laut.de-Kritik
Nicht Untergrund, sondern unter aller Sau.
Review von Philipp Gässlein"Manche leben in Häusern, Bosse leben in Schlössern. / Underground-MCs leben unter der Erde in Löchern." So eröffnete Justus vor sieben Jahren das mittlerweile legendäre Debütalbum der Rapmeister, das nicht nur Berlin auf Deutschlands Landkarte des Sprechgesangs etablierte, es hievte auch Battlerap ins öffentliche Bewusstsein - Konkret Finn hin oder her. In Drecklöchern hausen sie noch immer, die selbst ernannten Rockstars mit "Halstattoos". Was aber ist von der kompromisslosesten und hungrigsten Rapgroßfamilie Deutschlands übrig geblieben?
Nicht viel, das vorneweg. Obwohl "Moves" mit stakkatoartigem, sphärischen Elektrobeat noch halbwegs ordentlich eröffnet, beginnt danach die ungebremste Talfahrt. "Halstattoos" und "Wir Packen's An" sind von der Grundidee her zwar witzig, aber was soll das bitte für eine Umsetzung sein? Jack Orsen, sicherlich nie mit großen Rapskills gesegnet, liegt im Clinch mit dem Beat und unterliegt dabei erschreckend oft. Big Derill Mack und Fumanschu versuchen wenigstens, ihre weitgehend sinnfreien Aussagen in technisch anspruchsvolle Reime zu verpacken. Illo, für gewöhnlich eher die graue Maus der Truppe, macht im Vergleich zu seinen Kollegen alleine deshalb eine gute Figur, weil er nichts falsch macht. Das ist doch keine Basis!
Was erlauben Justus? Der mit Abstand talentierteste Rapper der Truppe, wenn nicht einer der besten Wortakrobaten Deutschlands, bringt keinen einzigen Part, der mir selbst nach dem siebten Durchgang im Gedächtnis geblieben wäre. Möglicherweise dreht er lyrisch bei "Supermann" oder "Jump" auf? Nein, denn diese beiden Tracks waren selbst unter Zuhilfenahme einiger Mut-Schnäpse nicht vollständig hörbar. Wer zur Hölle kommt auf die Idee, ausgerechnet auf den schlechtesten Beat von Jay-Zs und R. Kellys "Best Of Both Worlds" zu rappen, geschweige denn, Van Halens überdudelte Brechreiznummer im Refrain von "Jump" auf "Spring" umzudichten?
'Öfter mal was Neues' vs. 'Schuster, bleib bei deinen Leisten'. Gegen eine Weiterentwicklung ist sicherlich nichts einzuwenden, wenn das Ergebnis seinen Vorgängern in nichts nachsteht. Nur geht der Versuch vollkommen in die Hose. Obwohl die Rapper sich wirklich alle Mühe geben, werden das Album wohl ohnehin nicht genug Leute hören, um das Andenken zu ruinieren. Man muss ihnen zugute halten, dass "Simply The Best" wohl ohnehin nur konzipiert wurde, um gemeinsam mit den übrig gebliebenen Fans noch einmal ordentlich abzufeiern. Aber Rap ist eben kein Wochenendtrip ins Eurodisneyland.
Was bleibt, ist ungläubiges Kopfschütteln. Man muss schon Hardcore-Supporter sein, um diesem Kompendium von elf halbgaren Chaostracks etwas abgewinnen zu können. Lediglich "Moves", "Jeden Tag" und "Bei M.O.R." sind hörbar, damit unterbietet das Album sogar die schlechtesten Solo-Releases der einzelnen Mitglieder. Um es mit Samy zu sagen: "Ihr seid nicht Untergrund, sondern unter aller Sau." M.O.R., Westberlin Untergrund - Eure Zeit ist abgelaufen. Und bitte, bitte, bitte mit Zucker obendrauf: Versucht nie wieder, zu singen!
50 Kommentare
Ich find, dass es an der Zeit ist, zu beginnen über das neue M.O.R.-Album welches im Oktober über hiphopvinyl erscheint zu reden
Es wird wie schon geschrieben und wie auch schon bei der Ankündigung kurz nach dem Erscheinen des Mixtapes "Hip Hop is still OK" angedeutet nicht mehr beim Bunker rauskommen. Die Gründe sind wie ich vermute die selben, die auch schon Sido, B-Tight, KKS und wie sie alle heißen vom Royalbunker vertrieben haben: Staiger konzentriert sich gerne mal nur auf ein Projekt (Die Kapazitäten des Bunker reichten für viel mehr auch kaum mal aus) und hat noch dazu anscheinend ziemlich eigene Ansichten was Geschäfte machen angeht.
Da zur Zeit der Bunker ja komplett damit beschäftigt ist K.I.Z. zu pushen (durch die Hilfe von Universal auch mit Erfolg) ist es wahrscheinlich auch ganz gut so, wer weiß, wann das Album sonst rausgekommen wär.
Zum Album ist zu sagen, dass M.O.R. sich nun fast komplett vom Battlerap verabschiedet und ein "Gute Laune"-Album mit vielen Thementrack gemacht hat (Laut dem unterhaltsamen Backspin-Interview).
M.O.R. ohne Battlerap? Kann das gehen?
Naja... vor ein paar Jahren hat man sich auch gefragt "M.O.R. ohne Savas? Kann das gehen?" und das Mixtape hat gezeigt, es geht.
Ich denke, vor allem Justus und Jack Orsen werden in den Thementracks die besten Parts abliebern. (Vielleicht kann Illo auch mal ein bisschen mehr von seinem Können zeigen). Fumanschu wird einfach weiter funky Partystimmung verbreiten (diesmal halt ohne den obligatorischen Dissteil) und was Big D. macht... keine Ahnung
meine kürzlich gelesen zu haben, das bdm nicht mehr mit am start ist...weder beim bunker noch bei mor...wäre schade! ansonsten erwarte ich ebenfalls ein großes album. mixtape war top und mor beiträge auf rb sampler auch!
@Sodhahn (« meine kürzlich gelesen zu haben, das bdm nicht mehr mit am start ist...weder beim bunker noch bei mor...wäre schade! ansonsten erwarte ich ebenfalls ein großes album. mixtape war top und mor beiträge auf rb sampler auch! »):
Beim Bunker ist er auch nicht mehr. Aber wenn er nicht mehr bei MOR dabei ist, frag ich mich wieso er schon seit Monaten so gut wie jeden Tag mindestens 5 mal immer und immer wieder die gleiche Werbung fürs MOR-Album als Bulletin bei MySpace postet, mit den beschissensten Aufreißerüberschriften, dass man auch jedes mal wieder draufklickt
Also wie ich dem Interview entnehmen konnte, ist er auf dem Album schon noch dabei. Er war auch der Einzige der es sich nicht ganz hat verkneifen können, ein paar Ausdrücke mit rein zu packen
geht mir auch so wie blade, aber so langsam verstehe ich, warum die platte nur einen balken bekommen hat, denn alles in allem ist das bei weitem nicht das, was m.o.r eigentlich kann. die enttäuschung des jahres
Also ich find die Scheibe immer noch ziemlich dope.
http://www.rap.de/reviews/1445
Die Review ist zwar meiner Meinung nach teilweise etwas zu euphorisch, aber entspricht in weiten Teilen meinen Ansichten über das Album.
Ich finde die Vergabe von nur einem Balken auch absolut nicht gerechtfertigt. Klar, das Über-Meisterwerk isses nicht geworden, aber grottenschlecht ist das Album auch nicht.
Ich finde das style- und reimtechnisch (ausser bei Big Derrill Mack) immer noch besser als ein großer Teil des restlichen Rap-Outputs aus Deutschland. Lieblingstracks: "Wunderwaffen" und "Moves"