laut.de-Kritik

Den Ex-Youtuber beschäftigen nicht nur Prahlerei und Kampfansage.

Review von

"Dieses Album ist der Wahnsinn", behauptet Mert auf "Alpha Omega". Dem vormaligen Youtuber mangelt es definitiv nicht an Selbstbewusstsein. "Delikanlı" bedeutet so viel wie junger oder tugendhafter Mann, manchmal auch Bursche. Die mehrdeutige Übersetzung des Titels ist eine Referenz an den Aufbau der Platte.

Der Longplayer besteht aus zwei Hälften. Beide umfassen je acht Songs. Die erste heißt "Deli" (deutsch: verrückt), die zweite "Kanlı" (deutsch: blutig). Durch diese Unterteilung werden die tendenziell leicht verdaulichen Tracks von den härteren getrennt. Da die gängigen Streamingportale die Aufteilung nicht übernommen haben, erkennen ausschließlich Käufer der CD ihren roten Faden. Zwischen den Hälften finden sich mit Muko (Merts langjähriger Produzent), Play69, Puri (Platin Produzent, zweimal vertreten), Dopebwoy (niederländischer Rapper) und Mazer vier Featuregäste. Dopebwoy und Puri verewigten sich, nebenbei bemerkt, erst kürzlich auf "Frontal" von Majoe.

Inhaltlich erzählt Mert größtenteils nichts, das man nicht schon einmal woanders gehört hätte. Mula (Geld) hat wie immer die oberste Priorität. Frauen und Autos kommen auch nicht zu kurz. Eine gelungene Ausnahme bildet "Ekşi". Hier beweist Mert ein Händchen für die Behandlung persönlicher Themen. Er äußert unter anderem glaubwürdig den Wunsch, selbst zu sterben, bevor es eines seiner Familienmitglieder tut.

Fernab der eigenen Verwandtschaft verdienen Zeilen wie "Du willst 'ne gute Frau? Sei erst mal ein vernünftiger Mann" Respekt. Sie veranschaulichen, dass ihm neben Prahlerei und Kampfansagen noch andere Dinge durch den Kopf gehen. Nichtsdestotrotz führen derartige Lines die partytauglichen Nummern ("Kanaken Mit Para", "Kafa Denim", "Bas Gaza") teilweise ad absurdum. Besonders wenn es dort heißt: "Lan, du kleine Hure, ich bin eh Kafa dengim, was provozierst du mich, Alter". Aufgrund der dramatischen Untermalung und der stimmungsvollen Gestaltung gehört der Song trotzdem zu den stärkeren Nummern des Albums.

Zumindest ansatzweise schwermütig kommt der Titeltrack. Passenderweise arbeitet Mert Fehlverhalten der Kategorien Schule schwänzen oder Fach-Abi abbrechen auf. Er entschuldigt sich bei seinen Eltern und erklärt mit Autotune, weshalb er jetzt ein Delikanli sei. In diesem Zusammenhang wirkt es leicht befremdlich, dass Mert Runden im Benz zu drehen oder Geld zu schmeißen offensichtlich als tugendhaft ansieht: "Damals Fachabi geschmissen, war kein Delikanlı. Heute schmeiße ich mit Geld, bin ein Delikanlı."

Den bleibendsten Eindruck hinterlässt "Ob Du Willst Oder Nicht". Mert ruft die Hörer dazu auf, niemals aufzugeben und immer an ihren Träumen festzuhalten. Per se mag das nichts Besonderes sein, Mert transportiert die Thematik jedoch überraschend stark und unter Berücksichtigung seiner Vita kommt der Track besonders zur Geltung. Immerhin verschaffte er sich ohne große Hilfe sowohl mit seinem Youtube-Channel als auch mit seiner Musik Gehör. Er hebt nicht stumpf den Zeigefinger, sondern überzeugt eher mit der ein oder anderen Line: "Du musst dir deinen Respekt da draußen verdienen. Gib nicht auf, denn ein Ziel ist nur ein Traum mit Termin".

Von den übrigen Tracks gefallen "Mula", "Diggi" und "Beef". Sie bleiben im Ohr, stellen allerdings kaum ernsthafte Ansprüche an den Hörer. Dass diese Tracks, oder auch "Kafa Denim" und "Bas Gaza" mit ihren Laid-back-Anleihen, funktionieren, liegt hauptsächlich an Merts Stimme. Er variiert sie je nach Stimmung des Songs, und im Sumpf der unzähligen Gangsta-Rapper bietet sie durchaus Wiedererkennungswert.

Allgemein bewegt er sich mit "Delikanlı" lyrisch zwar eher auf einem überschaubaren Niveau, ab und an finden sich indessen feierbare Zeilen (die oben zitierte zähle ich dazu): "Ich bin nicht Spiderman, doch habe Feinde nur im Netz." (Beef) / "Lass dir nicht erzählen, du bist ein Versager, denn wenn dir etwas wichtig ist, dann gibt es kein Aber" (Ob Du Willst Oder Nicht).

Sein Image als Youtuber ist Mert definitiv los - Mission geglückt. Ähnlich wie der Vorgänger "Kunde Ist König" bietet "Delikanlı" einen mehr oder minder kurzweiligen Hörgenuss. Mert kommt zugute, dass er um Längen besser klingt als viele Gleichgesinnte, die sich ebenfalls der Straße verschreiben. Der einschlägige Stil des Albums orientiert sich am Status quo der deutschen Szene und stellt im Großen und Ganzen weder einen Totalausfall noch ein Pflichtprogramm dar. Vielmehr als einen akzeptablen Longplayer unterdessen auch nicht.

Trackliste

  1. 1. Inshallah Gold (feat. Muko)
  2. 2. Rolex & Air Max
  3. 3. Mula
  4. 4. Bas Gaza
  5. 5. Kanacken Mit Para (feat. Dopebwoy)
  6. 6. Labello
  7. 7. Kafa Denim
  8. 8. Delikanlı
  9. 9. Ekşi
  10. 10. Beef
  11. 11. Diggi (feat. Mazer)
  12. 12. 31812
  13. 13. Ruf Mich Nicht An
  14. 14. Alpha Omega (feat. Play69)
  15. 15. Abturn
  16. 16. Ob Du Willst Oder Nicht

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