laut.de-Kritik

Von der Tanzfläche auf die Hippiewiese.

Review von

Eigentlich hätte "Congratulations" das Album des Jahres werden sollen – nein, müssen. Denn in den vergangenen fünf Jahren gab es kaum eine andere Band, die auf so bescheidene und zugleich revolutionäre Weise ein ganzes Genre aufleben ließ, neu definierte, neu interpretierte. MGMT nahm den Zeitgeist der durch die Klaxons eingeläuteten Nu-Rave-Bewegung auf, mischte eine gute Portion 60er-Jahre-Hippieness dazu und düste damit als Band des Jahres 2008 in die Herzen der röhrenbejeansten Indie-Jugend.

Dass sie schon beim zweiten Album mit dem von ihnen neu definierten Genre brechen, erstaunt. Und so pflückt man ein Maiglöckchen von der bunten MGMT-Blumen-Hippie-Wiese und trocknet sich damit ein regenbogenfarbenes Tränchen, das beim Hören des Albums über die Wange kullert.

Ein Tränchen dafür, dass der Beat verloren gegangen ist. Dass es auf dem neuen Werk keine bahnbrechenden Hits wie "Kids" oder "Time to Pretend" gibt. Ein Tränchen dafür, dass man zu keinem einzigen Song richtig lostanzen kann. Richtig losheulen muss man deswegen nicht - nur die Erwartungen, die man nach "Oracular Spectacular" hatte, komplett korrigieren.

Wenigstens nehmen Andrew Vanwyngarden und Ben Goldwasser mit "It's Working" gleich zu Beginn gut Fahrt auf. Die Chor-Stimmen hallen mit einer guten Portion LSD psychedelisch durch den Track. "Song For Dan Treacy" überrascht mit einer morbiden Orgeleinlage, die man zuletzt beim The Horrors-Debüt gehört hat.

"Someone's Missing" erinnert noch am ehesten an "Orcular Spectacular". Das ist ein Stampfer und eine Ballade zugleich. Die Stimmen schweifen in überhöhter Tonlage sanft umher, Gitarre und Orgel begleiten dezent die Szenerie. Gerade als der Song jedoch so richtig losdampft und in einem Happening-mäßigen Chor ausartet, blenden MGMT aus.

Es folgen wirklich nette, harmlose Popsongs mit viel hallendem Chorgesang, bei denen man sich manchmal die Hände nahestehender Personen schnappen und mit ihnen zufrieden schunkeln will. Wie zum Beispiel bei "Siberian Breaks", der, ja, bitte, steinigt mich, doch sehr stark an ABBA erinnert.

Aber wo bitteschön ist dieses Treibende geblieben? Dieses unbändige Dröhnen des Basses, der Synthies? Mag sein, dass "Congratulations" um Längen homogener ist als das Vorgängeralbum. Mag sein, dass MGMT damit ihre Liebhaber finden. Und es mag durchaus sein, dass manche dieses Album gar vergöttern werden. Doch wer gehofft hatte, MGMT würde ihren Stil ausbauen, ergänzen, ja sogar perfektionieren, der wird enttäuscht.

MGMT bleiben stehen. Irgendwo auf einer Hippie-Blumenwiese. Mit sich und der Welt zufrieden. Wir haben verstanden, wir müssen zu etwas anderem tanzen.

Trackliste

  1. 1. It's Working
  2. 2. Song For Dan Treacy
  3. 3. Someone's Missing
  4. 4. Flash Delirium
  5. 5. I Found A Whistle
  6. 6. Siberian Breaks
  7. 7. Brian Eno
  8. 8. Lady Dada's Nightmare
  9. 9. Congratulations

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21 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    man sollte dieses album nicht nach dem ersten hören bewerten bzw. verurteilen wie es anscheinend viele kritiker gemacht haben... mittlerweile kann ich wirklich sagen, dass das album der wahnsinn ist! songs wie brian eno oder i found a whistle sind genial! finde es gut und mutig von mgmt dass sie ne andere richtung eingeschlagen haben und sich nicht wiederholen! denke auch dass sie eigentlich überhaupt nicht im sinn hatten, dass ihr erstes album so "gemainstreamed" wurde! Freue mich auf das nächste album!

  • Vor 13 Jahren

    das album kann zwar ach so kreativ und beatles-like sein wie es will, und die texte können auch so toll und kommerzkritisch sein wie sie wollen, ABER 1.fehlt 'kids' wirklich und zwar nicht nur wegen der mainstream- und tanztauglichkeit sondern, weil der leitfaden den das lied dem letzten album gegeben hat völlig weg ist und 2. sind die lieder eben wirklich auch schlechter als die des vorgängeralbums und damit meine ich auch songs wie 'the youth' oder 'weekend wars'. somit haben wir es mit einem x-beliebigen beatles-nachmache-pseudo-art-pop-album zu tun aber nicht mit einem mgmt-album. die review war gut!

  • Vor 13 Jahren

    Sorry, aber verstehe die schlechten Rezensionen bezüglich des Albums überhaupt nicht. Für mich besser als der Vorgänger. Das ganze Werk ist in sich stimmig und immer wieder gibt es diese Gänsehautmomente, wenn die verschachtelten Songs die Richtung wechseln. Einfach großartig diese Melodien. Das Album setzt sozusagen da an, wo das alte schon teilweise vorfühlte. Man denke an den 7. Song von Oracular Spectacular, das wundervolle "Pieces of what", welches ein Fingerzeig war, wohin es mit MGMT gehen sollte. Wunderbar, wie sich die Jungs aus der Hippi-Ära den Flow leihen, um ihn dann mittels Elektronik auf den neusten Stand zu bringen. Definitiv ein Meisterwerk und total unterschätzt in der Rezeption. Also Leute: Reinhören!!!

    "Yeah I found a whistle as thin as a sheet
    to split the dumbness of a vision
    between asleep and a sleep
    tiny axes
    repeatedly raising the flag
    all ignored, real emotion's such a drag

    Hey I've got a pistol that's aimed at your heart
    and on dark nights when the moon is right
    I could show you
    the head attached with a scarf
    aerophane sorceress, at home obeying the fates
    when it's gone, has it gone all the way?"

    YEAH