laut.de-Kritik
Das Style-Hopping nimmt man Paddy nicht ab.
Review von Eberhard DoblerDie im Mainstream-Pop verankerten Qualitäten Michael Patrick Kellys sind bekannt: Der Musiker pendelt unfallfrei zwischen Folkpop-Roots, klassischem Poprock und einem Hauch von Stadion à la Coldplay. Neuerdings liefert er gar das ein oder andere Feelgood-Stück im Offbeat-Modus mit.
Die Singer/Songwriter-Expertise spielt Kelly auch auf Album Nummer fünf lehrbuchmäßig aus: "B.O.A.T.S." ist eine jener Platten, die im Prinzip nicht stören, weil sie zu gut gemacht sind. Der Plattentitel steht für 'Based On A True Story', alle Stücke fußen in wahren Geschichten, die der demnächst 44-Jährige auf zahlreichen Reisen erlebt hat. Etwa Begegnungen mit Gefängnisinsassen oder einem blinden Leichtathleten, aber auch die Erinnerungen an den frühen Tod der Mutter kommen zum Tragen.
Beim zurückhaltend instrumentierten, akustischen Opener, dem Titeltrack, sowie später bei "Icon" denkt man immer mal wieder an die 70er. Eine Komposition wie "Diamonds & Metalls" hätte ihren Weg vielleicht auch auf ein Simple Minds-Album finden können.
Die dritte Single "Blurry Eyes" ist dagegen eine jener "Wetten dass..?"-tauglichen Klavier-basierten Standard-Balladen, die manche eben heiß und innig lieben. "Paragliding" geht denselben Weg, nur ohne Drums. "Earthquake" bietet wieder typischen Poprock. Nicht mehr als Stangenware kommt auch beim Duett mit "Sing Meinen Song"-Kollegin Ilse DeLange rüber ("The World").
Die beiden Vorabauskopplungen "Beautiful Madness" und "Throwback" greifen den eingangs erwähnten Reggae-Einschlag des Titeltracks des letzten Studioalbums "ID" auf. Noch mehr aus dem Rahmen fällt "Fake Messiah" mit programmiertem Clubbeat plus dosiertem Vocodereinsatz: Songs wie diese klingen maximal weit von der Kelly Family entfernt. Ähnliches gilt für das eingängige "Mother's Day", eine Art hymnisch angelegter Adult Pop.
Aber Paddy toppt die eben erwähnten Tracks stilistisch noch mal locker: Das im Plattenkontext schnelle "America", ein Appell an das gute Amerika, endlich für seine liberalen Traditionen aufzustehen, kommt tatsächlich mit einem Hardrock-Refrain daher. Und selbst, wenn hier Härte und Message sinnhaft zusammen gehen mögen, stellt die stilistische Bandbreite - von der Klavierballade, über Reggae- und Club-Anleihen bis hin zu hartem Rock - den Knackpunkt dar: Hat man das Recht, sich auszuprobieren? Soll man sich im Laufe seiner Musikkarriere weiterentwickeln? Unbedingt! Aber spiegelt der Weg am Ende auch eine gewisse innere Logik wider?
Dem mit Sicherheit sympathischen Musiker, der einst der Kelly Family den Hit "An Angel" bescherte, nimmt man die besagten stilistischen Wandlungen, hier auf engstem Raum vorgeführt, nicht wirklich ab. Diese existieren in erster Linie auf dem Notenblatt: Am authentischsten klingt Paddys Stimme nun mal im Kontext von Songs wie "Thank You" oder "Blurry Eyes", der Ballade am Klavier, dem Gitarrenpop am Lagerfeuer.
Für Fans trotzdem interessant: Die Platte erscheint daneben als limitiertes Box-Set samt exklusivem Inhalt: ein Demo-Vinyl, ein Polaroid von Paddy, Fotobooklet sowie ein Ticket für das Konzert am 25. Juni 2022 auf der Freilichtbühne Loreley (vor Ort oder online). Wer registriert ist, kann dann auch über die Setlist mitbestimmen.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Warum soll man ihm die stilistischen Wandlungen nicht abnehmen? Die besten Songs des Albums sind nun mal 'Blurry eyes' und 'America'. Und es wäre schade, wenn einer dieser Songs gefehlt hätte. Du hättest schreiben sollen: Ich nehme ihm die stilistischen Wandlungen nicht ab...????
Das Review nehme ich Ihnen nicht ab. Man kann förmlich aus den Zeilen herauslesen, dass Sie so gerne etwas an dem Album aussetzen wollen, aber beim besten Willen nicht wirklich etwas finden, über das sie meckern können.
Das hätte ich nicht besser sagen können
Und warum muss ein Weg, eine Entwicklung logisch sein? Dann wäre es ja Kalkül und nicht Evolution! Ich nehme einem Michael Patrick Kelly auch die Bandbreite der Songs ab. Die liegt nämlich in seinen Wurzeln begründet und genau dadurch kann er sein musikalisches Erbe als Mitglied der Familie Kelly (das war jetzt Absicht!) nicht leugnen. Für mich ist er allerdings der professionellste Kelly, der alles in seine Songs packt was er für nötig hält. Schmalz, Tränendrüse, Fun, Rhythmus, coole Texte..... alles da. Vielseitig, gegensätzlich und garantiert nie langweilig.
Da hast du sowas von Recht
Ich halte den Review auch für misslungen. Seit etwa einer Woche läuft das Album im Auto in Dauerschleife (meine Kids stehen drauf und ich schließe mich dem sehr gerne an), ich habe es also etwa schon 10x durchgehört. Und ich bin wirklich ein aufmerksamer Müsikhörer und finde es stilistisch sehr aus einem Guss!! Harmonisch passiert in keinem der Stücke irgendetwas Aufregendes (das eint alle Stücke und ist der Basis Folk / Pop einfach geschuldet) aber aus diesem (selbst auferlegt?) begrenzten Fundus werden großartige Arrangements mit Anleihen aus verschiedenen Stilrichtungen gebildet, die von seiner ungewöhnlich hohen, sehr klaren und auch rhythmisch sehr präzisen Stimme getrieben werden. Das muss man erst mal können. Ob man die Texte nun als Schmalz und Tränendrüse oder einfach als im gegenwärtigen Zeitgeist wohltuend klare Statements und anrührende Geschichten bezeichnen mag, ist jedem Überlassen - ich tendiere trotz meiner sonst eher zurückhaltenden Begeisterung für alles, wo "Kelly" draufsteht, zu letzterem.