laut.de-Kritik

Der alte Sack hat die Freshness gepachtet.

Review von

"I am the Alpha. And the Omega." An Selbstbewusstsein mangelte es Lee 'Scratch' Perry noch nie. Wie recht er damit immer wieder behält, grenzt an Unverschämtheit. Seine Stimme mag über die Jahre brüchig geworden sein, sie besitzt längst nicht mehr die Tragkraft vergangener Tage. Über sechs Dekaden im Geschäft, untrennbar gepaart mit exzessivem Gebrauch diversester Rauschmittel, hinterlassen Spuren.

Zum Glück. Man begänne sonst tatsächlich, an seiner Menschlichkeit zu zweifeln. In welchem Ausmaß dieser - mit Verlaub! - alte Sack die Freshness gepachtet zu haben scheint: nicht von dieser Welt. "Revelation" klingt vom ersten eingefangenen, elektronisch verfremdeten Donnerhall bis zum letzten verklungenen Echo frisch wie der junge Morgen. Roots-Reggae: Ja, bitte! Statt üppig instrumentierter Szenarien setzt der Erfinder des Dub inzwischen aber mehr denn je auf schlanke, digitale Klänge.

"Zehn - neun - acht - sieben ...": Rücksturz zur Erde! Zu einfach strukturierten Melodien knallt einem Lee 'Scratch' Perry simpel anmutende Zeilen um die Ohren, denen man ihre intrinsische Brisanz meist erst anmerkt, wenn einem das eigene Hirn in Fetzen um die Ohren fliegt. Der Nachhall der Explosion wabert in den dubbigen Weiten.

Kompromisslos wettert Lee 'Scratch' Perry gegen das System. Weder das FBI noch die CIA sind zu seiner Party geladen, versteht sich. Wohl aber "holy angels, singers and players of instruments - darunter "extraterrestrians", Cherubim und Seraphim sowie wieder einmal P-Funk-Pate George Clinton, Rolling Stone Keith Richards und seine Gitarre.

"Scary Politicians" fahren zusammen mit dem schnöden Mammon zum Teufel ("Money Come, Money Go"), ehe der Zeremonienmeister gebietet: "Let There Be Light" - und die fünf Bücher Moses mal eben um Nummer sechs und sieben erweitert. Woher nimmt dieser Mann nur seine Traute? "On Jah the solid rock I stand", verrät er in "An Eye For An Eye" zu klassisch tropfender Bassline, fiepender Elektronik und laszivem Gestöhne, das einer Donna Summer (der einen wie der anderen) alle Ehre gemacht hätte. Solch solides Fundament bietet keinen Nährboden für Angst.

"I conquer fear, erschallt es folgerichtig aus "Let There Be Light". Lee 'Scratch' Perry fürchtet sich offensichtlich vor gar nichts und lacht mit "Freaky Michael" gleich noch der allseits verordneten Political Correctness breit ins Gesicht. Während sich alle Welt - zuletzt R. Kelly auf "Love Letter" - zu mehr oder weniger verlogenen Huldigungen des verblichenen King of Pop versteigt, stellt dieser Mann die Frage, die im Grunde jeden einzelnen viel brennender interessiert: "Michael, where's your nose?"

Mögen sie noch so verschroben sein: Ehe der Upsetter seine Überzeugungen verrät oder gar seine Seele verkauft, muss schon mindestens die Hölle gefrieren. "Would you like to know who I am?" Ich hege da so einen Verdacht: Sie, Mr. Perry, sind auf diesem verirrten Planeten der letzte aufrechte Punk.

Trackliste

  1. 1. Revelation, Revolution & Evolution
  2. 2. Used To Drive A Tractor In Negrille
  3. 3. Fire Power
  4. 4. Holy Angels
  5. 5. Scary Politicians
  6. 6. Let There Be Light
  7. 7. Books Of Moses
  8. 8. Money Come And Money Go
  9. 9. Psalm
  10. 10. Run For Cover
  11. 11. Freaky Michael
  12. 12. Weatherman
  13. 13. An Eye For An Eye

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Perry,Lee "Scratch" – Revelation [Vinyl LP] [Inklusive Audio CD] €37,33 Frei €40,33

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Lee 'Scratch' Perry

Niemand weiß, ob Reggae heute weltweit eine solche Faszination ausstrahlen würde, ob es sich über Jahre so erfolgreich als identitätsstiftendes Genre …

8 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    frag ich mich auch - aber der vom label offiziell kommunizierte vö-termin ist heute. seltsame welt.

  • Vor 13 Jahren

    Merkwürdig, ich glaub in irgendeinem Vorchecking wurds auch schonmal aufgelistet...
    Egal hauptsache das Album ist gut und Platte der Woche!

  • Vor 13 Jahren

    Ich bin wirklich begeistert! Zugegeben, ich hatte noch nie was von Lee Perry gehört, aber ich finde es immer sehr erfrischend, wenn "ältere Herren" sich nicht hängen lassen und lieber den jungen zeigen, wo es lang geht!! :) ..deswegen hatte ich das Review hier angeklickt und mein erster Eindruck war nicht soo gut, aber ich konnte auch nicht abschalten und habe mir das ganze Album auf Youtube angehört und nun bin ich begeistert! :) Der Mann hat mich so inspiriert, dass ich direkt einen Demotrack (angelehnt an seinem Stil) aufgenommen habe. Was ich sagen möchte: das Album klingt nach dem ersten hören echt "fresh" und inspirierend. Gut das ich hier draufgeklickt habe! :) Das Album werde ich mir heute Abend direkt kaufen!