laut.de-Kritik

Tischkonfetti statt Revolution.

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Nichts weniger als eine neue Ära soll "Music Is The Weapon" einläuten. Zumindest für Major Lazer. Doch wer Chef-Produzent Diplo kennt, weiß, dass der ganz gerne mal zu Größenwahn tendiert und tatsächlich eine neue Ära in der Musikgeschichte meinen könnte.

Fairerweise gibt ihm die Bandgeschichte erst mal recht: Als Diplo gemeinsam mit dem jamaikanischen DJ Walshy Fire und trinidadischen Produzent Jillionaire 2013 "Free The Universe" veröffentlichte, prägten sie damit das Soundbild der kommenden 2010er-Jahre. Mit ihrem wilden Mix aus harten Drops, gefühlvollen Gesangseinlagen und wilden Effekten sorgten sie dafür, dass plötzlich jeder Hanswurst der Meinung war, 'Dancehall' sei das krasseste überhaupt, und es sich jeder Pop- bis Schlagersong irgendwo zwischen Afrotrap und Tropical House gemütlich machte.

Es spricht nun jedoch nichts dafür, dass "Music Is The Weapon" dasselbe Kunststück noch mal fertig bringt. Dafür hat der Sound des fünften Albums einfach zu wenige Kanten. Dass dies am Ausstieg Jillionaires liegen könnte, der im vergangenen Jahr durch den Dancehall/Moombathon-Produzenten Ape Drums ersetzt wurde, kann ausgeschlossen werden, auch er hatte sich mit härteren Produktionen schon einen Namen gemacht. Vielmehr liegt die Ursache wohl in dem simplen Fakt, dass Major Lazer dank ihre bisherigen Veröffentlichungen und Kollaborationen erfolgsverwöhnt sind. Warum also ein funktionierendes Konzept über den Haufen werfen?

Daher klingt "Music Is The Weapon" eher nach aufgewärmter Vergangenheit als nach Neuanfang. Der Opener "Hell And High Water" transzendiert zwischen "Get Free" und "All My Love". Die Rolle der starken weiblichen Protagonistin mit markanter Stimme übernimmt die Kanadierin Alessia Cara. "Bam Bam" und der bereits vor gut einem Jahr veröffentlichte Song "Que Calor" mit dem Prinzen des Reggaeton, J. Balvin, verfolgen das "Bubble Butt"-Konzept. "Oh My Gawd" bringt Spaß ins Spiel und versteckt den mächtigsten Featuregast der Platte, Nicki Minaj, die mit einer ziemlich aufmüpfigen Hook konkurriert. Gegen Ende des Albums kommt es mit "Rave De Favela" und "Marijiuana" noch zu zwei kulturellen Exkursen: Ersterer erinnert stark an den vor allem in Brasilien verbreiteten Baile Funk, Letzterer verneigt sich in Richtung Bollywood.

Die beiden Songs sorgen zwar für etwas mehr Vielfalt, reißen das Ruder aber auch nicht mehr wirklich herum. Denn meist verbreitet das Album eher Langeweile: "Sun Comes Up" mit Busy Signal biedert sich als klassische Dancehall-Produktion ohne Mehrwert an, für den Reggaeton liefert dies "Que Lo Que" mit Paloma Mami. "Tiny" imitiert Diplos Jack Ü-Projekt mit Skrillex, nur ohne den Wumms, und "Trigger" klingt eher nach einem für Khalid produzierten Song ohne eigenen Charakter. Der Tiefpunkt des Albums folgt mit "Lay Your Head On Me", auf dem Mumford & Sons-Frontmann Marcus Mumford vorbeischaut. Der Song soll Folk-Rock und Dance-Music vereinen, klingt aber eher nach Kerstin Ott denn gelungener Neuerfindung. Zumindest im deutschen Schlager-Publikum dürften sich ein paar Fans finden.

So bleibt eher ein ernüchterndes Fazit. Major Lazer versprechen mit "Music Is The Weapon" ABC-Waffen, liefern aber eher Tischkonfetti und Radio-Hits für die Heavy Rotation. Revolution sieht jedenfalls anders aus.

Trackliste

  1. 1. Hell And High Water (Feat. Alessia Cara)
  2. 2. Sun Comes Up (Feat. Busy Signal & Joeboy)
  3. 3. Bam Bam (Feat. French Montana & Beam)
  4. 4. Tiny (Feat. Beam & Sheensea)
  5. 5. Oh My Gawd (Feat. Nicki Minaj & K4mo)
  6. 6. Trigger (Feat. Khalid)
  7. 7. Lay Your Head On Me (Feat. Marcus Mumford)
  8. 8. Can't Take It From Me (Feat. Skip Marley)
  9. 9. Rave De Favela (Feat. Mc Lan & Anitta)
  10. 10. Que Lo Que (Feat. Paloma Mami)
  11. 11. Marijiuana (Feat. Nucleya & Rashmeet Kaur)
  12. 12. Que Calor (Feat. J. Balvin & El Alfa)

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