laut.de-Kritik
Nicht nur light, sondern auch noch koffeinfrei.
Review von Dani FrommMike Oldfield meldet sich wieder zu Wort - und das, wie erfreut festzustellen ist, ausnahmsweise nicht mit der x-ten Version seiner "Tubular Bells". Die Freude hält allerdings nicht lange vor. Schon nach wenigen Minuten wünsche ich mir die Röhrenglocken in einer Weise verzweifelt zurück, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Geständnisse vorab, bevor mir üble Dinge unterstellt werden: Ich mag Mike Oldfield.
Ich schätze "Tubular Bells", ich habe eine überaus innige Beziehung zu "Ommadawn", ich mochte sogar die Pop-Liedchen Marke "To France" und "Shadow On The Wall". Ich wünsche, nicht als Oldfield-Hasser hingestellt zu werden, wenn ich jetzt sage: "Light + Shade" ist von vorne bis hinten eine einzige Zumutung.
"Die beiden Seiten (seiner) musikalischen Persönlichkeit" soll es repräsentieren, das Doppelalbum. Ich möchte das nicht glauben. Wäre dem so, wäre Mike Oldfield zur Hälfte sterbenslangweilig, zur anderen unerträglich flach und billig. "Light", der erste Teil, versucht sich an Chillout- und Ambient-Sounds. "Blackbird", ein langsames Klavierstück, lediglich versetzt mit einem Hauch sphärischer Elektroklänge, lässt zwar ein gewisses Richard Clayderman-Gefühl aufkommen, ist aber durchaus hörbar. Ebenso das (im Vergleich zur ansonsten herrschenden Melancholie) etwas fröhlichere "Rocky". Hier scheint das Pianogeklimper direkt aus einer Spieldose zu stammen.
"First Steps" entstammt, wie etliche andere Tracks auf "Light + Shade", dem Soundtrack zu Oldfields Virtual Reality-Spiel "Tres Lunas". Eine Gitarrenmelodie dominiert, unterstützt von Streicherklängen. Obwohl im Verlauf ein recht passabler Bass ins Spiel kommt, der zur Abwechslung mal einen Hauch Tempo vorlegt, und obwohl die Nummer (nach bereits sechs Minuten Spieldauer) noch einmal zu epischer Breite aufläuft, tönt alles in einer Weise absehbar und zweidimensional, dass man Atemnot bekommt.
Richtig schlimm wird es bei "Closer" (eine Dudelsackhymne bleibt eben einfach eine Dudelsackhymne, auch, wenn man ihr die Dudelsäcke nimmt) und "My Father", wenn eine primitive Melodie und ein mäßiges Vocal-Sample mit einem blutleeren Synthie-Beat versetzt werden. Einen blasphemischen Kommentar zu der beigefügten Information, der Track sei entstanden, während Papst Johannes Paul II. im Sterben lag, verkneife ich mir an dieser Stelle ebenso, wie jegliche Äußerung zu der grauenvollen, durch eine Stimmsoftware-Mühle gedrehten Jodelei in "The Gate".
Schlimmer geht es kaum, möchte man meinen - und liegt falsch. Wir haben ja noch Teil 2, "Shade". Wie bereits in der ersten Hälfte basieren die Tracks auf computerprogrammierten Sounds, die Grundstimmung träger Melancholie bleibt, nur dass diese auf "Shade" zusätzlich mit unsagbar miesen Umz-Umz-Kirmestechno-Beats unterlegt wird. Euro-Dance, nicht nur light, sondern zusätzlich auch noch koffeinfrei. Nein, auf einen beschaulichen Aufguss von Dario Gs "Sunchyme" hat wirklich niemand gewartet. Da hilft es nichts, einen Anflug von Walgesängen ("Quicksilver") oder jaulende E-Gitarren ("Tears Of An Angel") beizumengen, oder Schillers Christopher von Deylen mit Bass und Schlagzeug zu Rate zu ziehen ("Nightshade"). Dachte ich eine halbe Stunde zuvor noch, "The Gate" könne unmöglich unterboten werden: "Romance", die Verwurstung der sattsam bekannten spanischen Gitarrenromanze, belehrt mich erneut eines Besseren.
Stellt sich jetzt die Frage, ob man einen Mike Oldfield mit der Niedrigst-Wertung abwatschen darf. Nein, das darf man nicht. Man muss, und das ist wirklich mehr als schade.
1 Kommentar
Klingt als wäre es für den russischen Markt gepresst worden...