laut.de-Kritik

Die einstige Neo-Soul-Hoffnung triumphiert.

Review von

Zwei Alben lang war Lianne La Havas ein Versprechen. Ein bemerkenswertes Versprechen, aber verglichen mit vielen ihrer Live-Aufnahmen und ihren Möglichkeiten fehlte immer der letzte Funke. Fünf Jahre nach "Blood" soll sich dies nun ändern. Darauf deutet schon der Albumtitel hin.

Wer seinem Album mitten in der Karriere den eigenen Namen gibt, möchte immer auf einen Neuanfang verweisen. Schaut her, es hat sich etwas verändert. Dies ist nun mein neues Ich. Der Verlust von Familienmitgliedern und Mentor Prince, Beziehungsende, Tourneestress und Selbstzweifel führten zu einer ungewollten fünfjährigen Pause. Eine Zeit, die die Singer/Songwriterin nicht ungenutzt ließ.

Vielmehr befreite sie sich von dem Schutzschild, den ihr die Plattenfirma auferlegte und fand zurück zu ihrer eigenen Sprache. Zu sehr hielt sie sich an Vorgaben fest. Nun wollte sie Musik aufnehmen, die für sie alleine steht und auf die sie endlich stolz sein konnte. "I'm done with settling for so much less than I deserve", singt sie in "Sour Flower".

Soul hält "Lianne La Havas" zusammen, doch um ihn tummeln sich Einflüsse aus Folk, R'n'B, Bossa Nova, Indie-Rock und Radiohead. Deren unterkühltes "Weird Fishes" von "In Rainbows" verleiht sie Wärme und Hoffnung. Sie findet einen eigenen, ebenso kraftvollen wie atmosphärischen Zugang, der das Original jedoch nicht vollständig verleugnet. Eine Überschneidung der Stile, die laut ihrer Aussage Ausgangspunkt dieses Werks wurde.

Ein Album, in dem La Havas ganz in die Gefühlswelt einer Beziehung eintaucht. In das Aufblühen bis hin zum Tod. Im Mittelpunkt der reduzierten, von ihr selbst produzierten Songs stehen ihre charakteristische Stimme und ihr kunstfertiges Gitarrenspiel. Das sanfte "Bittersweet", das so wunderbar weich und melancholisch den Eingang zu "Lianne La Havas" gewährt, führt zum Soul der 1970er zurück. "All my broken pieces / Bittersweet summer rain / I'm born again", singt sie, während sie dem Sonnenuntergang ihrer Beziehung zusieht. Von dort geht es mit dem optimistischen "Read My Mind" direkt zum R'n'B der 1990er.

Aus "Green Papaya" leuchten die wuscheligen ersten Tage einer Beziehung. Nur das zurückgenommene Arrangement reduziert sie auf etwas mehr als Finger-Picking. In "Paper Thin" entdeckt La Havas ihren inneren Al Green, singt nur zu schnurrender Gitarre, Bass und achtsamem Schlagzeug von der sich in die Liebe schleichenden Verzweiflung. In "Seven Times" spielt sie mit Bossa Nova, aufgeregten Flöten und dem Groove einer Erykah Badu.

"Lianne La Havas" baut eine spürbare Nähe zur Sängerin auf. Ihr gelingt ein authentisches Werk voller Reife und Selbstbewusstsein. Dass sie dabei nicht ins Verbissene abrutscht, ihr drittes Album trotzdem leichtfüßig bleibt, ist ihr eigentliches Zauberwerk.

Trackliste

  1. 1. Bittersweet
  2. 2. Read My Mind
  3. 3. Green Papaya
  4. 4. Can't Fight
  5. 5. Paper Thin
  6. 6. Out of Your Mind (Interlude)
  7. 7. Weird Fishes
  8. 8. Please Don't Make Me Cry
  9. 9. Seven Times
  10. 10. Courage
  11. 11. Sour Flower

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LAUT.DE-PORTRÄT Lianne La Havas

Lianne La Havas braucht nicht viel, um ein Publikum in Verzückung zu versetzen. Lediglich mit einer souligen Stimme und der Gitarre im Anschlag wandelt …

6 Kommentare mit 24 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Weird Fishes geht schon mal gar nicht. Ich geh aber stark davon aus, daß der Rest ganz okay ist. Also mindestens durchschnittlich genug, um auf der halbjährlichen Bestenliste zu landen.

    • Vor 3 Jahren

      Weird Fishes halt lockerflockig so 2 Ligen besser als die Originalversion dieser Schrottkapelle. Solltest selbst Du peilen, meuri.

    • Vor 3 Jahren

      Man sollte halt nicht die Besten covern, sehr richtig. Hat schon Johnny Cash, die alte Wurst, nicht verstanden. Der Track läßt sich aber problemlos skippen.

    • Vor 3 Jahren

      Einige von Cashs Covern sind bei weitem besser als die Originale.
      Und was soll das mit der Wurst?

    • Vor 3 Jahren

      Ich kenne kein einziges Cover von ihm, das so gut ist wie das jeweilige Original. Zumindest nicht ohne jede Menge Bullshit-Kopfkino. Muß aber auch sagen, daß ich bei Coverversionen penetrant überkritisch bin. Sehe sehr selten, daß sie überhaupt eine Daseinsberechtigung haben.

      Wurst ist das erste Wort, das mir bei Cash einfiel. Er hatte früh ein paar gute Jahre, dann übernahm ihn aber schnell seine Wurstigkeit.

    • Vor 3 Jahren

      @gizmaniac
      Man muss die Ergüsse von Ragism nicht verstehen bzw. braucht sie nicht ernst zu nehmen. Da geht es nur darum sich intellektuell über andere zu erheben. (Was, nebenher erwähnt, regelmäßig in kläglicher Peinlichkeit scheitert.)

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Scherzkeks. Ich versuchs auch mal: Wer ne andere Meinung hat als ich, der will sich bloß von seinem Ödipuskomplex ablenken!

    • Vor 3 Jahren

      @Ragism
      Die Meinung ist dir (und auch allen anderen) völlig unbenommen, auch der jeweilig persönliche Geschmack ist nicht Thema der Kritik.
      Lediglich die Art und Weise wie du deine Meinung, deinen Geschmack in die Welt trägst und dabei ein ums andere Mal vergeblich versuchst dich als intellektuell überlegen zu präsentieren, macht dich mehr und mehr zur Lachnummer.

    • Vor 3 Jahren

      Ich sehe da wenig Unterschiede zu anderen Kommentaren.

    • Vor 3 Jahren

      Ich finde die Auswahl der Songs, die Cash interpretiert hat, sehr passend zu ihm. Z. B. Rusty Cage und Personal Jesus. Die Originale find ich mega und er hat sie mir nicht vermiest.
      Was aber für mich gar nicht geht sind die unsäglichen Coverversionen wie Bittersweet Symphony oder The Riddle, die ständig im Radio laufen. Wenn man die Originale nicht vorher kannte, tut es vielleicht nicht so weh, aber anderenfalls ...

    • Vor 3 Jahren

      "Hurt" wurde von Cash sehr übel zugerichtet und liegt seitdem im Koma. Ja, "The Riddle" und natürlich "Bittersweet Symphony" sind auch ganz schrecklich.

      Wie auch immer. Für "Weird Fishes" gehört Lianne verhaftet.

    • Vor 3 Jahren

      @Ragism: ich finde deine Beiträge übrigens überhaupt nicht überheblich. Und selbst wenn, ist gegen niveauvolle Überheblichkeit ja nichts zu sagen, vor allem dann nicht, wenn das Gegenstück aus "Hurensohn Tourette" besteht ;)

  • Vor 3 Jahren

    Ich mochte ihr erstes Album. Das Radiohead Cover ist großartig, wobei die Live Version aus 2013 noch etwas mehr kickt: https://youtu.be/b_sJVazqw58

  • Vor 3 Jahren

    Find ich schon richtig gut. Frage mich, wieso das nicht 5/5 bekommt. Wenn ich mir überlege, dass das die gleiche Wertung wie die Müllplatte von den Streets hat, dann muss ich mich schon fragen...

  • Vor 3 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 3 Jahren

    Ist bisher an mir vorbeigegangen. Tolle Stimme, schöne Musik. Auch sehr stimmig intim alles, man merkt dem Album schon an, dass ihr das wohl besonders wichtig war. Der "letzte Funke", der lt Rezi den Vorgängern gefehlt hat, will bei mir zwar (auch?) mit der st noch nicht ganz überspringen - dafür bräuchte es noch ab und an (zB Green Papaya oder Seven Times) ein zündendes Element (zugegeben stößt hier allerdings vll. auch das Konzept der Platte an meine Geschmacksgrenze) - aber in meiner Jahresbestenliste landet das bestimmt.