laut.de-Kritik

So muss Pop klingen, so und nicht anders.

Review von

Es gibt Platten, die kündigen sich mit großem Trara an. Dann gibt es solche, die werden als schlecht gehüteter Geheimtipp gehandelt, noch andere landen aus heiterem Himmel im Briefkasten des unbedarften Musikjournalisten, nur um diesem den Atem zu rauben. "Interruptions" ist eine solche Platte.

Blitzte in der Vorabsingle "Make A Tiger" schon das Können der Basler Popper-Bande in Form einer kühl-ästhetischen Perle auf, kündet "Loyalty" von einem wirklich großen Debütalbum. Das kurze Intro, nur mit einigen "Aaahs" stimmlich verziert, legt eine pompöse Finte. "Unbalance" zeigt sich dann schon wieder reduzierter, mit noch relativ dezenten Streichern ausstaffiert.

Raffinierte Gitarreneffekte treffen auf lässig geschlagene Snares und die unwiderstehlich helle Stimme Manuel Bürklis. So muss Pop klingen, so und nicht anders. Irgendwo zwischen dem leicht unterkühlten Kunstverständnis von Interpol, dem Mut zum Kitsch von Slut, der Intensität von Sigur Rós (mit denen Produzent Ken Thomas auch schon zusammenarbeitete) und der Dringlichkeit von Aereogramme siedelt sich das Schweizer Quintett an.

Dabei bieten Mañana keineswegs einfach nur laschen Pop, sondern rocken stets, allerdings ohne sich irgendwelchen Poprock-Klischees hinzugeben. Unaufgeregt bauen sie wunderschöne Melodiebögen, die das Herz des Connaisseurs höher schlagen lassen.

Der Sound als Ganzes, die Instrumente, der Gesang, oft unterstützt von Tastenfrau Jennifer Jans besitzen eine kraftvolle, leuchtende Eigenständigkeit. Mañana, das heißt morgen, die Musik aber verspricht den Segen der Nacht, sie transzendiert das Pulsieren der Stadt, ihrer Clubs, deren Besucher keinen Gedanken an das Morgen verschwenden.

Genauso ist "Interruptions" zehnmal Musik für den Moment. Eine Versuchung, der man sich mit Freuden hingibt, immer und immer wieder.

Trackliste

  1. 1. Loyalty
  2. 2. Unbalance
  3. 3. Make A Tiger
  4. 4. Broken Solid Side (To Be)
  5. 5. Monster
  6. 6. Red
  7. 7. Elephant
  8. 8. Little Lights
  9. 9. Berliner Blau
  10. 10. Roadside Museum

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Mañana

Manchmal entsteht die beste Musik in der kleinsten Zelle. Die Basler Musiker Manuel Bürkli und Jan Krattiger spielen als akustisches Gitarrenduo unter …

9 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Das Review ist wirklich gut geschrieben und hat auch mich dazu verleitet, mir das Album zuzulegen. Mission erfüllt! ;)

    Leider bin ich von der Platte - selbst nach mehrmaligem Durchhören - extrem enttäuscht und froh, dass richtig guter Pop nicht so sondern eben anders klingt.

    Zitat (« "Raffinierte Gitarreneffekte treffen auf lässig geschlagene Snares und die unwiderstehlich helle Stimme Manuel Bürklis." »):

    Sicher, die Zutaten an sich sind nicht schlecht gewählt und können, für sich allein genommen, sogar den ein oder anderen anspruchsfreien Zuhörer begeistern, ABER:

    1.) Für mich ist der Sound ein einziger diffuser Klangbrei, der es mühelos schafft, unnötige Distanz zu schaffen und ohne jegliche Akzente zu setzen, sofort wieder in Vergessenheit zu geraten.

    Das Ganze ist eben doch mehr als die Summe seiner Teile. Da haben die Produzenten ihre Hausaufgaben wohl nicht gemacht.

    2.) Die Melodien sind unverschämt einfallslos und beliebig. Eigentlich werden meist einfach nur die Grundtöne lustlos umspielt bzw. gehalten.

    *gääääääähn*

    3.) Die Stimme wurde durch Pitchquantisierung hörbar synthetisch angefettet und in endlosen Hallräumen ertränkt, was mich persönlich extrem stört. Kraftwerk meets Cher!

    Und raffinierte Gitarren-Effekte? Hey, Flanger und Chorus gibt's schon seit den 60ern. Das ist nun wirklich unspektakulär. Ist der Autor vielleicht mit der Band befreundet?

    Sorry, aber da regt sich bei mir in emotionaler Hinsicht rein gar nichts, was schade ist, denn die Jungs hätten genug Talent für eine gute Performance, wenn ihnen nur das Songwriting besser liegen würde.

    Und machen wir uns mal nichts vor. Ein guter Song funktioniert allein mit Stimme und Begleitinstrument. Jeglicher Effekt-Bombast verschleiert da häufig doch nur die mittelmäßigen Kompositionen.

    Nunja... euch trotzdem viel Spaß mit der Platte. Ich will mein Geld zurück!! :P

  • Vor 16 Jahren

    Also ich kann mir nicht helfen ...
    Zu Beginn (eines Songs) hört sich das immer ganz gut an, wie schon gesagt sind "die Zutaten an sich [...] nicht schlecht gewählt", dann wird es meist nur noch nett, dann gleitet es dahin und bei mir bleibt kaum ein Song im Gedächtnis hängen, manchmal entfallen einen die Übergänge völlig und alles wird zu einer einzigen Sound - Masse, die man wahrscheinlich schnell wieder vergisst. Was es mir auch schwierig macht konkrete Kritik zu üben, außer (wie schon erwähnt wurde):
    - hab einen ähnlchen negativen Eindruck wie "shyko" von der technischen Bearbeitung der Stimme; sie entzieht sich einem, liegt über der Musik wie Kaugummi
    - mir fehlt es etwas an Dynamik/Rhytrmik
    - zu glatt
    Man wird echt den Eindruck nicht los, als ob mehr Zeit in die Ausgestaltung der Effekte (gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden ist) als ins Song-Gerüst geflossen wäre.
    Ist leider sehr belanglos.
    Die Platte sediert mich.

    Ein änhliches, allerdings nicht so stark negatives, Gefühl hatte ich übrigens bei der aktuellen Notwist bei den ersten zwei Durchläufen. Hat sich dann aber schnell gelegt, ist immer besser geworden und sich schließlich als großartiges Album heraus gestellt. Wunderbar zum (Tag-)Träumen.

    Das ist hier nicht so, bin enttäuscht. Auch weil die wirklich gut geschriebene Rezension wirkliches Interesse geweckt hatte. Möchte jedoch den Interpol Vergleich widersprechen. Sicher hier und da ein zaghafter Ansatz, den man vielleicht weiter verfolgen sollte. Worauf die Rede vom "leicht unterkühlten Kunstverständnis" genau abziehlt ist mir nicht klar. Natürlich klingen Interpol "cold", jedoch wird immer deutlich aus welcher Intention/Motivation, aus welchem Gefühl heraus. Cold bedeutet nicht gefühllos, so bleibt für mich Mañana emotional weit weniger ergiebig als bsplw. Interpol.

    In Hoffnung auf vermutlich vorhandes Potential der Band geb ich mal 3/5.

    Entschuldigt bitte meinen etwas ausgeuferten Post. ;-)

  • Vor 16 Jahren

    "make a tiger" ist schon mal gar nicht verkehrt. :)