laut.de-Kritik
Rock'n'Roll dank antiautoritärer Erziehung.
Review von Mathias Möller"Where do all the devils go? No solution, just bombs below!" Der Refrain des düsteren Openers "Bombs Below" verspricht starken Tobak. Sänger Lillian Berlin schraubt seine Stimme in tiefste Tonlagen herunter. Ganz so heftig wie seine Stimmlage ist das Album dann doch nicht geraten. Living Things schaffen mit ihrem Longplayer-Debüt "Black Skies In Broad Daylight" den schwierigen Spagat zwischen interessantem, gutem Rock und wichtiger, nicht zu platter Message.
"Bombs Below", eine der Auskopplungen, besitzt zumindest im Alternative-Bereich Hitpotenzial, auch der Rest des Albums kann sich hören lassen. Das stimmungsvolle "March In Daylight" unterstreicht das angesprochene Können. Auf der einen Seite wollen die drei Berlin-Brüder ihren Hörer ordentlich die Gehörgänge durchspülen - was ihnen auch gut gelingt: ihr manchmal etwas bluesiger, aber immer sehr melodiöser Rock genügt höchsten Höransprüchen - andererseits eine Message rüberbringen, in der Hauptsache die, dass Amerika von Dämonen regiert wird, die es auszutreiben gilt. Wer will, soll auf die Lyrics achten, wer sich nur rocken lassen will, kann dies frei wählen.
Dabei zeigen sich Living Things durchaus auch mal von der sanften Seite. Das zumindest halbwegs akustische "New Year" erinnert an frühen Alternative-College-Rock oder britischen Indierock. Auch das fast schon harmonische "Keep It Till You Fold" ist hier ein gutes Beispiel. Mit "No New Jesus" bekommt der Hörer einen Wake-Up-Call mit viel Schmackes, sich doch endlich zu emanzipieren. Ein Thema, dass die hager-verrockt aussehenden Geschwister nach eigenem Bekunden schon in früher Kindheit von ihrer Mutter in großen Dosen verabreicht bekommen haben. Manchmal klappt's mit der antiautoritären Erziehung offensichtlich doch.
Eine weitere Singleauskopplung, "I Owe" zitiert großartig die Stooges und die Ramones, Lillian besitzt schon ein großartiges Organ. Mal tief und bedrohlich, mal rauh wie ein Reibeisen, dann wieder schreit er sich förmlich die Lunge aus dem Leib, wie zum Beispiel in "Born Under The Gun". Im Refrain von "On All Fours" klingen Living Things dann wie eine Danko Jones-Coverband. Obwohl sie die Band auf Nachfrage nicht einmal kannten. Erstaunliche Bandbreite, Lillian!
"Dead Dear" versprüht einen spröden Postgrunge-Charme, lustigerweise fühlt man sich hier an Hole erinnert. Würde ja auch passen, Living Things sind nach eigener Aussage bekennende Feministen. Was auch immer das Trio aus St. Louis auf ihrer Platte propagiert, sie tun es in Style. Wir sehen: drei hoffnungslos altmodische Rocker, die mal ein gutes Buffett plündern sollten. Wir hören: ein fast zeitloses Rockalbum, dass zwar grundsolide klingt, aber vielleicht grade deshalb eines der besseren Debüts dieses Jahres ist.
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