laut.de-Kritik
Harte Jungle-Beats mit Tubas und Trompeten ...
Review von Janosch MüllerDie französischen Drogengesetze sind die härtesten in unserem direkten Umkreis: Nicht nur, dass auf den Besitz selbst geringer Mengen Cannabis bis zu 10 Jahre Haft stehen, und man, im Gegensatz beispielsweise zu einem Mörder, erst am dritten Tag der Festnahme das Recht hat, einen Anwalt zu kontaktieren. Nein, schon für die öffentliche Abbildung eines Hanfblattes können Geldstrafen von mehreren hundert Euro verhängt werden. Trotz dieser beispiellos repressiven Drogenpolitik ist der Anteil der Cannabiskonsumenten höher, als in den meisten anderen Ländern Europas. Es wird vermutet, dass 59 Prozent der 18-jährigen männlichen Franzosen Cannabis konsumiert haben. Auch "Le Peuple De L'Herbe" zeigen sich unbeeindruckt: Im Zentrum des Coverartworks ihres neuen Albums "P.H. Test/Two" steht die übergroße Abbildung eines Hundes, der ein Hanfblatt im Maul trägt.
Hinter diesem Artwork verbirgt sich eine einzigartige Melange aus zahllosen Stilrichtungen. Von Dub und Jungle über Hip-Hop- und Rap-Einlagen bis hin zu Reggae bzw. Ragga und gelegentlich einer Prise Smooth Jazz ist alles vertreten, wobei kein zwanghafter Genrebrei entsteht, denn einzelne Stücke werden zu keiner Zeit mit dieser Vielfalt überladen. An "Delice" lässt sich das einfach veranschaulichen: Das Gründgerüst bildet ein solider Hip-Hop-Beat, dazu kommt nur ein Schlagzeug und eine smoothe Jazz-Posaune, hier und da ein paar Scratches und fertig ist ein nicht besonders komplexer, aber überraschend gut funktionierender und sehr innovativer Track, einer der Höhepunkte von "P.H. Test/Two".
Weitere sind schnell gefunden. "No Escape" verträgt sich mit seinen schnellen, von harten Jungle-Beats unterlegten Rap- und Raggaparts noch am ehesten mit dem Massengeschmack. Im Gegensatz zum schönen "Les Rues De St Paul". Mit Tubas und Trompeten wird hier die Messlatte für alle, die sich künftig in Sachen Dub versuchen wollen, ordentlich hoch angesetzt. Bei jedem Hören offenbaren sich neue Details, ob es sich nun um leise Streicher am Anfang oder unauffällig untergeschobenen Polizeifunk handelt.
Dann gibts da noch so einiges, was "Delice" nicht gerade unähnlich klingt, aber Schwamm drüber: Davon kriegt man nicht so schnell genug! Schon eher von dem leider ausgesprochen langweiligen "Mr Nice" oder dem etwas eintönig geratenen "Parkside Souvenirs", das aber mit einem plötzlichen Crossover-Einschlag immerhin für eine Überraschung sorgt. Auch "Transmissions", das ob seiner Langsamkeit fast schon Ambient-Charakter hat, will nicht recht zum Bild des Albums passen. Zieht man diese weniger gelungenen Elemente sowie Intro und Interlude ab, bleiben immerhin 44 Minuten Musik, die es sich zu besitzen lohnt.
Der Stil der Krautjungs wird wohl nicht so schnell den Geschmack einer großen Zielgruppe treffen. Wenn dieses Album jedoch, dem Titel ("P.H. Test/Two") entsprechend, wirklich nur ein Vorgeschmack ist, dürfte die zu erwartende Rückmeldung zumindest für den Erwerb neuen Brennstoffs zum Betrieb des Kreativitäts-Ofens vollkommen ausreichen.
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