laut.de-Kritik
Die "beste Tournee seines Lebens" in einer historischen Dokumentation.
Review von Giuliano Benassi"Er lebt noch!" dürfte der erste Gedanke von Leonard Cohen Fans gewesen sein, die sich in den letzten Tagen durch die inzwischen durchgängig als Nice Price etikettierte Produktion des kanadischen Songwriters gewühlt und "Field Commander Cohen" entdeckt haben.
"Ich lebe noch!" dürfte auch die wichtigste Botschaft dieser über 20 Jahre alten Liveaufnahme sein, die erste Veröffentlichung Cohens seit dem 94er "Live". Danach zog er sich in ein Zen-Kloster bei Los Angeles zurück, kochte für seinen Meister und widmete sich seiner Seelenruhe.
Ein neues Studioalbum ist in der Mache, aber die Veröffentlichung wird wohl nicht mehr in diesem Jahr stattfinden. Vorerst muss man sich also mit diesem Zeugnis begnügen, das während drei Konzerten in London und Brighton im Dezember 1979 mitgeschnitten wurde. Der erste Eindruck gilt der hohen, durchaus zeitgemäßen Qualität der Aufnahmen, was das Cover, die Abbildung eines verstrahlten Cohen, der so aussieht, als hätte er gerade seine Finger aus einer Steckdose gezogen, nicht unbedingt vermuten lässt. Historisch gesehen besiegelt sie das Ende seiner ersten, schwermütig existentiellen, Schaffensperiode. Er habe Spaß gehabt, erzählt er; es sei wohl die beste Tournee seines Lebens gewesen, behaupten Insider. Mit Musikern wie Jennifer Warnes als Backgroundvokalistin, Paul Ostermayer am Saxophon, Raffi Hakopian an der Geige oder John Bilezikjian an Mandoline und Oud ist die Begleitung auch erstklassig bestückt.
Man trifft auf einen klassischen Cohen, der zwar dank jahrelangem schweren Zigarettenkonsum nicht mehr die Stimme der Anfangszeiten hat, aber doch noch um Einiges höher singt als auf späteren Aufnahmen. Die Arrangements, teilweise dezent von E-Gitarre und Keyboard unterstrichen, sind hauptsächlich akustisch und bilden eine gute Basis für die vorgetragenen Lieder, die aus seiner gesamten Schaffensperiode stammen.
Alles in allem besitzt die Aufnahme aber nicht die Intensität des 73er "Live Songs" oder das Charisma und die Ironie von "Cohen Live". Das Publikum klatscht artig am Anfang und am Ende jedes Songs und ist sonst nicht zu hören, einige Stücke hätte man getrost weglassen können, so den Titeltrack, "Lover Lover Lover" und das schmissige "Memories", während "Bird On The Wire" weder mit der Studioaufnahme noch mit den anderen zwei Liveversionen mithalten kann. Die Höhepunkte bilden "The Gypsy's Wife", "The Stranger Song", The Guests und das wahrlich meisterhafte "The Window".
"Field Commander Cohen" bringt also keine neuen Einsichten in das Werk des Kanadiers. LeserInnen, die ihn noch nicht kennen, seien seine ersten Aufnahmen und das wunderbahre 94er "Live" empfohlen. Fans dagegen haben keinen Tipp nötig: Diese Platte ist wohl genauso unersetzlich wie all die anderen, die er herausgebracht hat.
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