laut.de-Kritik
Die Gefahr, sich in Tagträumen zu verlieren, ist groß ...
Review von Martin LeuteCoverversionen sind so eine Sache. Geglückt sind sie, wenn es dem Künstler gelingt, sich das Original anzueignen und es neu zu interpretieren, ohne dabei den Song einfach zu kopieren. Das Ergebnis sollte einen Mehrwert offenbaren, der dem Original auf eine spezifische und individuelle Weise der Neuinterpretation abgerungen wird, ohne es völlig zu dekonstruieren. Wie das klingen kann, haben Nouvelle Vague mit ihren gelungenen Bossa Nova-Versionen unterschiedlichster Songs aus den 80ern vorgeführt.
Mit "La Septième Vague" ist nun ein Album eines Franzosen auf dem Markt, das - abgesehen vom Titeltrack - ausschließlich mit Coverversionen in englischer und französischer Sprache aufwartet. Laurent Voulzy dürfte hierzulande den Wenigsten ein Begriff sein, in Frankreich ist er einer der beliebtesten und erfolgreichsten Musiker. Und, was soll man sagen? Er covert die 18 Songs unspektakulär, er setzt auf Kommerz statt auf Innovation und bleibt trotz dezenter Easy-Listening-Arrangements zu nahe an den Originalen.
Locker wiegt man in der Hängematte und fragt, warum Voulzy auf dem Cover bis zu den Knien im Wasser steht und sein Blick sehnsüchtig in die Ferne schweifen lässt?Meeresrauschen eröffnet das Album, sanfte Percussion erklingt, die gezupfte akustische Gitarre springt auf und Voulzy intoniert eingängig "Do You Wanna Dance?" von Johnny Rivers.
Der Opener gibt das Konzept des Albums vor: Südländische Leichtigkeit und Harmonie mit dezent melancholischem Einschlag werden suggeriert, die den Hörer mitreißen wollen in eine weichgespülte Strandlandschaft, in der das Leben vorgeblich sorgenfrei ist. Die Versuchung ist groß, sich beim Hören in Tagträumen zu verlieren.
Stücke wie "Smooth Operator", das Sade ihren größten Hit bescherte, das mit Andrea Corr gesungene Duett "All I Have To Do Is Dream" von den Beatles, "The 59 Street Bridge Song (Feelin' Groovy)" von Simon oder der Double-Klassiker "The Captain Of Her Heart": Alle Stücke werden zu geschmeidigem, mit samtener Stimme vorgetragenem Akustik-Pop verbraten, mit sanftem Keyboard sowie Backgroundgesang garniert und hier und da ein Glockenspiel eingebaut - absolut knitterfrei.
Recht hübsch, weil ich diese Songs lange nicht mehr gehört habe, sind "Oh Lori" von den Alessi Brothers oder "Clair" von Gilbert O'Sullivan. Die Versionen von "Light My Fire" oder The Shadow Of Your Smile" sind absolut überflüssig und "Yesterday Once More" von den Carpenters sollte man besser unangetastet lassen. "Das ist keine Tribute-Platte, denn solche Meisterstücke brauchen keinen Tribute. Es macht einfach große Freude, sie zu spielen", sagt Voulzy und entzieht damit einer fundamentalen Kritik den Boden.
"La Septième Vague" ist ein geschickt inszeniertes Werk. Die Songauswahl aus 40 Jahren Popgeschichte, die eher den älter gewordenen Musikfreund anspricht, kann man so stehen lassen. Die Stimmung des kompletten Albums ist aber so angenehm wie einfallslos. Der Wiedererkennungswert der Lieder ist hoch, die Mitsing-Option garantiert. Eine vehemente Kritik dieser Platte käme insofern einer Kritik an den großartigen Originalen gleich, weil die Songs den Vorbildern - auch in stimmlicher Hinsicht - zu sehr ähneln.
Man kann dieses entspannte Album durchaus anhören, sollte aber immer im Gedächtnis behalten, dass es sich hier um schlichte Coverversionen handelt. Wer die Originale kennt, der kommt nicht umhin, von recht hübschen Interpretationen, aber auch von einer ziemlich uninspirierten Aneignung der Originale zu sprechen, die diesen zu wenig hinzufügt. Ich jedenfalls bevorzuge in diesem Fall die Originale.
Noch keine Kommentare