laut.de-Kritik

Es geht um Haltung, Attitüde, Stil. Aber auch um Drogen, Alkohol und Sex.

Review von

49% Motherfucker, 51% Son of a bitch. Der Untertitel der längst überfälligen Doku über Motörhead-Fröntsau Lemmy Kilmister bringt es nicht nur elegant auf den Punkt, sondern bereitet auch angemessen auf den Wahnsinn vor, der uns hier über die Laufzeit von 120 kurzweiligen Minuten erwartet.

Er hätte allerdings auch lauten können: 1% Motörhead, 99% God of Heavy Metal. Denn Lemmys Musik ist für die Regisseure Greg Olliver und Wes Orshoski nur Mittel zum Zweck. Des Godfathers stählerne Mitstreiter Phil Campbell (Gitarre) und Mikkey Dee (Drums) verkommen im Film zu Statisten, die allenfalls mal beim Pennen im Tourbus ins Bild rutschen (weshalb Campbell Berichten zufolge derzeit nicht gerade gut auf das Duo zu sprechen ist).

Aber mal ehrlich, wen interessiert das? Campbell erzählt an einer Stelle schließlich selbst mit leuchtenden Augen, wie er Anfang der 70er Jahre nach einer Hawkwind-Show am Zaun stand und Lemmy als einziges Bandmitglied rauskam, um Autogramme zu geben.

Und so heißt der Film unmissverständlich "Lemmy - The Movie" und ist eine ausgedehnte Liebeserklärung an einen Mann geworden, der diesen Begriff zumindest nach eigenem Bekunden auch schon mal gehört hat. Es ist die späte Würdigung eines Mannes, der in schwarzer Lederkluft seit rund 45 Jahren allabendlich einen Höllenlärm fabriziert, während Gleichaltrige im Frottee-Pyjama ihr Hörgerät einstellen.

Zu den schönsten Film-Momenten zählt die Szene, in der sich Lemmy, sein erwachsener Sohn Paul und die Interviewer in seiner Messie-Wohnung am Sunset Strip in L.A. treffen, einer Art Lemmy-Gedenkstätte. Irgendwo unter all den Büchern, Postern und Goldenen Schallplatten, den unzähligen Konterfeis des Sängers in Bildern, Actionfiguren und Skulpturen und auf einem flächendeckenden Teppich aus Müll sitzen sie an einem Tisch.

Was folgt ist ein bizarrer Dialog zwischen Vater und Sohn, in dem die Themengebiete One-Night-Stand, John Lennon-Affäre, Drogenlieferung und Partnertausch ganz selbstverständlich nebeneinander stehen. Mittendrin plötzlich Lemmys irritierender Satz: "Mein Sohn ist das Wichtigste in diesem Raum."

Die Szene destilliert praktisch die Message des Films: Dieser 65 Jahre alte R'n'R-Mythos ist tatsächlich ein Mensch aus Fleisch und Blut, er tickt nur etwas anders, als alle anderen. Lemmy ist der Dude des Heavy Metal. Er geht seinen eigenen Weg und man bewundert ihn dafür. Nur statt White Russian bestellt er Jacky-Cola.

Um das Outlaw-Image des Sängers sichtbar zu machen, holten Olliver und Orshoski offensichtliche und überraschende Musiker ins Boot: Slash, Alice Cooper, Ozzy Osbourne, Dave Grohl, Scott Ian, Mick Jones, Metallica, aber auch Peter Hook, Jarvis Cocker und Ice T; sie alle versuchen in Worte zu fassen, wie es kommen konnte, dass ein Mann mit dem Bewegungsradius von Bud Spencer zu einem Idol mehrerer Musiker-Generationen emporsteigen konnte.

Die Regisseure stellen die richtigen Fragen, ohne eine wichtige zu vergessen. Was auch kaum möglich ist, angesichts einer Drehzeit von drei Jahren. Und um Missverständnissen vorzubeugen: Man war sich nicht zu fein, den Nazi-Devotionaliensammler in Kilmister ins Bild zu rücken. Das Band-Management stufte die entsprechenden Szenen (zum Beispiel Lemmy in adretter Uniform auf einem Panzer) jedoch leider als für den deutschen Markt ungeeignet ein. Selbst für das ebenfalls 120 Minuten lange Bonusmaterial.

"Lemmy" kreist um die Themen Haltung, Attitüde und Stil. Aber auch um Drogen, Alkohol und Sex. Wir erleben vor allem den Lemmy von heute und meistens an jenen Orten, wo man ihn abseits der Bühne erwartet: Im Rainbow Bar & Grill, der Lieblingskneipe neben seiner Wohnung, im Spielcasino oder im Studio mit Metallica oder Dave Grohl.

Überflüssig zu sagen, dass der Film randvoll ist mit Lebensweisheiten, wie sie nur von einem Mann stammen können, der Jimi Hendrix einst mit Trips versorgte: "Es hieß damals, dass Acid an zwei aufeinanderfolgenden Tagen nicht wirkt. Wir fanden heraus, dass es sehr wohl geht, wenn man nur die Dosis verdoppelt."

Mit "Lemmy" erzählen Greg Olliver und Wes Orshoski eine wundervolle Rock'n'Roll-Saga, die auf einer Stufe mit Sacha Gervasis grandiosem Überraschungserfolg "The Story Of Anvil" rangiert. Musste man sich bei den kanadischen Power-Metallern noch Tränen vor Mitleid aus den Augen reiben, weint man hier dank Lemmys trinkfestem Harhar-Humor. But that's the way I like it baby, I don't wanna live forever!

Trackliste

  1. 1. Lemmy - The Movie
  2. 2. Bonus Features

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47 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    früher hätte man User wie ultra bei laut.de noch in hohem Bogen gekickt.. was ist nur aus dem Verein geworden..

  • Vor 13 Jahren

    Früher hätte man nen (l)user wie lautuser in hohem Bogen in den Hintern gefickt. Was ist nur aus dem Verein geworden. Aber das würde ihm ja noch gefallen - also lassen wirs.
    Nächster...

  • Vor 13 Jahren

    Ich besitze diese DVD (meine erste und einzige Musik-DVD überhaupt) auch seit kurzem, und finde sie im großen und ganzen recht gelungen. Nur wird es mir ehrlichgesagt doch irgendwann zu viel, wenn ich von 10.000 Personen immer des gleiche "Lem ist der größte und würde sich für niemanden verbiegen"-Blabla zu hören kriege. Klar, ich vergöttere Herrn Kilmister auch, aber DASS Lem der größte ist, wusste ich schon vorher, dafür brauche ich diesen Film nicht. Eine etwas differenzierter Sichtweise hätte der ganzen Sache manchmal gut getan. Unterhalten hats mich trotzdem.