laut.de-Kritik
Der Dylan von Dinslaken mit Herz, Hirn und Hitmix.
Review von Franz TannerMichael Wendler hat viel Spott dafür bekommen, als er sich in seiner Wahlheimat, den USA, einst als "German King Of Pop" bezeichnet hat. Viele empfanden diesen Vergleich mit Michael Jackson als anmaßend, vor allem für einen vermeintlichen Schlagerhöllen-Kleinkaliber wie den Wendler.
In Wahrheit fällt er noch zu bescheiden aus. Während sich Jackson seine Hits von Nobelsongschreibern entwerfen ließ oder selbst schrieb, hat Wendler eine revolutionäre neue Kreativtechnik entwickelt: Er nahm im Fieldrecording einen Tag im Autodrom-Land bei der Kirmes auf und machte ein "Album" daraus. Zumindest klingt "Stunde Null" so.
Auf diese Tour ist Wendlers neues Werk genau das Album geworden, das man von ihm erwartet hat. Eines mit elfminütigem Hitmix am Schluss, ein derartiger Hitmix ist Pflicht in der Autodrom-Schlagerszene. Dabei gibt sich der 47-jährige Sympathieträger aus der Musikmetropole Dinslaken über die ganze Länge trotz Autotune bemerkenswert stimmschwach.
Lyrisch ist "Stunde Null" eine Reise durch die Irrungen der Liebe und durch das eigene Befinden. Da eine formale literarische Analyse, die eigentlich angemessen, würdig und recht wäre, den Rahmen einer Rezension deutlich sprengte, hier eine Auflistung der zehn Dinge, die wir über den komplizierten Charakter Michael Wendler aufgrund der Texte dieses Großwerks gelernt haben:
1. Er kommt nicht in den Himmel, auch weil er Zigarre raucht, obwohl das seine Nachbarn nicht mögen.
2. Er vermisst dich wie die Hölle und du fehlst ihm hier total.
3. Er ist immer wieder mal im Arsch, aber trotzdem ein liebenswerter Typ.
4. Er denkt gerne an seine erste Liebe zurück. Ob sie das auch tut, bleibt fraglich.
5. Er wird von Frauen auch mal ausgenutzt und hatte schon eine, die ihre Schuhe mehr liebte als ihn.
6. Er haut oft auf die Kacke, hat aber auch viel Tiefgang.
7. Aufgrund seiner Lebenserfahrung hat er gerade in puncto Frauen großes psychologisches Einfühlungsvermögen.
8. Er fühlt sich oft ungerecht behandelt.
9. Er fühlt sich von den Erwartungen mancher Partnerinnen erdrückt: Zu hoch sind die Ansprüche an einen Kerl wie ihn.
10. Er ist ein Desperado, ein Raubein, aber eins mit Herz, Hirn und Hitmix.
Mit "Stunde Null" zeigt sich der Wendler einmal mehr als kreatives Schwergewicht. Sein Album wird international noch für viel Aufmerksamkeit sorgen und Wendler als das etablieren, das er längst ist: einer der größten Künstler des Landes, ein Visionär und Lyriker, ein Goldschatz aus Dinslaken, ein Ladies' Man wie Cohen, ein Enigma wie Dylan, ein Sangesgott wie Orpheus. Darauf eine Extra-Runde Autodrom!
15 Kommentare mit einer Antwort
Hätte durchaus noch eine fünfzehnminütige Autotune-Hymne mit dem Namen "Ich liebe dich, egal ob du Achtzehn bist" erwartet. Daher Punkt Abzug.
Schöner Text!
Da ich diese Woche das Konzert eines gewissen Robert Zimmermann besuchen durfte, möchte ich vorsichtig widersprechen. Mein alliterierender Alternativvorschlag: "Der dumpfe Dandy von Dinslaken denkt dauernd dasselbe: Diridari!"
er zieht einfach durch. ehrenmann.
"...mit Herz, Hirn und Hitmix"
Das sind ja gleich drei Lügen auf einmal.
Wenn du dich gerade noch über DIeter feat. Bolen sein Plattencover aufregst und so bei diur denkst, beschissener geht ja wohl nicht mehr... zack, Wendler so "Hold my Autoreifen! Oder warte, ich halt lieber selber!"