laut.de-Kritik

Der quietschbunte Kaugummi verliert seinen Geschmack auch nach Stunden nicht.

Review von

"It's Not Me, It's You" macht Mädchenträume wahr. Nicht nur, dass es eben diese mit Goldschleifchen verpackt präsentiert: Es erfüllt auch meine rosafarbene Traumwelt mit den passenden Tönen.

Schon die erste Single "The Fear" wirkt nur auf den ersten Blick großspurig. In Wahrheit kommt Lily mit diesem ersten Lebenszeichen nach breit getretenen privaten Krisen daher wie eine verschreckte Katze, in deren Samtpfoten noch die Scherben der nahen Vergangenheit stecken.

Sie ist dieses Mal "on her own little mission". Eine Vorbildfunktion möchte sie nicht mehr einnehmen. Lily schlägt lyrisch immer noch auf andere ein, doch sieht sie sich inzwischen als viel konsumierende Dame, bei der alles cool ist, so lang sie nur ein wenig abnimmt. Ihre scharfe Zunge darf man immer noch nicht allzu wörtlich nehmen. Aber auf "It's Not Me, It's You" geht es weit tiefgründiger und dunkler zu als noch auf dem Vorgänger "Alright, Still".

Herzerweichende Balladen sind Lilys neue Meisterwerke. Während früher quirlig-fröhliche Tracks dominierten, ergreift einen bei "The Fear" Unsicherheit und leise Wut. Die bewegende Ballade "Who'd Have Known" erzählt eine brüchige Liebesgeschichte mit vorläufigem Happy End, musikalisch bei Take Thats "Shine" geborgt, gerahmt von wohliger Sanftheit der Melodie.

Jeder Song ist ein Ohrwurm, der mich nicht mehr loslässt. Leider aber zeigen sich die Strukturen nicht immer so perfekt wie die catchy Melodie. So beginnt "I Could Say" - passend zur Geschichte einer gescheiterten Liebe - als hallende Klavierballade, schießt dann jedoch Jahrmarkt-Claps und geschmacklose Synthies auf die Story. Auch "Back To The Start" präsentiert sich zu gehetzt, zu gewollt mit seinen billigen Electro-Loops und -Beats.

Viel besser gelingen Lily "Not Fair" und "Never Gonna Happen". Hier ist ihre Fröhlichkeit musikalisch mit mehr Bedacht umgesetzt. Ich höre das verschmitzte Lächeln auf ihrem Gesicht, das eigentlich bedauern sollte, sich aber lieber ganz und gar frei fühlt.

"Never Gonna Happen" ersetzt Elektronik großteils durch Glockenspiel und Akkordeon, ich sehe Miss Allen mit riesiger rosafarbener Zuckerwatte in der Hand vor mir. In "Fuck You" setzen sich Klavier und ergreifende Melodie gegen ein Gerüst aus achtziger Computer-Gestampfe durch und verlassen tagelang meinen Gehörgang nicht mehr.

Dieses Album verwirklicht einen meiner Mädchenwünsche: Der quietschbunte Kaugummi verliert trotz Klebrigkeit seinen Geschmack auch nach Stunden des Kauens nicht. Ich träume weiter: "I no longer feel alone".

Trackliste

  1. 1. Everyone's At It
  2. 2. The Fear
  3. 3. It's Not Fair
  4. 4. 22
  5. 5. I Could Say
  6. 6. Go Back To The Start
  7. 7. Never Gonna Happen
  8. 8. Fuck You
  9. 9. Who'd Have Known
  10. 10. Chinese
  11. 11. Him
  12. 12. He Wasn't There

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