laut.de-Kritik

Im Krankenwagen back to the roots.

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Zu den Anfängen seiner Karriere bezeichneten Four Music Majan noch als "eines der unscheinbarsten und bescheidensten Wunderkinder, das die deutsche Musiklandschaft derzeit zu bieten hat". Ein Debütalbum sowie mehrere erfolgreiche Singles und Feature-Auftritte später hat der Schorndorfer Rapper bereits bewiesen, dass er so viel mehr als nur ein neuer Cro ist, nicht zuletzt mit seiner musikalischen Vielschichtigkeit. Nach einigen Ausflügen über die Genregrenzen hinaus besinnt sich der 23-Jährige mit den sechs frischen Songs auf seiner neuen EP "Für Jeden Aber Nicht Für Dich" wieder auf die Wurzeln, die ihn ausmachen.

Dabei startet die EP, wie die meisten guten Abende anfangen: mit "Tequila". Im Auftakttrack besingt Majan allerdings nicht seine Zuneigung zum Agaven-Brand, sondern die Zerbrechlichkeit der Liebe. Die Lyrics transportieren eine Mischung aus Schmerz und Hoffnung, mit der richtigen Balance zwischen bedrückend und lässig entführt einen auch der Beat direkt in den Vibe. Übrigens: Es gibt tatsächlich eine Tequila-Marke aus Guadalajara, die "Grand Mayan" heißt. Zufall? Ich weiß ja nicht ...

Es folgt "Panikweiß", zu dem Majan selbst auf Instagram schreibt: "Hab' diesen Song zwischendurch soo gehasst, weil er sich einfach nicht knacken lassen wollte." Gemeinsam mit Feature-Gast Schmyt hat er sich aber durch den Zweifel durchgekämpft und uns die Komposition mit sanften Synthies, poppigen Drums und den zwei perfekt harmonierenden Stimmen Gott sei Dank nicht vorenthalten.

Weiß geht es auch weiter: "Kokain" mit den wenig ausgeklügelten Lyrics wirkt als einziger Song der EP etwas schwächer. Die musikalische Untermalung ist schlicht. Liest man sich den Text genauer durch, bekommt man aber sowieso den Eindruck, dass Majan den Song nicht für seine Fans geschrieben hat, sondern für jemanden aus seinem Umfeld, der ihm am Herzen liegt: "Und ich hab' Angst, so, warum nimmst du so viel Kokain?"

Ähnlich persönlich wird es auch auf dem Titeltrack "Für Jeden Aber Nicht Für Dich": "Warum sorgst du dich um mich / Wenn du dich in jedem Augenblick vergisst? / Warum hast du nichts gesagt / Als ein Teil von dir in dieser Nacht zerbrach? / Warum warst du so stark? / Für jeden, aber nicht für dich selbst." Musikalisch bleibt es beim gewohnten Spaziergang zwischen gefühlvollem, aber nie kitschigem Pop und lockerem, aber nie langweiligem Hip Hop. Auf "Gedichte" rückt der Sound etwas weiter in Richtung Hip Hop, Support erhält Majan dabei vom Berliner Rapper Savvy. Dessen Part ergänzt den Song zusammen mit dem sanften Gitarren-Loop zum perfekten Abschluss der EP.

Vorher trumpft Majan aber noch mit dem absoluten Höhepunkt auf, der Vorabsingle "Krankenwagen". Der Song braucht ein bisschen, hat man sich aber einmal auf das gefühlvolle Piano und die emotionalen Lyrics eingelassen, dann packen sie einen und nehmen einen mit auf diese ganz besondere Fahrt. Wer immer noch nicht überzeugt ist, der möge sich die noch tausend Mal bessere Pianoversion auf Majans Insta-Channel anhören. Gib dem Mann ein Klavier, ein Mikro und eine Bühne: Gänsehaut garantiert.

Die große Stärke der EP ist ihre Ehrlichkeit. Im Gegensatz zu manch anderem Kandidaten im Pool deutscher Nachwuchskünstler kauft man Majan die Message der Texte ab. Egal, ob er über Gefühlschaos singt oder von den Ups und Downs des Erwachsenwerdens rappt. Identifizieren kann sich damit sicher nicht jeder, verstehen kann es vermutlich nicht jeder, fühlen aber kann es ganz gewiss jeder. Während der Musikstil und die Texte offensichtlich Geschmackssache sind, kann Majan niemand seine herausragende Stimme absprechen. Genau diese macht "Für Jeden Aber Nicht Für Dich" zu einer EP für jeden. Auch für dich.

Trackliste

  1. 1. Tequila
  2. 2. Panikweiß
  3. 3. Kokain
  4. 4. Für Jeden Aber Nicht Für Dich
  5. 5. Krankenwagen
  6. 6. Gedichte

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