deine persönliche Meinung über lance zu schildern und die Musik ist erstmal nebensächlich. Aber mal zur Musik. Lance Butters ist einer der sehr wenigen Deutschrapper die mich über die letzten 10 Jahre so richtig gecatcht haben. In dieser Review stecken einfach zu viel Wiedersprüche. Lance Butters hat schon immer über Rap gerappt. Sich über Trends aufgeregt, sich selbst als den krassesten inszeniert usw. Ähnlich wie Retrogott oder so. Bloß halt ohne Ironie sondern einfach straight arrogant. Und das war schon immer so! Wieso wird dass jetzt auf einmal ein Problem? Wieso war das all die Jahre noch vollkommen legitim. Ich würde ja sogar unterschreiben dass die EP inhaltlich nichts zu bieten hat. Aber das war auch nie der Punkt. Lance hat schon immer vibe und flow fokussierte Musik gemacht. ANGST war halt wirklich ne Ausnahme. Er war inhaltlich nie abwechslungsreich. Deepe oder battle Tracks was anderes hat der nie gemacht. Warum hat die letzte EP aber 4 Sterne bekommen und diese 2? Mich stört einfach das vollkommen die Intention hinter der EP nicht beachtet wird. Die Kritikpunkte hier sind einfach hinfällig. Soundtechnisch hat lance sich immer entwickelt und diese EP klingt ist einfach krass geflowt, hat eigenständige Beats die sich stark von der letzten abheben und zeigt somit ne musikalische Entwicklung. Nur danach sollte man bewerten. Man kann die inhaltliche Monotonie zwar kritisieren aber du stellst es so dar als wäre auch die musikalische Seite vollkommen belanglos. Find's auch bisschen wack sein Untergrund Status hier als was negatives darzustellen.
    4/5

  • Vor einem Monat

    Ich habe auf die Review gewartet und dann kriegt man so einen sich widersprechenden Rotz serviert. Lance war immer inhaltlich auf der Linie, die er fährt, wenn man Angst mal weglässt. Aber sonst ist alles auf einem hohen Niveau das auch nicht jeder erreicht und rein vom Sound her ist das wie jedes bisherige Release mal wieder erste Sahne. Ganz klar 4/5

  • Vor einem Monat

    Ziemlich langweilig... an welcher Stelle flowt Lance eig so besonders gut? Bisher keine gefunden.

  • Vor einem Monat

    Was der eine als "inhaltlich auf Linie" beschreibt, empfindet der andere als monoton. Ist es Konstanz/Besinnung auf Stärken oder fehlende Weiterentwicklung, ist er inhaltlich stringent/sich treu geblieben oder thematisch ausgelutscht/langweilig? Das gipfelt ja manchmal in so Formulierungen, wie dass die Stärke eines Künstlers zugleich seine Schwäche ist (oder umgekehrt?).
    Ich mochte an dem die nölig-nervige Arroganz, die mich jetzt aber abschreckend nervt. Auch meine Nische ist das nicht (mehr).