17. Januar 2002

"Auf Tour hundertmal mehr gelernt als in der Schule"

Interview geführt von

Trotz einiger Nu Metal-Anklänge kracht "Supercharger", die MH-Scheibe 2001, wieder mit einer gesunden Härte aus den Boxen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass beim Sound von Machine Head trotz aller Härte drum machine und Pro Tools eine untergeordnete Rolle spielen - Robb Flynn will, "dass der menschliche Faktor immer im Vordergrund steht".

Hi Robb, wie sind denn die Reaktionen der Presse auf "Supercharger" ausgefallen?

Keine Ahnung, ich lese so was nicht. Reviews sind doch immer nur die Ansichten eines einzigen, der sich, gezwungenermaßen, anmaßt, über die Qualität meiner Songs zu entscheiden. Da kann und möchte ich einfach nicht viel drauf geben. Mein erstes Ziel, nach der Veröffentlichung einer Platte, ist für mich, live zu spielen, denn dann bekomme ich die Reaktionen der Fans hautnah mit und kann mir selber ein Bild machen, wie wir ankommen. Ich mach Musik ja nicht, um Journalisten zu gefallen, sondern weil ich das, was in mir ist, rauslassen muss und weitergeben will. Es muss rocken, wenn die Menge tobt, haben wir was richtig gemacht, ob das ein Rezensent so sieht oder auch nicht, ist dann nicht mehr wichtig.

Ich sag dir trotzdem, dass ich bisher ausschließlich positive Kritiken gelesen haben. Aber erzähl mir doch mal was zum Text von "American High". Ist das wirklich so was wie deine Lebensgeschichte?

Klar, auf jeden Fall. Ich war zu Schulzeiten eher etwas introvertiert und habe mich eher im Hintergrund gehalten. Außerdem war ich nie so ganz überzeugt vom Gehalt dessen, was uns in meiner Schule beigebracht wurde. Auch im sportlichen Bereich war ich zwar aktiv, dass ich aber in irgendeiner Schulmannschaft hätte mitspielen müssen, war definitiv nicht der Fall. Ich war eher der Typ, der seine Kumpels dazu überredet hat, die Schule zu schwänzen, ein bisschen Gras zu rauchen und die eine oder andere Kanne Bier platt zu machen. Außerdem war mir meine Gitarre recht schnell wichtiger, als die Schule. Ich bin also früh abgegangen und hab mich mit allen möglichen Jobs durchgeschlagen. Ich war sogar mal bei der Müllabfuhr. Für mich besteht aber kein Zweifel daran, dass ich durch meine Band und alle Erfahrungen, die ich mit ihr gemacht habe, vor allem die Touren, hundertmal mehr gelernt habe, als mir irgendein amerikanisches Public School System hätte beibringen können.

Zu "Crashing Around You" habt ihr ja ein Video gedreht, welches in Deutschland auf VIVA II ganz gut lief. In den Staaten hattet ihr aber Probleme damit.

Ja, und zwar wegen dem WTC Anschlag. Der Titel ist dummerweise treffender, als beabsichtigt und es sind auch Szenen drin, wo wir vor einer brennenden New Yorker Skyline stehen. Es wird allgemein viel mit Flammen gearbeitet und von daher, haben wir uns nach Rücksprache mit Roadrunner dazu entschlossen, das Video vorerst zurück zu ziehen.

Aber ist das nicht eher so, als wenn man die Augen vor der Realität verschließt? Du singst doch "This world is crashing around you, smashing around you". Damit triffst du leider Gottes den Nagel auf den Kopf.

Da hast du schon recht, aber das Video sollte in der selben Woche des Anschlags heraus kommen und damit fühlten wir uns einfach nicht wohl. Nach dieser Tragödie, sollte das nicht das erste sein, was die Fans von Machine Head vorgesetzt bekommen. Wir haben es ja nicht ganz verworfen, es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Außerdem wurden ja so viele Songs aus dem Radio Programm genommen, dass wir mit der Single gar nicht erst hätten auftauchen müssen.

Auf eurem letzten Album hattet ihr mit "Message In A Bottle" eine Coverversion von Police. War das ein einmaliger Spaß oder kommt so was noch mal?

Spaß ist wohl der richtige Ausdruck, denn die Tatsache, dass wir den Song spielen, entstand sehr spontan, als wir im Proberaum einfach nur drauflos holzten. Was dabei heraus kam, hat uns einfach verdammt gut gefallen. Wir beschlossen dann, den Song als regulären Track mit auf das Album zu nehmen, da es in den USA, im Gegensatz zu Europa, keine Digi-Packs oder ähnliche Sachen gibt, wo solche Tracks dann als Bonus mit auf der CD sind. Somit hätten unsere Fans in Amerika sich irgendeinen teuren Import zulegen müssen und das wollten wir verhindern. Es sollten einfach alle die Möglichkeit haben, diesen Song zu hören, da er ja schon etwas Überraschendes ist und sich von unserem eigenen Material ziemlich unterscheidet. Eine gesunde Mischung war für uns schon immer wichtig.

Warum habt ihr euch eigentlich diesmal strikt geweigert, mit Pro Tools zu arbeiten?

Wir haben auch schon auf unseren anderen Platten darauf geachtet, dass unser Sound immer organisch bleibt und dass der menschliche Faktor immer im Vordergrund steht. Menschen machen Fehler, wir machen Fehler und das wollen wir auch nicht verhehlen. Mit Pro Tools kann man ein Album perfekt klingen lassen, fehlerfrei, aber auch steril. Schon auf "The Burning Red" haben wir Songs, die einfach zu perfekt klangen, neu eingespielt. Auf "Supercharger" wurde jeder Song live aufgenommen. Wenn ein größerer Patzer drin war, fingen wir noch mal an, wenn's halb so wild war, nahmen wir den Take einfach. Wenn man also leichte Timingschwankungen auf der Scheibe feststellen kann, ist das durchaus in Ordnung. Auch für meinen Gesang setzte ich mir ein Limit. Für jeden Song gab ich mir drei Anläufe, einer davon musste einfach sitzen. Deswegen hört man auch, dass ich das ein oder andere Mal ganz schön außer Atem bin. Aber auch das wollte ich nicht einfach rausschneiden lassen, da es so einfach roher klingt. Wenn du so willst, haben wir moderne Musik auf die altmodische Art und Weise gemacht.

Dein Gesang wird immer besser und vor allem variabler. Ist es eigentlich anstrengender für dich, die klaren Vocals zu singen oder eher die rauen?

Das ist nicht so einfach zu sagen. Die rauen Sachen sind natürlich von der Konzentration her einfacher, da ich keiner Gesangslinie folgen muss, sie können aber die Stimmbänder ziemlich beanspruchen. Bei den klaren Sachen muss ich mich manchmal ganz schon konzentrieren, und Melodien zu singen ist harte Arbeit. Insofern kann ich da keine definitive Aussage machen. Ich suche aber immer nach neuen Herausforderungen. Außerdem bin ich mein härtester Kritiker und mit meinem Gesang prinzipiell erst mal gar nicht zufrieden. Ich versuche aber immer, meine Vocals so emotional wie möglich zu halten, was natürlich auch wieder den Aspekt des "nicht ganz perfekten" mit sich bringt. Es klingt aber dadurch viel spontaner und hat auch diese Live-Atmosphäre.

Würdest du sagen, dass ihr inzwischen euren Sound gefunden habt, oder seid ihr noch am experimentieren? Schließlich sind ja doch auf jedem Album deutliche Unterschiede zu hören.

So muss es doch auch sein. Mal ehrlich, um uns schon selber zu kopieren ist es noch etwas zu früh. Die einzige Auflage, die wir uns machen ist, dass es wie Machine Head klingen muss. Wir haben auch immer versucht, anderen Bands in diesem Genre um einen Schritt voraus zu sein. Dazu musst du einfach auch neue Elemente mit in deinen Sound integrieren, dich weiter entwickeln, ansonsten trittst du auf der Stelle.

Wie handhaben du und Ahrue die Verteilung der Solos oder der Melodie-Linien?

Das ergibt sich beim Jammen. Wer mit dem besseren Teil ankommt, hat gewonnen. Es kommt aber auch vor, dass ich Ahrue das Solo überlasse, auch wenn ich es selbst geschrieben habe. Ich habe auch kein wirkliches Problem damit, da ich ja mit Gesang und Rhythmus Gitarre auch schon einiges zu tun habe. Wenn sich ein Solo aber ergibt, das gut klingt und Spaß macht zu spielen, lasse ich mir das natürlich auch nicht entgehen.

Auf eurer Homepage war von einer Machine Head Cover Band die Rede und von einem Special Gig. Wart ihr das am Ende selber?

Nein, aber wir kennen die Jungs ganz gut. Sie nennen sich Ten Ton Hammer und lassen selbigen auch mächtig kreisen. Außerdem fühlen wir uns verdammt geehrt, dass es jetzt schon Cover Bands von uns gibt. Das kann sich doch sehen lassen oder?

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