laut.de-Kritik
Der Laschet des Pop feiert das private Glück.
Review von Dominik LippeMark Forsters Musik gilt als harmloser Pop. Das stimmt jedoch nur bedingt. Erinnert sei an seinen großen Hit "Sowieso", in dem er die Zumutungen am unteren Ende der Nahrungskette als "stranges kleines Leben" verharmlost und in der Manier eines Armin Laschet dafür wirbt, auf eine bessere Zukunft zu hoffen, die sich schon irgendwann irgendwie einstellen wird. Im dazugehörigen Video ergibt sich Milan Peschel schrittweise seinem auch visuell eingefangenen grauen Alltag. Bevor ihn der Überdruss endgültig übermannt, fügt er sich mit einer Tanzeinlage dem Gute-Laune-Diktat.
Auf "Musketiere" tritt diese Kapitulationsforderung nur noch vereinzelt als leise Ermahnung auf. "Du willst die ganze Welt in Moll und ich weiß nicht, was es soll, doch dein Herz ist nicht kaputt", erklärt er etwa in "Mellow Mellow". Doch im Kern seines fünften Albums steht das private Glück. In "OK Wow" kündet Vogelgezwitscher von einer heraufziehenden Romanze: "Mein Herz war taub. Dein Name steht jetzt drauf." In der irrigen Annahme, die Anhängerschaft mit Platzhaltern wie "Dein Name" leichter zu erreichen, texten Mark Forster und sein Team genreüblich möglichst vage.
"Willst du mich wie ich dich?", fragt er im folgenden Song Mathea, die ihrerseits skeptisch auf die Fragerei reagiert: "Fragst immer nach, obwohl es keinen anderen gibt." Doch bei den auf putzig getrimmten Pop-Sängern zeigt sich die toxische Ader grundsätzlich mit Zuckerguss überzogen. "Ich hab' diese zweite Seite", gibt er dann auch zu, um seine Forderung noch einmal zu unterstreichen: "Ich will dich für mich alleine." Während im Hintergrund noch kindisch fröhliche Sounds erklingen, sitzt die Sängerin vor dem geistigen Auge der Hörerschaft bereits mit Ketten fixiert in Forsters Keller.
Schon im folgenden Song "Drei Uhr Nachts" tauscht er die glücklose Mathea gegen Lea aus. "Ist noch irgendjemand wach? Ich bin allein hier, drei Uhr nachts", stellt Mark Forster fest, um sich daraufhin "irgendwie abzulenken", indem er durch sein Telefonbuch creept: "Ich ruf' jeden an, den ich kenn'." Aus unerfindlichen Gründen klingt es dann aber so, als lüden die beiden zum Mitsingen ein. Wieso erzählen sie von Sehnsucht und Schlaflosigkeit, wenn sie diese nur vom Hörensagen kennen? Und welcher Produzent kommt auf die Idee, diese Themen als tanzbares Spaß-Liedchen zu verpacken?
Eine deutliche Diskrepanz zwischen Musik und Aussage weist auch "Bist Du Okay" auf. "Ich kam zurück und hab' von Weitem schon gesehen, dass du dich quälst. Sag', bist du OK?", fragt Forster einen lieben Mitmenschen mit lobenswerter Fürsorge. Dem Produktionsteam entgeht offenbar der Ernst der Lage, wenn es den Song in unpassende House-Gefilde lenkt. Die Marketingabteilung wittert unterdessen einen Bezug zum Drogenkonsum und lässt eine radiotaugliche Warnung einbauen. Ob der angesprochene Mitmensch denn nicht wisse, "dass sich jeden Tag betäuben gefährlich" sei?
Auch wenn Mark Forster das Szenario bewusst unscharf formuliert, dürften sich krisengebeutelte Menschen verschaukelt vorkommen. In anderen Fällen geht der gebürtige Pfälzer stringenter ans Werk. Das auf Streicher beschränkte "Nur Ein Traum" gehört bei aller Gefälligkeit ebenso zu den stärksten Stücken wie das von einer Akustikgitarre begleitete Kinderlied "Monster". Auch das überschnappende "Übermorgen" wirkt mit Pur-Touch und Synthie-Sound zumindest in sich stimmig. Entwaffnend sympathisch kommt zudem der Titelsong daher, den er seinem Nachwuchs widmet.
Die gering dosierten autobiografischen Elemente finden in "Leichtsinn" ihren Höhepunkt. "Mein Song läuft gerad' im Radio. Wir hören die letzte Hook noch gerade so. Das ist der, den du gekriegt hast als Sprachmemo", singt er in intimer Atmosphäre. Erstmals lässt sich das lyrische Ich deutlich mit ihm gleichsetzen. Dazu singt im Hintergrund eine weibliche Stimme, die verblüffend wie eine alte Bekannte klingt, deren Namen die Titelliste von "Musketiere" jedoch verheimlicht. So wahrt Mark Forster mit unpräzisen Pop-Songs weiterhin die Distanz zu nahegehender Kunst und dem eigenen Publikum.
14 Kommentare mit 22 Antworten
Ungehört 0/5.
Mit Lea Feature ungehört -5 von -5, da ham sich zwei gefunden.
Wie blöde auch, überhaupt auf einzelne "Messages" einzugehen und dabei so zu tun, als seien diese seinen eigenen Hirnwindungen entsprungen. Ist bei Laschet aber ähnlich, passt also wieder.
Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.
eine zehn von zehn der Herzen. *rofl*
Hast PN
❤️❤️❤️
Forster hören ist wie Comics lesen. Man lacht kurz und legts für immer beiseite.
Wenn man sich nur in Entenhausen rumtreibt...
Barks & Co haben diesen Vergleich doch auch nicht verdient. Comics überhaupt ein Universum, in dem man als leidlich intelligenter Mensch für Jahre versinken könnte, wenn man die Zeit denn hätte, glaube ich.
Das ist allerdings wahr. Adressatengerecht empfehle ich die Lost Girls.
Ich bin nicht ganz sicher, ob es mir schmeichelt, dass du mir „adressatengerecht“ ausgerechnet Moores Pornoschmöker nahe legst
Aber hey, über Watchmen und From Hell hab ich’s tatsächlich noch nicht hinaus geschafft. Wenn Zeit und Lust also mal wieder günstig zusammenfallen, weiß ich ja jetzt, wo ich ansetzen kann. Merci!