laut.de-Kritik

Soul, Pop, Rap und Drangsal: Leslie Clios bestes Album.

Review von

Das Album "Eureka" wollte 2015 im Vergleich zu Leslie Clios Debüt nie richtig zünden. Zu sehr klang der Versuch durch, schnell an den Vorgänger anzuknüpfen. Die Laune der Songs stieg an, doch die Qualität sank. "Purple" geht den exakt entgegengesetzten Weg und liefert "Gladys" den Nachfolger, den es eigentlich verdient hat.

Irgendwie scheint auch Clio gespürt zu haben, dass sie in einer Sackgasse angekommen war. Um Abstand und neue Inspiration zu gewinnen, wagte sie den Reset. "Ich habe mich von vielen Menschen verabschiedet", sagt sie, "und habe einfach alles verkauft: jeden Teller, jede Gabel, jeden Löffel, der eine Bedeutung in meinem Leben hatte. Es war ein radikaler Neuanfang. Auf Hawaii habe ich in einem Haus mit fünf anderen Leuten gewohnt, die ihr Gemüse selbst angebaut haben und denen ich bei der Ernte helfen konnte. Aber vor allem habe ich dort in einem längeren Prozess wieder herausgefunden, wer ich bin und was ich will."

In dieser Zeit hat sich einiges verändert. Der Pop-Soul, der bisher das Werk der Sängerin bestimmte, bleibt allgegenwärtig, aber er bestimmt nicht mehr das Bild. Viel mehr bietet er das Gerüst, an dem die Tracks emporranken. Von hier aus steht ihnen der Weg offen. Eine dunklere, melancholischere Grundstimmung und der Einsatz von weitaus mehr Elektronik als auf den bisherigen Platten hält die Stücke zusammen.

Die große Tragödie "Game Changer" bietet das perfekte Umfeld für Clios Stimme, an der sie seit ihrem Erstling deutlich weiter gearbeitet hat. In finsteren Tiefen beginnend, steigert sich das Lied mit theatralischen Synth-Bläsern zu einer packenden Anklage. Leslie spielt die Klaviatur ihrer Emotionen, wechselt mehrfach von geheimnisvoller Gefühlskälte zu energisch ausuferndem Schmerz und zurück.

Im Kontext dieser Ausrichtung ergibt auch die im ersten Moment seltsam anmutende Zusammenarbeit mit Drangsal Sinn. Sicher nicht der erste Sänger, den man an der Seite einer Pop-Soul-Künstlerin vermutet. Das großartig vor sich hin dämmernde "Bad Habit" bietet den beiden mit seiner gedämpften Gitarre und minimalem Synthesizer-Einsatz die perfekte Bühne. Leider steht die Produktion dem Song im Weg. Zu deutlich unterscheidet sich die Abmischung der Stimmen. Nie ersteht der Eindruck, dass die beiden sich bei den Aufnahmen auch nur einmal gesehen hätten. So finden diese beiden Stimmen leider nie zusammen und bleiben sich die ganze Zeit über fremd. Ein Wermutstropfen.

Trotz dieses kleinen Makels bleibt "Purple" eine Kraft, ein stark in sich geschlossenes Album, das sich jeder aufkommenden Langeweile verweigert. Ohne mit der Wimper zu zucken verbindet sie in "Riot", einem der stärksten Songs des Albums, die allgegenwärtige melancholische Kühle mit warmen World-Einflüssen und lässt dies letztlich in einem "Riot"-Pop-Refrain à la Katy Perry gipfeln. Die Überraschung wartet zu dem Zeitpunkt jedoch an der nächsten Ecke. Clio rappt. Passend zum World-Einfluss klingt sie wie M.I.A. und schlägt sich dabei mehr als tapfer. Wie sie selbst im Refrain singt: "I go anywhere I want!".

So bleibt "Purple" über die ganze Spielzeit unvorhersehbar. Leslie Clio wechselt vom energischen Soul-Stampfer "And I'm Leaving" zu elektronischen Trip Hop-Dramen ("Lies Are Gold"). Von glasknochenen Elektro-Balladen ("Fragile") hin zu purem Pop ("Aquarius", "In And Out"). Die Arrangements stecken voller kleiner, liebevoller Details, die sich erst mit der Zeit entfalten. Mit ihrem dritten Album gelingt Leslie Clio ein gewaltiger künstlerischer Schritt nach vorne und ihr bisher bester Longplayer.

Trackliste

  1. 1. Lies Are Gold
  2. 2. And I'm Leaving
  3. 3. Game Changer
  4. 4. Riot
  5. 5. Darkness Is A Filler
  6. 6. Sad Games
  7. 7. In And Out
  8. 8. Aquarius
  9. 9. But It Ruins Me
  10. 10. Walls Down
  11. 11. Fragile
  12. 12. Bad Habit feat. Drangsal

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