laut.de-Kritik
Morricone und Leone schauen Lydia über die Schulter.
Review von Ulf KubankeStaubige Stiefel, klingende Sporen und flirrend heißer Wüstensand! Genau so klingt das neue Album "Twin Horses" von Lydia Lunch. Die Geier warten schon längst auf eine Fortsetzung ihres intensiven Vorgängers "A Fistfull Of Desert Blues". Also schnallt sich Lunch den Colt ein weiteres Mal um und haut noch ein paar Song-Patronen raus. Es fehlt nur noch der zugehörige Italowestern.
Die Stücke sind so rau wie die Sierra Spaniens, in der Leone manchen seiner Spaghetti-Streifen drehte. Auch der Geist Ennio Morricones ist stets präsent. Seit Lydia vor ein paar Jahren ganz in die nähe dieser Landschaft zog, übt das weite und karge Land einen gestiegenen Einfluss auf ihre Musik aus. Das passt wunderbar. Immerhin hat sie bereits einschlägige künstlerische Erfahrung mit australischen Wüstensöhnen gesammelt. Ihre beiden besten Alben machte sie zusammen mit Nick Caves Birthday Party ("Honeymoon In Red") und dem grandiosen Songwriter Rowland S. Howard ("Shotgun Wedding").
Für diese Platte lädt sie als Gefährten erneut den alten Kumpel Cypress Grove ein. Letzterer ist als Gitarrero eine ähnliche Underground-Legende wie La Lunch. Unter anderem hat der Mann bereits Platten mit Iggy Pop, dem Gun Club, Mark Lanegan oder Thurston Moore gemacht. Der Engländer bleibt dem tadellosen Ruf auch hier treu. Seine Sechssaitige veredelt "Twin Horses" genau so schroff schimmernd wie "Fistful".
Doch das ist nur die halbe musikalische Wahrheit über das Album. Getreu des uneitlen Lunch-Mottos "Alles für die Kunst, weniger für das Ego!" holt sie sich die Kollegin von der Spiritual Front ins Studio, weil die Band so schön ins Konzept passt. Die zweite Hälfte der Scheibe steht mithin ganz im Zeichen Letzterer.
Der Plan geht auf. Auch ihr Markenzeichen, gelegentliches Einstreuen lunchifizierter Coverversionen, fehlt nicht. Das schwerblütige "Death Is Hanging Over Me" (Nikki Sudden) überholt die Originalversion so lässig, wie das Pferd den Muli. Auch das hervorragend gewählte "Hotel California" (Eagles) schüttelt in ihrer Klaue jede Satirehaftigkeit ab, nimmt die Zeilen wörtlich und erblüht ebenso ausweglos wie todbringend.
Die Eigenkompositionen stehen solcher Intensität aber in nichts nach. Dabei legt sich ihre Aura der Überlebenden, die schon alles sah und jede denkbare Hölle durchlitt, über die Platte. Der abenteuerliche Lebenslauf Lydia Lunchs ist wie geschaffen, den Westernmotiven den letzten Kick mit der dreckigen Stiefelspitze zu geben (etwa "Put You Down", "Unholy Ghosts"). Auch ihre Stimme klingt mittlerweile, als pflastere so manche Whiskey-Leiche ihren sandigen Weg. Sergio Corbucci ("Django") wäre stolz auf diese Mischung aus Dreck und Anmut.
Spätestens bei der grandios kaputten Killerballade "Rising Moon" ist man dieser Musik verfallen: "Beautiful in a criminal way" und eingebettet in filigranes Gezupfe samt apokalyptischem Echo im Hintergrund. Die folgenden Tracks der Spiritual Front passen sich der vorgelegten Stimmung an und sind durchaus schick komponiert. Auch das Cover von "L.O.V.E. Machine" (W.A.S.P.) ist beileibe keine üble Idee. Der nicht immer überzeugende Ausdruck der männlichen Neofolk-Vocals beschert der Front jedoch Abzüge in der B-Note.
So gelingt Lydia Lunch mit "Twin Horses" die Fortsetzung des meisterlichen "A Fistful Of Desert Blues".
1 Kommentar
Sogar besser als der Vorganger. Bestes Cover von "Hotel California" ever!