laut.de-Kritik

Ein tüdeliger Rohrkrepier.

Review von

Eine neue Supergroup ist in der Stadt. Die eine Hälfte besteht aus der Legende John Squire, der einst bei The Stone Roses Gitarre spielte. Mit ihnen nahm er mit "The Stone Roses" eines der besten Alben ever auf, definierte Madchester, Alternative Rock und Britpop, bevor dieses Wort überhaupt erfunden war. Seine Soli und die von ihm und Ian Brown geschriebenen Lieder funkeln noch heute selbst durch Wolken im Sonnenlicht. Die andere Hälfte war einst Leadsänger der britischen Band Oasis.

Da Squire für das gesamte Songwriting auf "Liam Gallagher & John Squire" verantwortlich zeichnet, geht dieser im Vorfeld von den beiden tüdeligen Titanen als "das beste Album seit 'Revolver' von den Beatles" bezeichnete Rohrkrepier auch voll auf seine Kappe. Zwar gelingen ihm einige eindrucksvolle Soli, diese reichen aber nicht für gute Lieder und bleiben in ihren besten Momenten handzahm, in den schlechtesten verkommen sie zu einem kläglicher Versuch das zu reproduzieren, was vor 30 Jahren doch so gut funktioniert hat.

Selbst für Squires Verhältnisse fallen die Texte apokalyptisch schlecht aus. Es gibt aber wohl niemand besseren auf dieser Welt, um selbst die sinnbefreitesten Lyrics mit dem Brustton der Überzeugung heraus zu posaunen, als Liam Gallagher. Hier geht er mit dieser Superkraft bis an die Grenzen des Machbaren. "I love you forever and ever / Nothing's gonna change my mind / I love you forever and ever / I'm all yours, and you're mine", singt er in "Love You Forever", nur um in "I'm A Wheel" ohne mit der Wimper zu zucken noch einen drauf zu setzen: "This isn't happening / Just like it should / There's blood in my custard / I misunderstood."

Bei der Zusammenarbeit mit seinem einstigen Idol und heutigen Freund erstarrt der sonst so großmäulige Sänger regelrecht wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Dreißig Jahre arbeitete er daran, mehr als nur ein Interpret zu sein. Nach und nach erarbeitete er sich Lorbeeren als Songwriter. Nun fällt er in seine alte Rolle zurück. "You're Not The Only One" durfte er immerhin remixen. Auf fünf Tracks klatscht er zudem in die Hände. Mehr Input gibt es von ihm nicht. Dabei hätte jedes weitere diesem Album wahrscheinlich gut getan. Irgendetwas, was einen Ausweg aus dieser Lethargie bietet. Egal von wem.

"Liam Gallagher & John Squire" stellt zudem bereits das zweite Scheitern Gallaghers bei einer Zusammenarbeit dieser Art dar. Bereits Beady Eye mit Gitarrist Andy Bell von den Shoegaze-Ikonen Ride stellte sich als großes Missverständnis heraus. Da lässt sich ein Muster erkennen.

All dies erweist sich als noch ärgerlicher, da die beiden als Musiker hier ausgesprochen gut funktionieren. Squires verfrickeltes Spiel und Gallagher zeigen sich in bester Form. Prahlerisch klauen sie sich wie einst bei seinem Bruder gelernt munter durch die Musikgeschichte, während der Gitarrist leider mehr nach "Second Coming" als nach "The Stone Roses" klingt.

Zwar erinnert "Just Another Rainbow" an ein Überbleibsel des Stone Roses-Debüts, stellt dennoch eine gelungene Vorabsingle dar. Schnell zeigt sich das mit psychedelischen Gitarren verzierte Stück als Highlight des Albums. Senkte der Nachfolger "Mars To Liverpool" bereits die Hoffnung, trampelt der anbiedernde Opener "Raise Your Hands" diese schon zu Beginn wie eine Elefantenherde komplett in den Boden. Mit einem "Raise your hands / I can see you / We're alive" schleimt sich Gallagher beim zukünftigen Publikum ein, während der Song dumpf vor sich hin stampft. Nur eine Erinnerung an das Piano des Rolling Stones-Klassikers "Let's Spend the Night Together" lockert das zermatschte Klangbild zeitweise auf.

War James Hetfield auf Lou Reed & Metallicas "Lulu" einst noch der Tisch ("The View"), so ist Gallagher in "Im' A Wheel" nun ein Rad. Prima. Immerhin reicht der öde Blues-Versuch für ein Star Wars-Zitat: "This isn't happening / Lock all the doors / These aren't the droids / You're looking for". Hätten wir 1992, wäre das fast lustig. Im wenig originellen "Love You Forever" gibt Squire dermaßen unverblümt den Hendrix, dass von ihm selbst nichts mehr übrig bleibt.

War all dies bis auf die Ausnahme "Just Another Rainbow" schon nicht berauschend, scheinen die beiden im letzten Drittel endgültig die Lust an ihrem eigenen Longplayer zu verlieren. Ab "Make It Up As You Go Along" schleicht sich zunehmend eine Schwunglosigkeit ein, die höchstens noch Piano und Gitarre in "You're Not The Only One" durchbrechen. Wenn all die Apathie in "I'm So Bored" in der Zeile "I'm so bored with this song" gipfelt, nimmt man dies Gallagher zu sehr ab. Ja, es ist ironisch. Ja, es ist Meta. Aber es ist leider auch zu glaubwürdig.

Wenn zwei zusammen kommen, die bisher nur dann wirklich gut funktionierten, wenn sie mit anderen in einem Team arbeiteten und einer von beiden sich dann auch noch zurück nimmt, kann es schnell eng werden. Auf "Liam Gallagher & John Squire" bleibt dann auch nur eindrucksvolles Gitarrengegniedel zu belanglosen Liedern. Wenn Squire ein mögliches zweites Album mit den Worten "The guitar fights back" teasert, kann einem*r Angst und Bange werden.

Trackliste

  1. 1. Raise Your Hands
  2. 2. Mars To Liverpool
  3. 3. One Day At A Time
  4. 4. I'm A Wheel
  5. 5. Just Another Rainbow
  6. 6. Love You Forever
  7. 7. Make It Up As You Go Along
  8. 8. You're Not The Only One
  9. 9. I'm So Bored
  10. 10. Mother Nature's Song

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9 Kommentare mit 14 Antworten

  • Vor einem Monat

    Kann nur die Kritik von " anglophonic" dick unterstreichen!
    Zwei, nicht gut gealterte Brit Pop Helden,liefern ein völlig belangloses Album ab.Grösstenteils gehen einem die Altherren Gitarrensoli sogar mächtig auf die Nerven.

  • Vor einem Monat

    "Bereits Beady Eye mit Gitarrist Andy Bell von den Shoegaze-Ikonen Ride stellte sich als großes Missverständnis heraus."

    Bell war vorher Bassist bei Oasis und Beady Eye weitestgehend die letzte Oasis-Besetzung minus Noel. Da hatte Bell nicht ansatzweise dne Input wie jetzt Squire.

  • Vor einem Monat

    Was für eine erbärmlich schlechte Bewertung von einem Musik-Praktikanten der keinerlei Überblick auf die Geschichte der 90er und deren Hintergründe hat. Das Album hat alles. Drive, Riffs, Blues. Energie, Auferleben von alten Zeiten, Hoffnung. Setzen. Nochmal hören.