laut.de-Kritik
Das beste Major-Debüt seit Kendrick Lamar.
Review von Thomas HaasWer hätte das gedacht? Das bislang eher durchwachsene Rap-Jahr 2014 nimmt gegen Ende tatsächlich noch einmal mächtig Fahrt auf. Und wie! Nachdem Run The Jewels alles in Grund und Boden gestampft haben und Big K.R.I.T., Apollo Brown & Ras Kass ebenfalls amtlich ablieferten, legt Logic mit seinem Major-Debüt "Under Pressure" sowas von nach.
Doch zunächst: alles auf Anfang. Den miesen Jahren in Maryland, die Logic bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr durchgemacht hat, verdankt er, dass er auf seinem ersten großen Album eine packende Geschichte zu erzählen hat. Sie handelt von Familientragödien, Gewalt, Drogen, Gangs und Liebe.
Wie reflektiert der erst 24-Jährige einschneidende Erlebnisse wiedergibt, einordnet und interpretiert, erinnert zuweilen an die Storytelling-Skills eines gewissen Kendrick Lamar.
Bestes Beispiel: Logic versetzt sich im zweiten Part von "Gang Related" in die Rolle seines älteren Bruders Ralph, der sich, bewaffnet mit Barretta und Messer, auf nächtlichem Raubzug befindet: "Living life like this, hope little Bobby [Logic] never fight like this / Stab a motherfucker with a knife like this / All about the money on a night like this / Run up in the crib, put a bullet in your rib." Die Hektik des Geschehens verdeutlicht Logic über seinen dynamischen und zugleich wahnsinnig rasanten Vortrag.
Ähnlich autobiographisch geht es im neunminütigen, in Eigenregie produzierten Titeltrack "Under Pressur" zu. Auf "Eazy Duz It"-Vocalsample und scheppernden Drums beschreibt Logic den Ausweg aus der Section 8. Doch nach knapp vier Minuten folgt der völlige Bruch: Der Beat entschleunigt sich, Logic blickt zurück und rappt wieder aus der Perspektive einiger Familienmitglieder.
Etwa aus der der tablettenabhängigen Schwester, die vom gewalttätigen Mann sitzengelassen wurde und nun ihre ganze Hoffnung in den kleinen Bruder setzt. Oder der des Vaters, der es früher vorzog, die häusliche Küche zum Crackkochen zu verwenden, statt sich um seinen Sohn zu scheren. Gebessert hat sich anscheinend wenig: "Can I have some money for my new honey that's hella fine? / I forgot to mention I got divorced from your step-mom."
Doch Logic spielt nicht nur lyrisch längst bei den ganz Großen mit. Ich wage zu behaupten, dass der Junge aus Maryland derzeit einen der besten fünf Flows im Game besitzt. Nichts mit routiniert-uninspirierter Standardleier: In quasi jeder Silbe merkt man ihm Willen und Biss an, die er in virtuose Stimmeinsätze und energiegeladene Doubletime-Parts verpackt.
Als wär' das nicht schon beeindruckend genug, haut Logic einem noch ein Hook-Game vor den Latz, das nicht von dieser Welt zu sein scheint und in seiner Intensität und Sensibilität für Stimmungen und Melodiösität unweigerlich wieder Vergleiche zu "Good Kid, M.A.A.d. City" aufkeimen lässt.
Grund dafür ist ein klassisches Credo, das Logic im Gegensatz zu so manchem Kollegen ohne Kompromisse befolgt: "But I'm not defined by the sales of my first week / Cause in my mind the only way I fail, if my verse weak." Deshalb beschränkt er sich auch nicht nur auf Selbstglorifizierung, sondern freut sich ganz sympathisch über Unterhaltungen mit Kindheitsvorbildern ("God damn, god damn, conversations with legends / Crazy how one day your idols can turn into your brethren") oder beschäftigt sich mit den veränderten Lebensumständen ("Look around, everything changes / It feels like I've been buried alive").
Das alles findet auf Beats statt, die zu großen Teilen organisch wirken und den Geist der goldenen 90er Jahre atmen. Obwohl sechzehn Produzenten ihre Finger im Spiel hatten (darunter 6ix, DJ Dahi und Tae Beast) präsentiert die Platte einen schlüssigen Sound, was wohl auf No I.D.s Tätigkeit als Exekutiv-Produzenten zurückzuführen ist.
In den genau richtigen Momenten kommen Energie und satte Basslines ("Bounce") ins Spiel, das Album zeigt eine Mischung aus A Tribe Called Quests-Minimalismus und OutKasts Abgespacetheit. Hinzu kommen kleine Details wie Thalia, eine Erzählstimme, die zwischen den Tracks skitartig random facts zur Albumentstehung enthüllt. Zu verstehen ist das Ganze als Hommage an das Intro von ATCQs "Midnight Marauders".
Den Status als belächelter Freshman dürfte Logic mit diesem kleinen Meisterwerk nun wohl endgültig abgelegt haben. "It's my time, put half a mill of my own money in this album / That's my dime / No rap features, just my rhymes / My story, it's all mine." Gut so!
4 Kommentare mit einer Antwort
Das neue Sage Francis Album scheint irgendwie an euch vorbeigegangen zu sein.
Ja. Dabei ist es eines der Highlights des Jahres.
Logic hat für mich irgendwie keine eigene Persönlichkeit. Muss im Laufe des Albums immer wieder an Drake, Kendrick und J Cole denken. Der Titeltrack ist trotzdem on Fire
Muss ich mir auf jeden Fall noch anhoeren. Hab die Mixtape immer als sehr gut empfunden, waren halt immer ein paar Tracks zu viel drauf.
Aus Neugier warum nur 4 Sterne? Es gibt ja keinen einzigen Kritikpunkt in der Review. Weil hier sind ja nicht 5 Sterne gleichzusetzten mit einem Meisterwerk. Wie z.B bei The Needle Drop, der vergibt ja niemals 10 Punkte.:)
möp möp