laut.de-Kritik

Amour fou trifft auf australische Coolness.

Review von

Die Neuveröffentlichung von "Intoxicated Man" und "Pink Elephants" sowie die anschließende Tour haben den Kanadier wohl ermutigt, nach einer längeren Pause mit "Delirium Tremens" ein weiteres Album mit Serge Gainsbourg-Songs zu veröffentlichen. Der reservierte Anzugträger aus Australien, jahrzehntelanger Sidekick Nick Caves, interpretiert also abermals die Stücke seines Heroen, der zu Lebzeiten das Rampenlicht wie die verqualmte Luft zum Atmen brauchte. Wie gut die Symbiose funktioniert, bezeugt schon Track Nummer eins, "The Man With The Cabbage Head". Allein für folgende Zeilen lohnt sich das Reinhören: "I am the man with the cabbage head/ half-guy, vegetable from the neck."

Im hitzig-schwülen Mambo "Coffee Colour" besingt Gainsbourg seine Vorliebe für braun geröstete Frauenkörper: "Love without philosophy/ It’s like good coffee/ quickly and petit." Hachja, welche Frau würde diese Worte nicht gerne an sich adressiert wissen? Dieser Paradiesvogel von einem Song wird gleichsam verspielt und federleicht von Harveys Stamm-Band zum Besten gegeben.

Das war es dann aber auch erstmal mit Gainsbourgscher Flüster-Erotik. Das krasse Kontrastprogramm leitet das wahnwitzige "SS C'est Bon" ein. Ohne an Sinn einzubüßen, gelingt Harvey das Kunststück, die stakkatohaften Lyrics des Originals ins Englische zu übertragen. Gainsbourgs ätzender Humor wird in der Version Harveys hintenangestellt, hier klingt er einfach nur noch böse. Die Provokation hat Harvey aber ebenso drauf. Begleitet von Rammstein-typischen Riffs wird mal eben zur Mitte der Laufzeit die zweite Strophe des Deutschlandlieds angestimmt. Hui!

Schon im nächsten Track drückt Harvey gehörig auf die Bremse. Quälend langsam schleicht das verstörende "I Envisage" im stoischen 4/4-Takt. Der vielschichtigen Instrumentierung werden nach und nach Sound-Effekte beigefügt, die für ein seltsam oszillierendes Klangbild sorgen.

Gerade weil Harvey sich im Arrangement der Songs nicht weit vom Original-Material weg bewegt, tritt der große Gegensatz im Gesang um so deutlicher zutage. Gainsbourg arbeitet mit allem, was ihm zur Verfügung steht: mal elektrisierend, herausfordernd, provokant, mal flüsternd, umgarnend, rätselhaft. Auf jeden Fall bis zum Schluss unberechenbar. Harvey belässt es dagegen bei einen unterkühlten, distanzierten Sprechgesang. Angelsächsisches Understatement eben. Einzig in "SS C'est Bon" schnellt der Puls mal nach oben.

Micky, mach's noch mal. Das berauschende "Delirium Tremens" macht Lust auf die Fortsetzung des spannenden Projektes. Vive roi Gainsbourg! Long live the king! Es bleiben Songs en masse, die nur darauf warten, sich der englischen Sprache zu fügen. Einzig die lange Entzugszeit kann er sich dieses Mal schenken.

Trackliste

  1. 1. The Man With The Cabbage Head
  2. 2. Deadly Tedium
  3. 3. Coffee Colour
  4. 4. The Convict's Song
  5. 5. SS C'est Bon
  6. 6. I Envisage
  7. 7. A Day Like Any Other
  8. 8. A Violent Poison
  9. 9. More And More, Less And Less
  10. 10. Don't Say A Thing
  11. 11. Boomerang
  12. 12. The Decadence

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