laut.de-Kritik
Alte Haudegen feiern das eigene Überleben: mehr Metal geht nicht.
Review von Josef GasteigerWas für ein Tag: Am 22. Juni 2010 standen geballte 772 Jahre Schwermetall gemeinsam auf einer Bühne. Metallica, Slayer, Megadeth und Anthrax feierten das eigene Überleben. Davon zeugen zwei randvolle DVDs mit sechs Geschichtsstunden in Sachen harter Musik.
Denn viel ist passiert, seit man in den Achtzigern gemeinsam in der Underdog-Rolle ein neues Genre aus dem verschwitzten Bühnenboden der Bay Area stampfte. Die Mainstream-Werdung von Metallica schob den Thrash in die Ecke, die Wege mit den früheren Buddys kreutzten sich nicht mehr so oft. Metallica gingen steil, Mustaine war sauer, Anthrax gingen durch Sänger-Wechsel und Slayer waren einfach Slayer: böse.
Aber mit der Zeit verheilen auch die tiefsten Wunden. Unter dem Sonisphere-Banner tourten letzten Sommer die vier großen Bands des Thrash Metal auf sieben Konzerten durch Europa. Die angestrebte Nachfolge der legendären Monsters of Rock-Touren hat dieses Festival damit auch wirklich in der Tasche.
So steht am Nachmittag als erste Band Anthrax auf der Bühne des Vasil Levski Stadium in Sofia. Joey Belladonna ist singt wieder und hat sich dabei seit den Achtzigern kein Stück verändert. Sympathisch wie der Rest der Band tobt er über die Bretter, das Set richtet sich dabei auf die Frühwerke aus. So sehr, wie sich Scott Ian und Co. reinhängen, bekommt man glatt den Eindruck, sie müssten sich ein fremdes Publikum erspielen.
Das Vorband-Gefühl will nicht so schnell loslassen. Mal ehrlich: Ohne Metallica hätte diese Tour nicht bzw. nicht in diesem Ausmaß stattgefunden. Hetfield und Mitstreiter sind zwar immer die Ersten, die sich als "nur einer der Big 4" sehen. Der Größenunterschied bleibt trotzdem enorm. Metallica sind produktionstechnisch unangefochtener Headliner, kriegen doppelte Spielzeit, Pyro und großen Stepptanz. Das war Bedingung und von vornherein klar.
So haben Anthrax auch den sympathischen Underdog-Charme auf ihrer Seite, den Dave Mustaines Megadeth lange abgelegt haben. Mit den Eröffnungsakkorden von "Holy Wars.." öffnen sich die Himmelsschleusen und durchweichen die Megatöter bis auf die Biker-Boots. Die etwas steife Performance machen die komplexen Metal-Kracher zwar fast wieder wett, Mustaines Vocals haben aber schon mal bessere Tage gesehen.
Die Mustaine/Metallica-Historie dürfte allgemein bekannt sein. Dass Megadeth stets mehr sein Projekt waren als eine Band, auch. Trotzdem fliegen die Gitarrensoli messerscharf aus jeder Ecke des Rings, sehr zur Freude der schwarzbehemdeten Fanschar. Die hat Mustaine schon lange ins Herz geschlossen.
Was bei Metal-Konzerten immer funktioniert, ist roter Rauch, Marshall-Wände und Satan. Neben AC/DC ist Slayer vielleicht die einzige Band, die seit 30 Jahren das selbe Album macht und dafür frenetisch abgefeiert wird.
Hanneman und King, die Herren an den gehörnten Äxten, sehen wie immer nicht gerade nach Kinderfasching aus, die lebende Double-Bassdrum Dave Lombardo flitzt auch im für Metal biblischen Alter noch über die Pedale. Mit Perfektion prügeln sie sich durch die fiesesten und schnellsten Songs des Abends. Slayer spielen Slayer, finstere Mienen überall. Einzig dem gesundheitlich sichtlich angeschlagenen Tom Araya kommt hin und wieder ein Lächeln über die Lippen, wenn er sich am spärlichen Dialog mit dem Publikum versucht.
Dass auch böse Metaller zum Lachen nicht in den Keller gehen, zeigt auch die 45-minütige Dokumentation auf DVD 2. Unterhaltsames Pre-Show Geplänkel von allen Beteiligten und Gesprächsthemen von den Kindern bis zu den Vorteilen einer eigenen Kloschüssel. Tom Araya schleicht meist grinsend durchs Bild, Megadeth-Bassist Ellefson gibt eine Tour durch die Backstage-Zeltstadt und Anthrax wetten, wen der Regen von der Bühne spülen wird.
Nachdem Slayer es eine Stunde lang Blut regnen ließen, fahren Metallica die großen Geschütze auf. Bühne mit Rampen, und Videowalls in der Größe einer mittelgroßen Mehrzweckhalle, Elvis-Mikros überall. Von Anfang bis Ende schmeißen sie mit Klassikern um sich, die Metallica Weltruhm bescherten.
James Hetfield füllt mit seiner Bühnenpräsenz das Stadion ganz allein, auch wenn die Stimme stark nachgelassen hat. Beweisen muss die Band gar nichts mehr, bis zum letzten Ton haben sie die Bulgaren fest in der gen Himmel gereckten Faust. Wer "Master Of Puppets" nicht mitsingen kann, gehört sowieso nicht auf diesen Gig.
Nach dem obligatorischen Sandmännchen-Lied haben auch die drei Vorbands nochmal einen großen Moment. Vier Drummer, drei Bassisten, sechs Gitarristen und Mr. Die-Stimme-ist-mein-Instrument Belladonna jammen zusammen auf einer Bühne "Am I Evil?" von Diamond Head. Mitgezählt? Irgendwer fehlt da doch? Richtig, die Slayer-Saitenfraktion sparte sich den gemeinsamen Auftritt, wenngleich Araya und Hanneman zum abschließende Klassenfoto auf die Bühne traben. Ein schöner Moment, an dem die Beteiligten mindestens genauso viel Freude haben wie das Publikum. "Seek And Destroy" beschließt den Metal-Reigen nach fünf Stunden, 51 Songs und genug Gitarrensoli für ein Jahr.
Zurück bleibt ein unterhaltsamer Abend, bei dem die erwartete Nostalgie von aktueller Spiel- und Lebensfreude vier toller Metalbands verdrängt wurde. Hoch mit der Pommesgabel!
24 Kommentare
Ist schon 'n Brett: Wer hätte das vor ein paar jahren schon gedacht? Anthrax, Megadeth, Metallica und Slayer auf einer Bühne? Mich ärgert es etwas, dass Metallica die größte Spielzeit bekommen, allerdings ist das sowieso obligatorisch. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass vor allem Slayer eigentlich garnicht Bock auf das Spektakel hatten und nur des Geldes wegen mitgemacht haben. Was ich durchaus nachvollziehen kann.
Geile Sache die Spass macht (selbst Slayer - so ca 1 Lied lang )
@ ultraviolet:
das hab ich mir am nürburgring auch gedacht
Naja die Songs klingen aber beliebig austauschbar Und die Gitarrensoli sind einfach nur peinlich. Trotzdem ist Araya ne coole Sau - und die Frau -wow Hier isse:
http://i.fanpix.net/images/orig/1/j/1jhg3a…
Ich hab Slayer sowohl auf Festivals als auch auf ner Solo-Tour gesehen. Ich schließe mich JaDeVin ausnahmslos an. Die Band zockt sowas von lustlos ihr Set runter, dass sogar bei der Vorgruppe Trivium mehr Stimmung war. Peinlich.
mal abgesehen von den geschmacksunterschieden hier...in dem bericht fehlt eindeutig dass metallica mittlerweile eine grottige live band sind (was meiner meinung nach an Ulrich liegt) und es ist eine bodenlose frechheit ist sich dann als headliner vor so technisch perfekten performances wie von slayer und megadeth zu stellen