2. Oktober 2013

"Wir werden sogar beim Einkaufen gefilmt"

Interview geführt von

Pünktlich zur Europa-Premiere des 3D-Kinospektakels "Through The Never" laden die beiden Metallica-Mitglieder Robert Trujillo und Lars Ulrich zur Gesprächsrunde. Doch aus der Vorfreude auf eine Unterhaltung mit der erfolgreichsten Metal-Combo der vergangenen drei Jahrzehnte, wird irgendwann Wut, Frust und Ohnmacht.

Ein Interview ist keineswegs immer ein Gespräch unter vier Augen. Denn je dicker der Fisch, desto größer der Andrang. Und so kann aus einem Vieraugengespräch auch ganz schnell mal ein Achtzehnaugengespräch werden. So etwas nennt man dann "Roundtable".

Mit etwas Glück hat der Künstler (wie zuletzt Marilyn Manson) ein Einsehen und füllt die Zeit einfach mit einem Monolog, sodass die gegenüber sitzenden Neugierigen gar nicht erst zum Fragenstellen kommen. Im Normalfall jedoch balgen sich die Schreiberlinge um die Aufmerksamkeit ihres Gesprächspartners wie kleine Hundewelpen um Mamas Zitzen und kitzeln damit doch nur die Diva raus. So geschehen einige Tage vor der "Through The Never"-Europapremiere im Berliner Ritz-Carlton Hotel. Dort waren nämlich die Herren Lars Ulrich und Robert Trujillo zugegen, um der anwesenden Presse Rede und Antwort zu stehen.

Der für uns vorgesehene Slot sollte um 14 Uhr starten. Man solle aber bitte doch schon eine halbe Stunde vorher eintreffen, da man bei einem derart groß angelegten "Event" nie wissen könne, ob sich der Terminplan nicht um eine halbe Stunde nach vorne oder hinten verschiebt. Klar doch. Kein Problem. Hier geht's ja schließlich um Metallica.

So betreten wir das feudale Gebäude also gut dreißig Minuten vor dem Termin. Im ersten Stock angekommen, versammeln sich bereits unzählige Kollegen vor den liebevoll eingerahmten Kinoplakaten. Wir gesellen uns dazu. Plötzlich nimmt uns die zuständige Promo-Dame beiseite und setzt ein Es-tut-mir-echt-furchtbar-Leid-Gesicht auf: "Sorry, wir können nichts dafür. Aber das zieht sich hier mindestens noch eine Stunde", flüstert sie uns ins Ohr.

Das ist doch echt zum Kotzen hier.

Sie sei auch schon ganz genervt. Die beiden Metallica-Mitglieder hätten gerade erst das Hotel-Restaurant erreicht und würden jetzt gerne erst einmal in Ruhe speisen, so die Frau. Eine Stunde später versammeln wir uns also abermals vor dem Anmeldebereich für die Interviews. Man sagt uns, dass es leider immer noch nicht klar sei, wann es denn losgehen soll. Ein wartender Kollege lässt seinem Unmut freien Lauf: "Das ist doch echt zum Kotzen hier. Ich hocke hier schon fast zwei Stunden. Eben gerade höre ich, dass die Herren Rockstars wohl lieber irgendwo Frisbee spielen, anstatt sich hier um ihren Job zu kümmern."

Die Horde wartender Journalisten steht kurz vor der Meuterei, als plötzlich ein Licht am Ende des Tunnels erscheint: "Es dauert nicht mehr lange. Die Roundtable-Gruppe kann sich schon mal sammeln", ruft die Promo-Dame in die Runde.

Kurz bevor wir uns dann geschlossen an besagtem "Roundtable" versammeln, gibt uns eine weitere Promo-Angestellte noch schnell eine wichtigen Rat mit auf den Weg: "Bitte denkt daran, dass Lars die Angewohnheit hat, immer sehr ausführlich zu antworten. Also bitte: Stellt nur Fragen, die wirklich wichtig sind und euch auch am Herzen liegen. Denkt dran: Die Zeit ist knapp."

Doch der gute Lars glänzt erst einmal durch Abwesenheit. Und so hängen zunächst alle an den Lippen von Bassist Robert Trujillo. Der eröffnet die Runde mit freundlichen Handshakes und einem brummigen Gähner: "Wir kommen gerade direkt aus Toronto und haben nur drei Stunden geschlafen", so der bullige Amerikaner.

Unser Mitleid hält sich jedoch in Grenzen; denn der Ärger über die elendig lange Wartezeit ist noch nicht verflogen. So richtig aufmucken will aber keiner. Schließlich ist jede Minute kostbar. Voll des Vertrauens, dass auch jeder der Anwesenden den kurz zuvor erhaltenen "Tipp" der Organisation noch auf dem Schirm hat, überlassen wir den Einstieg den Ungeduldigsten in der Runde – ein großer Fehler, wie sich in der Folgezeit herausstellen soll. Und so schmunzeln Robert Trujillo und der nach fünf Minuten sich dazugesellende Lars Ulrich über Kopfschüttel-Fragen wie: "Warum habt ihr euch für Dane DeHaan als Hauptdarsteller entschieden?" und "Wird es irgendwann zu einer "Some Kind Of Monster"-Fortsetzung kommen?". Wie bereits angedroht, nimmt sich insbesondere Lars Ulrich viel Zeit für die Antworten. Zum Thema "Some Kind Of Monster": "Warum sollten wir noch eine Dokumentation machen? Ich meine, 'Some Kind Of Monster' ist jetzt zehn Jahre her. Diese Phase und das daraus entstandene Produkt waren ohne Zweifel immens wichtig für die Band; denn es ging nicht um das klassische Rockband-Leben, sondern um die zwischenmenschlichen Dramen, die sich manchmal hinter den Kulissen abspielen.

Mittlerweile kann sich aber jeder da draußen seine eigene Band-Doku selbst zusammenstellen. Schau dich doch einfach auf den Konzerten um. Wenn wir heute eine Show spielen, werden wir von 15.000 IPhones aufgenommen. Überall wo wir hingehen, blinken unzählige rote Lämpchen auf. Selbst wenn wir einkaufen gehen, werden wir aufgenommen. Wozu also noch eine weitere Band-Doku? Nimm dir Zeit, geh ins Internet und schneide dir deine eigene Doku zusammen. Du willst wissen, was Backstage abgeht? Oder sonst irgendwo, wo vor zehn oder fünfzehn Jahren noch alles abgeriegelt war? Metallica sind transparenter denn je. Es gibt nichts über uns, was wir aufnehmen könnten, das es nicht schon irgendwo im Netz zu sehen gibt", sagt der Drummer, während er fleißig an einem Zahnstocher herumkaut.

Die Bühne ist ein Killer

Zur Personalie Dane DeHaan nimmt Robert Trujillo Stellung: "Er ist einfach ein toller Schauspieler, der in der Lage ist, auch ohne viel Text, Emotionen zu transportieren. Er war unsere erste Wahl", so der Bassist.

Weitere ausufernde Lobgesänge über die eingebrachte Energie des Jungschauspielers können wir uns an dieser Stelle aber getrost sparen; denn sie gehen über das standardisierte super-toll-und-klasse-Blabla nicht hinaus.

Die Minuten rattern runter. Wir sind verzweifelt. Wen interessiert denn bitte eine Frage nach einem Schauspieler, der innerhalb von 92 Minuten nur zweimal den Mund aufmacht? Und "Some Kind Of Monster"? Hallo? Wir wollen wissen, ob die extra für den Film designte Bühne auch auf Tour zum Einsatz kommen wird. Wir wollen auch wissen, wie man sich überhaupt auf die Musik konzentrieren kann, wenn neben, unter und über einem das pure Chaos herrscht. Zum Glück hat Lars irgendwann ein Einsehen und gönnt uns wenigstens einen Bruchteil an gehaltvollen Informationen: "Die Bühne ist ein Killer – keine Frage. Wir kennen uns ja mittlerweile ganz gut aus mit surrenden Kameras und Pyro-Effekten. Aber diese Bühne ist wirklich etwas Besonderes. Es gibt keinen Moment, indem nicht gerade irgendwo irgendetwas passiert. Das ist schon eine ziemliche Herausforderung und bisweilen auch nicht ungefährlich. Aber wir stehen auf Herausforderungen.

Ob wir das Monstrum allerdings irgendwann einmal mit auf Tour nehmen werden, kann ich nicht sagen. Wir warten jetzt erst einmal die Reaktionen auf den Film ab und werden uns danach zusammensetzen und gucken, wie es weitergeht. Im Übrigen: Wir werden uns nächstes Jahr um ein neues Album kümmern. Falls das hier noch jemanden interessiert."

Und ob uns das interessiert. Wie auch vieles andere. Doch die Zeit ist um. Mit einem Grinsen im Gesicht verabschieden sich Lars und Robert vom ernüchtert dreinblickenden Kollektiv. Draußen wartet schon die nächste Gemeinschaft. Ich hasse Roundtables.

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Metallica

Ob der kleine Lars Ulrich in seinem mit Deep Purple-Postern beklebtem Zimmer in Kopenhagen schon daran gedacht hat, einmal die größte Heavy Metal-Kapelle …

6 Kommentare mit 3 Antworten