laut.de-Kritik
Solider "Heavy Pop" aus Bayern.
Review von Kai ButterweckIn Corono-Zeiten marschieren fleißige Handwerker vorneweg. Wer nicht auf Reisen gehen kann, der versorgt seine Anhängerschaft mit wöchentlichen Livestreams oder nimmt einfach einen neuen Song nach dem anderen auf. Auch die Jungs von Lester sprudeln vor Tatendrang, während draußen vor der Münchener Proberaumtür der Corona-Wahnsinn seine Kreise zieht.
Nach einer im Frühjahr veröffentlichten Mini-Ep liegt nun das zweite Studioalbum mit dem plakativen Titel "Die Beste Aller Zeiten" auf dem Tisch. Darauf zu hören ist deutschsprachiger "Heavy Pop" mit einem Schuss 90er-Emo und einer Prise Indierock.
Was bereits nach Durchlauf auffällt: Lester-Songs gehen gut und schnell ins Ohr. Die Band legt viel Wert auf massenkompatible Melodien und simpel strukturiertes Songwriting.
Im Grunde passt so ziemlich alles ganz gut zusammen, wäre da nicht die quäkende Stimme von Frontmann Andy, der ein bisschen klingt, als hätte sich das jugendliche Jammer-Organ von Heinz Rudolf Kunze mit den Stimmfarben von Campino und Ingo Knollmann vermählt.
Apropos Ingo Knollmann: Was hier gesanglich eher nach hinten losgeht, trifft musikalisch bisweilen ziemlich oft genau ins Schwarze. Lester feiern vermutlich ungewollt ein ziemlich schmissiges Donots-goes-Indierock-Revival, auf dem man zwischendurch auch immer mal wieder gerne zur wilden Pogo-Party im Hinterhof lädt ("Trick 17", "Treppenhaus").
Lester wehren sich gegen Besserwisser, Meinungslose und großkotzige Kollegen: Inhaltlich sowohl in den eigenen vier Wänden als auch draußen vor der Haustür Fragen stellend und gelegentlich laut polternd, pendeln Lester gekonnt zwischen Rock, Punk, Pop und kratzigem Emo-Indierock.
Mal abgesehen vom gewöhnungsbedürftigen Frontgesang und hin und wieder zu sehr in Richtung Pop-Punk schielendem Füllstoff ("Kreidekreisel", "Bärensee") liefert das bayerische Quartett musikalisch solide ab. Mit den beiden 'Heavy Pop'-Hymnen "Detox In Detroit" und "Rosario-Xinghua" verzeichnen Lester am Ende sogar noch zwei Ohrwürmer. Also (fast) alles richtig gemacht. Hiermit kann man als Freund von melodischem Krach durchaus was anfangen.
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