laut.de-Kritik
Wer das nicht selbst gesehen hat, wird es kaum glauben.
Review von Michael EdeleWir Durchschnitts-Metaller haben ja schon einen an der Klatsche. Oft macht das sogar einen großen Teil unserer Persönlichkeit aus, und wenn die Langhaarigen dann noch zur Rudelbildung und verstärkter Alkoholaufnahme neigen - wie das hin und wieder auch in Wacken vorkommen soll - ist eh Hopfen und Malz verloren.
Auf Wacken geschehen die seltsamsten Dinge. Da spielt schon mal die Feuerwehr-Kapelle, und mancher Kuttenträger mosht sich dazu den Kater aus der Rübe. Der Black Metaller hilft ner alten Frau ihr Gemüse nach Hause zu tragen, und manchmal wacht auch einer auf und hat ne Waschmaschine auf den Rücken tätowiert ... Doch all das ist eigentlich gar nichts im Vergleich mit einem Ereignis, das 2006 zeitgleich mit dem Scorpions-Gig, aber weitab davon im Zelt passierte. Dort kam es zu einem sagenumwobenen Auftritt, der glücklicherweise in Bild und Ton festgehalten werden konnte.
Saxon würden im Grab rotieren, wären sie denn schon unter der Erde, denn ein Mann aus Bochum greift sich einfach ihren Titel "The Eagle Has Landed" und lässt dafür die Orgel landen. An sich vielleicht nicht weiter erwähnenswert, doch landet der Kerl ja nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern füllt auf Wacken, dem größten Metal Festivals Europas ein riesiges Zelt mit seiner Heimorgel! Mambo Kurt als ein Phänomen zu bezeichnen, wäre untertrieben. Ein Erlebnis? Auf jeden Fall! Ein Naturereignis? Naja, gesanglich gesehen vielleicht eher ne Flaute am Nachmittag, aber in Sachen Unterhaltung ist Mambo unschlagbar.
Welcher Heimorgelspieler oder Alleinunterhalter kann schon von sich behaupten, Crowdsurfer bei seinen Auftritten zu haben? Mambo hat die Meute einfach im Griff, platziert sich zu Beginn seines Sets sogar mit dem Rücken zum Publikum, damit auch ja jeder die Schönheit und das Geheimnis des Heimorgelspielens besser mit verfolgen kann. Will das jemand? War überhaupt noch jemand nüchtern genug, sich am nächsten Morgen daran zu erinnern?
Egal, wen interessiert das, wenn man Van Halen, Metallica, Rammstein und sogar Slayer auf der Heimorgel bekommt? Wen kratzt es wenn Mambo einfach mal den Text von "Bombtrack" vergessen hat und deswegen nur blödes Zeug erzählt?
Keinen, und eben weil das so ist, wurde es auch Zeit, dass endlich mal ein Bild- und Tondokument dieser Orgie an Absurdität festgehalten wird. Wer das nicht mit eigenen Augen gesehen hat, wird es kaum glauben, denn Polonäsen durch eine Metalzelt wird es so bald wohl nicht mehr geben. So was schaffen ja höchstens mal Volbeat bei praller Sonne und 30 Grad auf dem Rock Hard Festival. Für Mambo ist das eine Kleinigkeit. Der Typ ist einfach ehrlich und dabei furztrocken. Eine Kombination, die sehr gut funktioniert und sympathisch macht.
Im Bonusteil gibt es die musikalische Unterhaltung während des "Fußballspiels" TSV Wacken gegen FC St. Pauli, im "Kettensägenmassaker" zeigt sich, dass die Heimorgel dermaßen Metal ist, dass sie sogar die Kette der Säge fetzt und erst der Vorschlaghammer das Teil klein bekommt. Beim "Orgelfallout" geht ebenfalls so ein Gerät in die ewigen Jagdgründe ein (wie viele von den Dingern hat der Kerl denn?) aber so richtig mit Herzblut ist Mambo bei der Zerlegung nicht dabei.
"Genf am Zee" ist ein wenig verwirrend (was hier eigentlich nicht) aber scheint wohl so was wie die Vorgeschichte zu "Orgelfallout" darzustellen. Schließlich gibt es noch ein vollkommen durchgeknalltes Video zu "I Just Called To Say I Love You", das natürlich die Liebeserklärung an die Heimorgel ist.
Die drei Folgen "Mambo TV" im zweiten Bonus Teil sind ohne entsprechende Drogen eigentlich kaum zu ertragen, und die kurzen "Wacken"-Impressionen haben auch den Spannungsgrad von vier Stunden Stau auf der A4.
Dafür ist das "Interview" echt geil. Zwei Schicksen liegen im Hintergrund im Sessel oder der Wandausbuchtung, und Volker Wendland von Die Kassierer stellt ein paar Fragen. Dabei kommt raus, dass Mambo eigentlich noch rebellischer als Punk ist und von kleinen Kindern (nach Aufforderung der Eltern!) bei seinen ersten Auftritten mit Papierkügelchen beworfen wurde. Außerdem wird man mal im Schnelldurchlauf in die Funktionen der Heimorgel eingeführt und man lernt folgenden Weisheiten: 'Der Hall muss weg!' und 'Diese Orgel ist meine Silikonbrust!' Großartig …
Noch keine Kommentare