laut.de-Kritik
Rock aus dem Baukasten.
Review von Julian VölkerMando Diao blicken auf eine beeindruckende Discographie zurück. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Indie-Rock-Sensation gefeiert, lieferten die Schweden im Zweijahrestakt naive, wilde Rockalben mit Stadion-Touch. Erst mit dem 2009er Longplayer "Give Me Fire" wurden erste musikalische Veränderungen deutlich. Ernster und reifer wollte die Kapelle klingen und weniger die Vertonung wilder Partynächte als die musikalische Ausgestaltung von sexy Männern mittleren Alters auf den Markt bringen.
Nach mehreren Nebenprojekten und "Ælita" erschien 2017 das erste Album ohne Frontmann Gustaf Norén. "Good Times" brachte eine neue Seite zum Vorschein: Disco-Rock. Poppige Drums ohne Schnörkel und Bass-Lines im Off-Beat unter der rotzigen Röhre von Sänger Björn Dixgârd. Ohne groß Tam-Tam und eben nicht dem Titel entsprechend kündigte das neu zusammengestellte Quintett dieses Jahr die neunte Platte "BANG" an, erneut zwei Jahre später. Laut Gitarrist Jens Siverstedt: die "dreckigste" Scheibe seit dem Debüt.
Tatsächlich wird sehr schnell klar, was die Band unter dem Begriff "dreckig" versteht: Eine Ansammlung von Rock-Riffs, die die Pausen zwischen dem enthusiastischen Gesang des Frontmanns füllen. Exemplarisch dafür steht die erste Single "One Last Fire": Der Opener beginnt mit einem catchigen Gitarren-Riff, tighten Drums und Achtel-Bass-Spuren, die nicht mehr machen als nötig, doch das sehr gut. Als folgten sie einer Ikea-Anleitung, strukturieren sie ihre Songs nach genau diesem Prinzip: Rock aus dem Baukasten.
Dieses Konstrukt bestehend aus Riff, treibenden Rhythmen ohne Pausen und überpräsentem Gesang verändern Mando Diao auf "BANG" immer wieder um kleine Nuancen. "Don't Tell Me" holt den Disco-Schlitten aus der Garage, "Long Long Way" spielt mit Folk-Vibes, und "I Was Blind" ist ein Rock'n'Roll-Tune für Fußstampfer, die ihren Whiskey-Cola balancieren und den Pick-Up-Truck im Hinterhof geparkt haben.
Als Ausnahmen stechen die Songs "My Woman" und "Society" heraus. Die Akustikgitarre und der Chor in der Liebesballade tauchen genauso unerwartet auf wie die wilden Drumfills und die überraschenden Moll-Akkorde. Dixgârd und Co. erschaffen hier die sehnsüchtigen Klänge, für die sie einst berühmt waren, die jedoch auf dieser Platte nur spärlich existieren. "Society" wiederum ist ein dreiminütiger Aufgang, der konstant zu brechen droht, doch erst knapp vor Schluss in kurzer Eskalation mündet. Mit erhobenem Zeigefinger beklagt das Quintett die fehlende Gerechtigkeit in der Gesellschaft und zögert den Höhepunkt des Stücks mit der Erfahrung alter Rocker so lange hinaus, bis der Zuhörer verzweifelt darum bettelt.
"BANG" gerät definitiv wilder als die letzten Veröffentlichungen, die Band definiert den Begriff jedoch auch vollkommen anders als zu Zeiten ihres Debüts. Ja, sie erhöhen die Anzahl der Rock-Riffs und wagen sich an alte, verstaubte Zerr-Pedale, unsauber gespielte Akkorde und aggressiv klirrende Becken sind jedoch nicht aufzufinden. Im Laufe ihrer Bandgeschichte weicht die emotionale, barbarische Kreativität dem erotischen Rhythm-Fanatismus mit simplen, exakten Drums, einem kompakten Bass und abgestoppten Gitarren-Riffs. Eine Entwicklung, wie sie auch die Arctic Monkeys vollzogen haben, nur, dass Alex Turner nicht schreit.
7 Kommentare mit 25 Antworten
"...sprachlichen Verwirrungen der schwedischen Platte "Ælita""
Krass. Ich verstehe schwedisch.
Aelita war eine Platte auf Englisch, ihr Vollhonks.
Ich erwarte nicht dass wie die gleichen Geschmäcker haben, aber ein klein wenig Basiswissen sollte man als Musikredakteur schon haben.
Die schwedische Platte war "Infruset", ihr Vollhonks.
Das war, zudem, keine sprachliche Verwirrung sondern die musikalische Umsetzung schwedischer Gedichte...
ja, hinweise auf eventuelle fehler und möglicherweise berechtigte kritik sind um so willkommener, je öfter "ihr vollhonks" im entsprechenden post steht.
dankeschön.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Eben, dachte ich mir auch, drum habe ich es wiederholt.
Wurde geändert. Darum macht mein Post jetzt keinen Sinn mehr. @ alle die ihn noch lesen werden
"ja, hinweise auf eventuelle fehler und möglicherweise berechtigte kritik sind um so willkommener, je öfter "ihr vollhonks" im entsprechenden post steht."
Du musst verstehen, dass diejenigen NOCH NIEMALS in ihrem Leben einen Fehler gemacht haben, etwas verwechselt haben, etwas falsch interpretierten oder ähnliches. Es sind perfekte Menschen. Engelsgleich.
Dazu sollte man auf gar keinen Fall das Recht haben, Kunst zu bewerten, wenn man nicht das ganze Leben des/der bewerteten Künstlers/in kennt, jedes Interview von ihr/ihm gelesen hat, die Lebensgeschichte der Eltern, Großeltern, Freunden, Lebensgefährten oder so bis ins Detail kennt.
Ich gebe ja zu, dass es überspitzt geschrieben war. Nichts für ungut, aber ein bisschen Humor kann man ja haben. Jedoch finde ich es trotzdem als Musikredakteur angebracht dass man wenigstens die Diskographie des Künstlers kennt. Finde....ich...wirklich...das...Mindeste...
Also kommt es bei dir als "Humor" an wenn Dein Chef Deine Arbeit kritisiert und Dich als Vollhonk betitelt?
Jetzt lass gut sein, er hat's eingesehen.
Klar, um dann "alles nur Humor" nachzuschieben anstatt einfach mal zu sagen "Sorry, war doof von mir".
...wer ist denn dieser Vollhonk: Trickster ?
neuer Troll/Atavar von ???
Wenigstens hat der Vollhonk nicht die Objektivität des Redakteurs angezweifelt.
"Klar, um dann "alles nur Humor" nachzuschieben anstatt einfach mal zu sagen "Sorry, war doof von mir"."
Oder einfach mal die Selbstgerechtigkeit an den Hut stecken und Sachen in Frieden lassen, selbst wenn du im Recht bist.
"Du musst verstehen, dass Para NOCH NIEMALS einen Fehler NICHT eingestanden und sich den Kopf hat waschen lassen oder ähnliches. Er ist der perfekte Mensch. Engelsgleich."
Dieser Kommentar wurde wegen eines Verstoßes gegen die Hausordnung durch einen laut.de-Moderator entfernt.
Sali Avon
Dafür, dass hier einiges auch mal gerne unter der Gürtellinie durch den Kakao gezogen wird, reagieren die Fanboys aber ziemlich sensibel auf Kritik an ihrem sakrosankten laut.de!
Geb a ruh etzala
Cüs Avon
"Oder einfach mal die Selbstgerechtigkeit an den Hut stecken und Sachen in Frieden lassen, selbst wenn du im Recht bist."
Hast recht. War übertrieben.
Was für Vollhonks, ihr Vollhonks.
"Hast recht. War übertrieben."
Hab nichts anderes erwartet.
Vollhonk
Du Lump.
Hurricane Bar mochte ich sehr gern. Alleine Down in the past war für mich - bevor totgenudelt - eine großartige Nummer. Was die jetzt machen ist aber mal so gar nicht mehr meins... Eigentlich schon seit Jahren nicht.
Mando Diao. Seit jeher das, was Abiturienten für Rock halten.
Na gut, die erste Platte konnte man sich ganz gut anhören.
QED
Ja Mann, Mickey Maus Rock...;)
Hm, weiß nicht, ob ich mir das Album noch geben kann. Der Ausstieg von Norén wirkt zu schwer für mich, da ich seine Stimme immer als Ausgleich zu Dixgârd brauchte. Auch ein toller Sänger, aber auf Albumlänge dann doch zu viel für mich. Zumal Norén als freies Radikal häufig die interessanteren Songs ablieferte.
Bin damals riesiger Fan seit Bring 'Em In gewesen und halte insbesondere die Hurricane Bar für eines der Top10 Rockalben der 00er Jahre. Und während ich speziell während der Give me Fire-Phase echt mal eine Auszeit brauchte, besonders, weil MD omnipräsent waren, habe ich die Band andererseits umso mehr zu schätzen gelernt. Mit Alben wie Never seen... (Dalarna!) oder Infruset haben sie mir auch echte Nischenperlen gegeben. Nach anfänglicher Skepsis halte ich Ælita mittlerweile (in Teilen) für ihr bestes Album und hab es zeitweise gesuchtet wie sonst nichts. Das war ein so einzigartiger Sound, dass ich Mando Diao wirklich ehrliche Props dafür gebe. Hätten sie danach geschlossen aufgehört, wär ich zwar sehr traurig gewesen, hätte es aber auch gut verstehen können.
Nun fühlt es sich so an, als müsste der Rest auch erstmal schauen, wo es künftig hingehen soll. Wünsch ihnen dabei alles Gute, aber ich glaub ich such mir lieber ein ruhiges Fleckchen irgendwo zwischen 'To China With Love', 'TV & Me' und 'Money Doesn't Make You A Man'.
Sehr schön geschrieben und agree 100% (auch wenn dies hier nichts wert zu sein scheint, da ich erwarte dass leute ihren job machen)
Dies sollten sich in Mango Diao umbenennen und im Fernsehgarten ihre hölzernen Früchte verteilen.