laut.de-Kritik
Die Diva gewährt einen Blick in die Zukunft des R'n'Bs.
Review von Kai KoppDie Live-Präsentation der Single "Touch My Body", die den 18. Nummer eins-Hit der Sängerin markiert, wurde von DSDS-Dieter zwar wegen Playbackalarm als nicht beurteilungsfähig deklariert. Aber Mimi muss auch keinem mehr etwas beweisen.
Und wer nur noch einen Fingerbreit davon entfernt ist, die Beatles von ihrem Allzeitthron für die meisten US-Nummer eins-Hits zu stoßen, darf in ihrer kommerziellen Leistungsfähigkeit nicht kritisiert werden. Beschränken wir uns deshalb auf die musikalischen Aspekte.
Für den Bazillus, der den Hang zur Überproduktion im R'n'B-Lager auslöste, scheint glücklicherweise endlich ein Gegenmittel gefunden zu sein. Zu verdanken haben wir dieses erfreuliche Schicksal neben der Protagonistin, dem Produzententeam um Jermaine Dupri, das Mimi einen wirklich tollen Sound auf den hübschen Leib schneidert. Mit von der Partie sind neben Pultgott Dupri auch Danja (Britney Spears, Missy Elliott), Tricky Stewart, Bryan Cox, Stargate (Ne-Yo, Rihanna), Scott Storch, DJ Toomp, Cox und Swizz Beatz (Jadakiss, Beyoncé). Fehlt eigentlich nur noch Timbaland.
"Migrate" (featuring T-Pain) entpuppt sich als perfekter Opener. Mit amtlichem Groove, kruden Synthie-Flöten, massivem Vocoder-Einsatz und lässiger Sommer-Leichtigkeit eröffnet Mimi ihr elftes Studioalbum "E=MC²". Ähnlichkeiten mit physikalischen Formeln einst lebender Personen sind nicht zufällig, sondern als Wortspiel mit ihren Initialen zu verstehen.
"Touch My Body" klopft ordentlich auf den Dance-Busch und schreitet über jeden Zweifel erhaben aus den Boxen. Auch "Cruise Control" (feat. Damian Marley) liefert gutes Tanzflächen-Futter. Auf "I Stay In Love" drückt sich Mariah Carey die erste Ballade aus der Kehle. Ganz ehrlich, nicht mein Fall. Da gibt es weit bessere Hooklines.
Mit "Side Effects" (feat. Young Jeezy) wagt sich Mimi mit breitem Synthiebrass-Bass und ungewöhnlicher Melodieführung wieder weiter aus dem R'n'B-Fenster. Gut so. Die coole Laid Back-Attitüde des Songs kommt vor allem bei Young Jeezys Raps hervorragend zur Geltung.
"I'm That Chick" synkopiert einen dezenten Funk mittels Four-To-The-Floor-Beat Richtung Tanzboden. Der süßliche Gesang unterstreicht die Sorglosigkeit, mit der der Track zu punkten versucht. Leider geht der Schuss daneben und Song Nummer sechs wird als Albumfüller kaum Musikgeschichte schreiben. In die Annalen der Liedhistorie wird auch das folgende "Love Story" nicht eingehen.
Auf "I'll Be Lovin' U Long Time" geht Frau Carey wieder kernig zur Sache. Ich gebe zu, diese Brasssynthies mit ihrem ganz eigenen Retrochic haben es mir angetan. "Last Kiss" schlägt, dieses Mal mit voller Wucht, erneut in die Balladen-Kerbe. Sie dient zwar emotional nicht unbedingt als auditives Identifikationsobjekt, aber die Ansprüche an eine Ballade mit Wiedererkennungswert werden erfüllt. Noch besser agiert Mariah allerdings auf dem folgenden "Thanx 4 Nothin'". Da könnte gar eine Single drin sein.
Mit "O.O.C." nähern wir uns dem Plattenende. Mit ein klein wenig Latin gewürzt bedient "O.O.C." die Mid-Tempo-Bedürfnisse der Fans. "For The Record" wildert mit Rückwärtsloops, synthetischen Pizzicato-Strings und einem tollen Refrain im R'n'B-Revier. Mimi wills Richtung Finish noch mal wissen. Am meisten begeistert mich an "For The Record" jedoch die Bridge nach dem ersten Refrain. Die schießt rhythmisch einen bunt schillernden Vogel ab. Toll!
"Bye Bye" besingt zwar noch nicht das Ende, im Refrain verabschiedet sich Mariah jedoch schon mal von ihrer Band. Denn auf "I Wish You Well", das einen würdigen Schlusspunkt setzt, verlässt sich Mimi nur auf die gospel-soulige Klavierbegleitung. Auf dieser Grundlage kann MC den Umfang und die emotionale Kraft ihres Organs noch einmal voll aussingen.
"I Wish You Well" gehört definitiv zu den Highlights des Albums, transportiert dieser Song doch besser als alle gut polierten R'n'B-Nummern, über welche emotionale Ausdruckskraft die Carey tatsächlich verfügt. Von ihrem gigantischen Stimmumfang ganz abgesehen.
Was bleibt als Fazit? Maria Carey ist wieder oben auf! Authentisch, kreativ und für ihr Genre Maßstäbe setzend, landet sie mit "E=MC²" einen großen Wurf. Nummer eins-Hits platziert man natürlich nicht mit Genregrenzen auslotenden Experimenten, wie es Erykah Badu jüngst versuchte.
In diesem Sinne erfindet Mimi auf "E=MC²" prächtige Popmusik, die den zeitgemäßen R'n'B-Klischees einen kleinen Blick in die Zukunft des Genres gewährt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
21 Kommentare
ich hätte ja mit einem verriss gerechnet...
kann man sich täuschen
aber im ernst, aus einem popmusikalischen Standpunkt betrachtet, ist es ein tolles Album. Mein Anspieltipp ist definitiv die 14 "I Wish You Well" und der Opener "Mirage"...
so wie weiland pur?
Ihr kommerzielles Potential darf man doch arg in Zweifel ziehen. In der Rezension wird darauf hingewiesen, dass Mariah die Beatles bald an #1-Hits auf den zweiten Platz verweisen wird. Leider hat man nicht hinzugefügt, dass sich die Chart-Platzierungen in den USA aus Verkäufen und Radio Airplay zusammensetzen. Da weiß doch jeder, dass die Plattenfirmen die Radiosender bezahlen, um eben diese Lieder zu spielen. Die Singles wurden auch schon etliche male zu Billigst- oder Dumpingpreisen verkauft.
Sie mag zwar mit dem Album wieder etwas besseres hingelegt haben als sonst, aber die Frau ist und bleibt ein riesiger Fake.
E=MC² steht für Emancipation equals Mariah Carey to the second power,
da das Album eine art "Part II" des Vorgängers "The Emancipation Of Mimi" sein soll.. also nix mit Energy
die Lieder 12,14,1,5,8,10 und evtl. noch 11 sind ganz ok..
3,5/5
Bis auf die Oktavenbandbreite ist bei Mariah Carey seit jeher alles platikpopweichspülkommerz-Grütze. Musikalisch gesehen völlig unwichtig diese Frau.