17. Juli 2020

"Wie eine Beziehung ohne Sex"

Interview geführt von

Mando Diao haben seit ihrer Gründung vor über 20 Jahren mehr als 1.500 Konzerte gespielt, die Band lebt quasi für ihre Live-Auftritte. Da trifft die Pandemie natürlich besonders hart.

Im Telefon-Interview aus dem Aufnahmestudio erzählen Sänger Björn Dixgård und Bassist Carl-Johan Fogelklou davon, wie sie die Zeit überbrücken, was ihnen am meisten am Touren fehlt, reden über ihre neue EP "All The People" und versprechen ein großes Streaming-Konzert am 20. Juli. Natürlich ist man ein bisschen aufgeregt, wenn man plötzlich eine der größten schwedischen Indie-Bands am Telefon hat, da verwechselt man dann auch mal die beiden Namen Jens und Sven. Da Björn und Carl-Johann aber echt sympathische Kerle sind, nehmen sie mir meinen Fauxpas nicht übel, sondern machen einfach einen Witz draus.

Nachdem sie dieses Jahr schon ihre zweite schwedische Platte "I Solnedgången" veröffentlicht haben, erklären sie mir, warum es oft einfacher ist, in der Muttersprache zu schreiben. Vor allem aber preisen sie ihre nächste Veröffentlichung an, an der sie gerade arbeiten und die deutlich emotionaler klingen soll und damit ganz anders als das letzte englische Album "BANG" von 2019.

Wie geht's euch?

Björn: Wir sind gerade im Studio und arbeiten an neuen Songs, insgesamt also gut.

Aber euch fehlen bestimmt die Konzerte, oder?

Carl-Johan: Ja, es ist ein bisschen wie in einer Beziehung zu sein, in der man keinen Sex hat. (lacht)

Björn: Aber es ist eine gute Therapie, hier im Studio zu sein. Wahrscheinlich werden wir einfach weiter aufnehmen, bis 2020 vorbei ist. Und danach können wir hoffentlich wieder auf Tour gehen.

Was fehlt euch denn am meisten am touren?

Carl-Johan: Das Publikum. Ich meine, es macht immer viel Spaß Backstage abzuhängen, ein bisschen was zu trinken und Freunde zu treffen. Danach geht man noch in einen Club... Socializing. Es ist ganz schön scheiße gerade, was wir hier machen, wir treffen niemanden. Es gibt nichts zu tun, wir umarmen uns nicht, in Deutschland habt ihr sogar Gesichtsmasken. Es ist echt blöd gerade. Wir erschaffen da eine ziemlich schlechte Gesellschaft.

Immerhin spielt ihr jetzt ein Streaming-Konzert. Wie wird das?

Carl-Johan: Es wird eine Mando-Diao-Show, aber wir werden versuchen es besonders zu halten. Denn sich nur hinzustellen und zu spielen ist langweilig, wenn es keine Zuschauer gibt. Es wird auf jeden Fall was Besonderes!

Björn: Wir werden nicht versuchen, einen normalen Gig zu simulieren. Wird werden es kreativ und kunstvoll halten.

Wird es denn eher laut und rockig?

Björn: So vielfältig wie unsere Band, weißt du? Wir lieben verschiedene Genres und ganz unterschiedliche Musik. Also wird es von allem Etwas geben. Ruhige Songs, echt laute Rock-Songs, wir werden echt viele Stücke von "Bang" spielen und, natürlich, einige der neuen Songs von der EP.

"Sweet soul music!"

Die neue EP "All The People" gefällt mir, die Songs klingen sehr roh und charmant.

Björn: Danke! Wir haben viel geredet, darüber, wie wir die Songs aufnehmen. Gerade nehmen wir so auf wie in den 50ern. Wir haben das auf dem schwedischen Album ("I Solnedgangen", Anm. d. R.) gemacht und jetzt auch bei der EP. Wir hängen ein Mikro unter das Dach in der alten Kirche, in der wir aufnehmen. Die haben wir zu einem Studio umgebaut. Dadurch wird alles sehr organisch, weil wir alles live einspielen.

Wann habt ihr die Songs geschrieben?

Carl-Johan: Die sind in den letzten zwei Jahren entstanden und jetzt haben wir sie aufgenommen und wollten sie auch veröffentlichen.

Mir gefällt, dass die Songs sehr verschieden sind. "Magic Kiss" erinnert mich mit den Orgeln an The Doors, "All The People" ist ein schöner Soul-Song. Wer hat euch für die neuen Songs inspiriert?

Carl-Johan: Sweet soul music!

Björn: Die Soul-Musik, die von Staxx und Motown veröffentlicht wurde, war immer wichtig für uns. Das ist Musik, zu der wir immer wieder zurückkommen und die wir viel hören.

Dazwischen gibt es dann aber auch "Hippie Son", einen klassischen Mando-Diao-Rocker.

Björn: Ja, die Platte ist echt sehr vielseitig. Jeder Song hat seinen eigenen Charakter und genau so mögen wir es manchmal. Ab und zu will man auch Alben machen, die einen roten Faden haben, aber diese Platte hier ist einfach durchmischt.

Ist jemand von euch tatsächlich ein "Hippie Son"?

Björn: Der Song handelt im Kern davon, wie es ist, nicht ganz normal aufzuwachsen. Das ist das Thema, aber der Song ist nicht autobiographisch. Wobei, ich wurde fast als Hippie-Son geboren, vielleicht ist also doch ein bisschen was von mir in dem Lied.

Carl-Johan: Na ja, in Schweden endete die Hippie-Ära 1977, also waren wir nah dran, aber wir haben sie verpasst.

Ich habe gelesen, dass Sven "Magic Kiss" für seine Verlobte geschrieben hat. Hat er ihr gefallen?

Carl-Johan: Du meinst Jens.

Oh Mist, tut mir leid. Ja, ich meine Jens.

Carl-Johan: Sven ist ein Charakter aus "Die Eiskönigin" (lacht).

Björn: Ja, das ist das Rentier (lacht auch).

War denn Jens Verlobte zufrieden?

Carl-Johan: Nein, er hat ihr gar nicht gefallen (lacht). Doch, natürlich, hat er ihr gefallen.

Ja, wahrscheinlich gefällt es eigentlich jedem, wenn man einen Song gewidmet bekommt.

Björn: Ja, das ist eine gute Sache, wenn man, na ja, wenn man flachgelegt werden will (lacht). Also, jemandem einen Song zu schreiben.

"Es wird sehr emotional!"

"Good Times" war euer Comeback-Album, dann kam "BANG", das wie eine Party war, mit großen Riffs und tanzbaren Beats. Jetzt seid ihr zurück zum Schwedischen gegangen und habt mit der EP ganz viele Genres bedient. Was kommt als Nächstes, auf eurem 11. Album?

Carl-Johan: Es wird ein gefühlvolles Album. Ich weiß gar nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Es wird Folk-Songs geben, Country- und Western-Musik, großen Pop und Balladen. Es wird sehr vielseitig und es ist nicht der typische Mando Diao Rock'n'Roll-Sound. Es wird viel emotionaler, zerbrechlich, roh und ehrlich.

Björn: Ja, es wird sehr emotional! Es ist schön, diese Seite an uns zu erforschen.

Also wird es deutlich ruhiger?

Björn: Na ja, wir entfernen uns nie von der Rock-Musik. Wir werden immer wieder Rock-Alben veröffentlichen.

Carl-Johan: Ja, dieses Album wird zugänglicher für die Masse. Es ist eines dieser Alben, bei dem man sich selbst reflektiert. Es ist eine spannende Platte, sie kann sowohl 15-, als auch 90-Jährigen gefallen. Wir haben jetzt zwei schwedische Alben aufgenommen und die klingen auf eine ganz bestimmte Art und Weise. Jetzt dachten wir, dass wir diesen Klang auch auf internationaler Ebene haben wollen, also haben wir angefangen, die englischen Songs auf die gleiche Art und Weise aufzunehmen, wie die Schwedischen. Und ich glaube es wird das massentauglichste Album, das wir seit langem aufgenommen haben.

Björn: Das kann man nicht wissen.

Carl-Johan: Ich weiß das.

Björn: Na gut, CJ weiß immer alles.

Ich bin sehr gespannt.

Carl-Johan: Es wird eine dieser Platten, zu der man ein Glas Whiskey oder Rotwein trinkt und nachdenkt.

Fällt es euch denn leichter Songs auf Englisch oder Schwedisch zu schreiben?

Björn: Wenn wir anfangen Songs zu schreiben und das Gefühl haben, dass es sehr herausfordernd wird, dann hören wir auf. Aber wenn ein Song einfach so kommt, dann fühlt es sich gar nicht hart an, dann fließt es einfach. Manchmal ist man einfach in der Zone und es zählt nichts anderes. Dann ist es einfach Songs zu schreiben. Der Unterschied zwischen Schwedisch und Englisch ist, dass Englisch nicht unsere Muttersprache ist. Deswegen fühlt es sich manchmal theatralischer an, als würde man als Alter Ego schreiben.

Carl-Johan: Das ist das Schwierigste daran, auf Englisch zu schreiben. Dass es sich trotzdem ehrlich anfühlt. Es ist echt nicht leicht, in einer Fremdsprache zu texten und trotzdem authentisch zu wirken. Aber diesmal fühlt es sich wirklich sehr down to earth an.

Björn: Englischsprachige Songwriter wie Neil Young oder John Lennon, deren Texte kommen von Herzen, die sind ehrlich. Annähernd solche Texte zu schreiben, das ist unser Ziel.

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