laut.de-Kritik
"Take my pants off, smell my socks!"
Review von Matthias MantheElectronic Body Music, ick hör' dir stampfen? Tatsächlich gehen Bomberjacke und Vorschlaghammer überraschend gut zusammen mit Liars' neuestem Wurf. Allerdings haben die notorischen Normabweichler aus L.A. die unaufhörliche Genre-Wanderschaft seit nunmehr sechs Platten so weit kultiviert, dass selbst der Sprung ins Tarnhosengefilde nicht mehr das ganz große Aha auslöst.
Speziell die A-Seite übt sich in stur geradeaus stampfendem EBM-Brutismus. In Fortsetzung des Vorläufers "WIXIW" bleibt der Dreier somit elektronischen Klängen prinzipiell treu und früheren Gitarren fern. Angus, Aaron und Julian setzen konsequent auf Drumcomputer und Analogsynthesizer, um ihr schweißtriefendes Amalgam repetitiver Motive in die Schwarzlichtdisco zu tragen.
Das Songwriting sei dementsprechend "spaßig, instinktiv und zuversichtlich" abgelaufen, gibt die Band zu Protokoll. Was sich auch körperlich erfahren lässt: Im ersten Dutzend Tracks hämmern uns die Liars den Vierviertel-Stomp unnachgiebig ins Kurzzeitgedächtnis. Dazu gibt Angus Andrew den grobschlächtigen Intonator von liebreizenden Zeilen wie "Take my pants off / Use my socks / Smell my socks / Eat my face off".
Im Gegensatz zum "Kid A"-artigen Vorgänger verzichtet man dabei meist auf Melodie, Subtilität und Nuance. Das macht "Mess" einerseits zum unmittelbarsten Songsammelsurium der Amerikaner. Andererseits verlieren sie sich ein Stück weit im Stereotyp der Wandelbarkeit der bloßen Wandelbarkeit wegen. EBM wird sich selbst der aufgeschlossenste Liars-Anhänger kaum als jüngste Spielwiese herbeigewünscht haben.
Darüber hinaus bleibt das Album offensichtlich das Produkt einer Noiserock- und damit Gitarrenband. Das Handwerk elektronischer Musik beherrschen die Liars zwar zufriedenstellend, wirken hierbei jedoch häufig leicht deplatziert wie die Protagonisten beim TV-Frauentausch. Unterm Strich versprechen die prekär gehaltenen Synthloops und energetischen Industrial-Märsche kurzleiniges Entertainment.
Mangels Diversifizierung gerät diese "Mess" leider aber auch reichlich stumpf und letztlich ermüdend. Es ist eben selten Indiz herausragender Alben, wenn der Schlusstrack nicht lediglich als musikalischer Kontrapunkt zum Gewesenen, sondern zugleich als größter Lichtblick aus den vorgehenden 50 Minuten dient.
3 Kommentare mit einer Antwort
...die LÜGNER! Ich dachte, die hätten sie längst ertränkt, nachdem sich ihre Prophezeihungen als falsch erwiesen haben!
Nee, auf Albenlänge funktioniert das tatsächlich nicht. Aber das hier wird eh eher ein Single-Jahr, befürchte ich. Jede Menge einzelner Perlen auf Alben voller Füllmaterial...
"I'm no gold" und "Pro Anti Anti" konnten nach dem neuerlichen Wintereinbruch bereits kräftig meinen persönlichen Frühling erhitzen und bilden mE den Zenit der tanzbaren Scheibe.
Ich find's tatsächlich auch nicht so toll. "Schuster, bleib' bei deinen Leisten" gilt tatsächlich auch mal für Liars.
Zweimal "tatsächlich" - urks. Gebt uns den Editierbutton zurück!
Mhh, das letzte Album war ziemlich geil. Kann mir nicht vorstellen, dass sie hier so stark abgebaut haben.