3. April 2019

"Was passiert, hat einen Zweck"

Interview geführt von

Little Simz spricht im Interview u.a. über den typischen Little-Simz-Hörer, britische Piratensender und das Leben als Person des öffentlichen Lebens.

Mit "Grey Area" unterstrich Little Simz ihren Status als Kritikerliebling zum dritten Mal in Folge. Im Interview wirkt die 25-Jährige sympathisch, lässt sich aber nur das Nötigste entlocken. Ein echter Boss eben.

Sprechen möchte die Britin über alles außer den Brexit – davor warnte das Label schon im Vorfeld. Zum Glück bietet Little Simz' Schaffen genügend weitere Gesprächsthemen:

Verspürst du Druck, etwas Bedeutsames in deinen Songs sagen zu müssen?

Nein, Druck verspüre ich nicht. Niemand zwingt mich das zu tun. Ich rappe über Dinge, von denen ich das Gefühl habe, ich möchte darüber etwas sagen. Früher war das tatsächlich anders, aber ich habe gelernt, das auszublenden und nur auf mich zu hören.

Wie hast du das gelernt?

Ich höre nicht mehr auf Ratschläge von anderen (lacht). Niemand anderes steckt in meinen Schuhen, nur ich lebe in meiner Realität. Ich vertraue in meinen Fortschritt und in die Art, wie ich Dinge tue. Das heißt nicht, ich kann nichts mehr dazulernen, verlasse mich aber deutlich stärker auf mich selbst.

Wie fühlt es sich an, auf die eigenen Fans zu treffen?

Ich werde besser darin, mit der Aufmerksamkeit umzugehen, die ich von Menschen bekomme. Es fühlt sich aber nie merkwürdig an, da meine Hörer sehr respektvolle Menschen sind. Wenn sie auf mich zukommen, zeigen sie eigentlich immer nur Liebe für das, was ich tue.

Wie sieht denn ein typischer Little-Simz-Hörer aus?

Das kann ich dir nicht sagen, da der typische Little-Simz-Hörer nicht existiert. Oft schaue ich ins Publikum und bin überrascht, dass es darin eine so große Vielfalt an Menschen gibt: Leute mit völlig unterschiedlichen Lebenshintergründen, Altersklassen und Geschlechtern.

"Wenn ich mich auf zu viel konzentriere, bin ich am Ende eine Meisterin in nichts."

Du bist Rapperin, Schauspielerin, Fotografin und hast für dein letztes Album etwas mit Comics gemacht – welche Kunstform würdest du gerne ausüben, hattest bisher aber noch nicht die Chance dazu?

Momentan bin ich zufrieden mit dem, was ich mache. Ich freue mich, dass ich immer weiter in die Fotografie eintauchen kann. Der Hauptfokus liegt aber auf "Grey Area" und der dazugehörigen Live-Show. Wenn ich mich auf zu viel konzentriere, bin ich am Ende eine Meisterin in nichts. Ich möchte Dinge anständig machen und mich nicht übernehmen.

Bevorzugst du Live-Shows oder die Arbeit im Studio?

Gerade freue ich mich auf die Live-Shows. Dort erwachen die Songs zum Leben. Es ist großartig, mit meiner Band zu spielen und zu sehen, wie das Publikum auf die Musik reagiert. Wir haben sehr hart an der Show gearbeitet, weshalb ich es kaum erwarten kann, auf der Bühne zu stehen.

Wie kann man sich Little Simz bei der Arbeit im Studio vorstellen?

Ich nehme nicht sofort auf. Meistens führe ich erst einmal ein paar Gespräche, um Inspiration zu finden. Dabei versuche ich, mich zu nichts zu zwingen. Nur weil ich im Studio bin, muss ich nicht unbedingt einen Song machen. Der Entstehungsprozess muss sich natürlich anfühlen. Das ist sehr persönlich, deshalb mag ich es nicht, wenn sich zu viele Leute um mich herum aufhalten. Das Studio ist wie ein Badezimmer: Dort lässt du auch nicht alle Leute zur selben Zeit rein.

Hast du die Befürchtung, dir könnte Hip-Hop irgendwann zu langweilig werden?

Es gibt so viele Hip Hop-Songs, die ich noch nicht gehört habe. Langweilig wird es mir also nicht. Außerdem mag ich es, Neues auszuprobieren und Stile zu vermischen. Das hält mich bei Laune.

Eine Tour mit den Gorillaz, drei hochgelobte Alben und stetig bessere Zahlen in den Charts - was bedeutet Erfolg für dich?

Auch wenn noch ein weiter Weg vor mir liegt, bin ich jetzt schon sehr erfolgreich. Für mein 14-jähriges Ich muss es unglaublich klingen, dass ich mein drittes Album herausgebracht habe. Diese Träume zu haben und irgendwann zu verwirklichen, bedeutet Erfolg. Erfolg ist kein Ziel, sondern eine Reise.

Hast du auch ein bisschen Angst vor dem, was auf dieser Reise noch passieren könnte?

Ja, die habe ich. Mittlerweile freue ich mich aber auch über das Älterwerden. Ich bin gespannt, welche Ideen und Talente noch in mir schlummern und wie ich mich als Mensch verändern werde.

"Ich habe das Glück, dass die meisten Reviews positiv ausfallen."

Hast du Reviews über "Grey Area" gelesen und wenn ja, was denkst du darüber?

Ja, ich habe ein paar gelesen. Ich fand sie cool. Die Verfasser beschäftigen sich mit der Platte und interpretieren sie auf ihre Art. Dafür ist die Musik da. Ich habe das Glück, dass die meisten Reviews positiv ausfallen. Dass mir seitens der Presse so viel Liebe entgegengebracht wird, freut mich natürlich sehr.

Ich habe zwar deutschen Hip-Hop gehört, US-Rap war in meiner Jugend aber immer das große Ding. Wie war das mit dir und britischem Rap?

Bei mir haben sich UK- und US-Hip-Hop die Waage gehalten. Ich wuchs mit Dizzee Rascal, Kano, der So Solid Crew und Ms. Dynamite auf, hörte aber auch Busta Rhymes, Nas und Jay-Z.

Ist es für die britische Rap-Szene Segen und Fluch zugleich, die gleiche Sprache wie die USA zu haben?

Es ist eher ein Segen. Eigentlich sollte es aber sowieso egal sein, woher die Musik kommt. Musik ist Musik und wenn sie gut ist, ist sie gut. Sie muss nicht in Schubladen gesteckt werden.

Hörst du viel Musik mit nichtenglischen Texten?

Klar, das mache ich ziemlich oft. Die Klänge kann ich genießen, auch ohne den Text zu verstehen.

Eine andere Sache, die wir in diesem Ausmaß nicht in Deutschland haben, sind Piratensender. Welchen Einfluss hatten sie auf dich?

Piratensender waren sehr wichtig, als ich aufgewachsen bin. Mit 15, 16 Jahren habe ich sie ständig gehört, um zu erfahren, wer der heißeste Rapper ist. Für meine eigene Musik hatte ich aber immer größere Träume. Es war definitiv ein Ziel, dort zu laufen, aber kein Meilenstein, den es unbedingt zu erreichen galt.

In „Flowers“ sprichst du über Selbstzweifel, aber auch über Künstler, die viel zu früh gestorben sind. Denkst du, dass Menschen häufig vergessen, dass Personen des öffentlichen Lebens auch nur Menschen sind?

Ja, das Gefühl habe ich oft. Wir durchleben täglich die gleichen menschlichen Erfahrungen wie jeder andere auch. „Flowers“ liegt mir sehr am Herzen, da ich darin über all die großen Künstler spreche, die mich beeinflusst haben und leider viel zu früh von uns gegangen sind. Ich zolle ihnen damit Respekt. Der Song beendet bewusst das Album, da er sich wie ein Abschluss anhört. Auch wenn „Flowers“ klingt, als wäre ich traurig und deprimiert, freue ich mich auf die Zukunft. Der Song ist eine Erinnerung, nicht das Ziel aus den Augen zu verlieren. Alles was passiert, hat einen Zweck.

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