laut.de-Kritik
Ein Streifzug durch die Achtziger.
Review von Yan TemminghoffIn bester Eigenbrötler-Manier und innerhalb von fünf Wochen hat John Mitchell den neuen Output seines Soloprojektes Lonely Robot fertiggestellt. Weit von einem Schnellschuss entfernt, lässt der Streifzug durch die Achtziger keine Wünsche offen: Vom treibenden, an The Police angelehnten Opener "Recalibrating" über den balladesken Titeltrack "A Model Life" bis hin zu dem Übersong "Duty Of Care" hält Mitchell mühelos das Niveau.
Bereits auf dem Vorgänger "Feelings Are Good" musizierte der Multiinstrumentalist frei von jeglichem konzeptuellen Überbau. Heraus kommen Songs, die sowohl den AOR-Geist von Toto, die elektronischen Elemente von Men At Work als auch die vertrackte Eingängigkeit von Rush seit "Moving Pictures" in ihrer DNA verewigt wissen.
Sein kompositorisches Können entfaltet der 49-jährige Künstler in "Duty Of Care". Textlich geht es um das häufig übersehene Wort 'Kümmern'. Ob man nun an Pflegekräfte und Erzieherinnen denkt, den Gender Pay Gap betrachtet oder auf das Ungleichgewicht zwischen Care-Arbeit und Produktionstätigkeit blickt - stets schwingt mit, wie Sorge für andere Menschen als Selbstverständlichkeit erachtet wird. Was nützt dies einer alleinerziehenden Altenpflegerin, wenn das Geld schon zur Monatsmitte aufgebraucht ist.
Musikalisch baut Mitchell die Nummer behutsam auf. Über eine pendelnde, zirkuläre Synthiemelodie mit tänzerischem Gestus schichtet er wuchtige Drums und knorrige Zerrakkorde, bis die zweite Hälfte nahezu gänzlich dem majestätischen Refrain gehört, der die Himmelsdecke durchstößt. Ein Song wie dafür gemacht, emotionale Engpässe zu umschiffen.
Die Schlichtheit der Cover-Gestaltung spiegelt die Eleganz der Produktion und die bewusste Reduktion auf simple Songstrukturen wider. Dabei achtet Mitchell stark auf Details wie das Zusammenspiel von Text und Musik und die Wirkmacht der Melodien. Im Vergleich zu den Vorgängern "Feelings Are Good" und "Under Stars" fällt "A Model Life" bedeutend ruhiger und kontemplativer aus. Während die A-Seite bewusst den hymnischen und erbaulichen Charakter betont, kippt die Stimmung in der zweiten Hälfte, bis die Platte mit "In Memoriam" fast unmerklich entschwindet.
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