laut.de-Kritik

Grown Man Rap von einem sträflich unterschätztem Duo.

Review von

Man hatte sich schon damit abgefunden, dass Little Brother wohl nicht wiederkommen würden. Man hatte sich damit abgefunden, dass man ab jetzt nur noch das Erbe des ikonischen Trios aus Phonte, Pooh und 9th Wonder pflegt, dass man versucht, Phonte in zumindest die ein oder andere Diskussion um den Besten aller Zeiten zu hieven und dass man ansonsten die Erinnerung in Ehren hält ... und jetzt sind sie trotzdem wieder da. Fast: Auch wenn die ikonischen 9th Wonder-Produktionen auf "May The Lord Watch" nicht vom Mann selbst kommen, findet das Inzwischen-Duo würdigen Ersatz und liefert genau den Grown Man Rap, den das Comeback versprochen hat.

Grown Man Rap, dieses Schlagwort, das mit Jay-Zs "4.44" in aller Munde war, wurde selten so potent ausgeführt wurde wie auf Phontes letztjährigem "No News Is Good News"-Projekt. Beide Protagonisten von Little Brother haben inzwischen eine Altersschwelle erreicht, bei der sie getrost mit einer neuen Getragenheit auf das Rapgame schauen können. Dass das Superstar-Dasein dabei größtenteils ausgeblieben ist, macht die Platte endgültig behaglich. Statt Größenwahn gibt es zwei MC-Veteranen, die in der Soße der eigenen Skills schmachten, handwerklich perfekte Verses aneinanderstapeln und gewöhnliche Song-Strukturen mit verwinkeltem Detail aufwerten.

Einen großen Teil dabei leistet die Produktions-Abteilung. Natürlich ist da eine Lücke, wo eigentlich das neunte Wunder in den Credits gelistet sein sollte. Zu verschmerzen wird das dann aber doch, wenn man sich anhört, was Khrysis, Focus oder Black Milk auf dieser Platte zaubern. Schon, wenn sie mit "The Feel" oder "Picture This" genau diesen schimmernden, erbaulichen Boom-Bap liefern, für den die Gruppe schon immer stand: Oldschool-Rap aus der Zeit, in der Dilla groß wurde. Nostalgisch, aber nicht weniger aktuell als Produktionen von Marco Polo oder Bekon.

Dass textlich hier kaum jemand daneben schießt, sollte eigentlich auch nicht mehr überraschen. Es ist ein einziger Jogginglauf durch die meditativen und sonnengetränkten Sample-Loops, virtuos und gleichzeitig absolut hypnotisch zu beobachten, wie gerade Phonte Song für Song in den Beats versinkt wie ein Zuckerwürfel im Kaffee, eine Kür nach der anderen ohne Fehler, ohne Anstrengung, absolute Schwerelosigkeit.

Wo Phonte die musikalischen Highlights setzt, liefert Pooh die markanten textlichen Momente . Wenn er zum Beispiel auf "Goodmorning Sunshine" erwähnt, wie er dem Auto-Rat von Lil Wayne gefolgt ist, und an anderer Stelle darüber berichtet, wie seine etwas schwindende Rapkarriere ihn beizeiten dazu gezwungen hat, für Uber anzuheuern. Die technisch so hochkarätige Gemütlichkeit dieses Albums ergänzt eine Handvoll aberwitziger und einschlägiger Skits, die konzeptuell und humoristisch noch eine ganze Menge Linie hinzufügen.

"May The Lord Watch" ist ein fast langweilig fehlerfreies Projekt. Wenn auch die wirklich herausstechenden Songs fehlen, ist das durchgängige Niveau dieses Comeback-Albums so unangreifbar und die Stimmung der Beats und Raps so schwerelos heimelig, dass es wirklich nichts einzuwenden gibt. Little Brother zählten seit jeher zu den unterschätzteren Gruppen der Hip Hop-Geschichte. Mit dieser Wiedererweckung ihrer Diskographie ist ihnen nun hoffentlich vergönnt, dass ein paar mehr Menschen auf ihr reiches Erbe aufmerksam werden.

Trackliste

  1. 1. The Feel
  2. 2. A Word From The President
  3. 3. Everything
  4. 4. Right On Time
  5. 5. Black Magic (Make It Better)
  6. 6. Life After Blackface
  7. 7. Goodmorning Sunshine
  8. 8. Dyana Change My Life
  9. 9. What I Came For
  10. 10. Inside The Producer's Studio
  11. 11. Sittin Alone
  12. 12. Picture This
  13. 13. N*ggas Hollering
  14. 14. All In A Day
  15. 15. Work Through Me

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Little Brother

Little Brother sind die Heilsbringer der Früher-war-alles-besser-Fraktion. Unverschämt sympathisch verbreiten sie den süßen Duft der Neunziger, in …

6 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Geil! Wird gehört. Aber ohne 9th??? Sehr schade, mal hören, ob er würdig vertreten wird. Einer meiner absoluten Lieblings-Producer.

  • Vor 5 Jahren

    ohne 9th ist das kein lb, sorry Leute. Phonte ist smooth und Ehrenmännig, aber dann sollen sie das bitte anders nennen.

    rappercrew-hero deltron 030 kann das machen, er streicht die 030 aus seinem Künstlernamen und acts like you know, aber LB, no way

    ich hab mir schon bei cyne schwer getan, als die ohne akin loszogen, aber cise konnte sich sich immernoch auf die beiden bewährten Produzenten verlassen und abliefern..

  • Vor 5 Jahren

    Ich finde es sensationell. Mit oder ohne Wonder. Echter Hip Hop halt, damit sich auch Moorhoch auskennt.

  • Vor 5 Jahren

    Little Brothter waren schon immer eine Crew, die ich eigentlich komplett super finden müßte, weil sie halt alles richtig machen, die mich aber einfach nur todeslangweilen. War bei den Alben davor schon so, hat sich hiermit auch nix geändert.

  • Vor 5 Jahren

    So, dritter Durchgang läuft und ich bin total glücklich mit dem Album. Die Skits lassen eine Disposable Arts-Atmosphäre entstehen, ein roter Faden. Die Tracks auch ohne 9th gewohnte LB-Quali. Klar, hier und da hätte es beim neunten Wunder mehr geknistert und er hätte noch mehr soulige Wärme erzeugt, aber das geht schon durchaus klar hier! Ich sage 4,5/5.

  • Vor 5 Jahren

    Bin da komplett bei gueldi. LB vereint auf dem Papier alles was ich mag, und viele Tracks sind auch wirklich gut, aber auf Albumlänge langweilt mich das immer ab einem gewissen Punkt.