laut.de-Kritik

Gothic und wohliger Grusel gehen immer gut zusammen.

Review von

Gothic und wohliger Grusel gehen gemeinhin gut zusammen. Wenn jedoch gesangliche und textliche Ausrutscher das Grauen hervor rufen, wird es eng. Auf ihrem Erstling tirilierte, textete und spielte Mina Harker noch plattitüdenhaft und wenig professionell. Mit "Bittersüß" startet nun der Generalangriff auf die deutschsprachige schwarze Szene. Trotz genretypischer Zutaten und modernistischer Produktion ist diese Platte ein einziges, aufgeblasenes Klischee.

Süß ist hier nämlich gar nichts. Bitter dagegen sind Platten von Leuten, die ihre ehemals interessante Subkultur ohne ersichtlichen Grund auf ein ödes Bravo-Goth-Chick-Level reduzieren. Hier wird nicht einmal davor zurückgeschreckt, dem siechen Kumpel Goth noch den letzten Sargnagel in Form von autogetunten oder ähnlich bearbeiteten Vocals aus der Gaga/Kesha-Ecke ins morsche Holz zu treiben. Wohlgemerkt: Nichts gegen neue Ideen. Es geht dabei nicht um Tunnelblick oder gruftige Trueness.

Schlimm ist aber, wenn der modernistische Stimmentod nicht nur als ekliges Stilmittel für die ganz abgestumpften Floor-Animals gewählt, sondern vielmehr als letzter Rettungsanker für Minas dünne, noch immer kraftlos und schief phrasierende Stimme gewählt wurde. Wozu stimmliche Eigenentwicklung, so lange es trendy Technik gibt?

Mit Gothic hat das hier nichts zu tun. Stattdessen handelt es sich um eine sehr schlichte und stink-konventionelle Radio-Poprockplatte. Uninspirierte und immer gleiche Stromgitarren aus der Wattebauschecke, die kein Wässerchen trüben und somit keinen Charakter bilden können. Schon das eröffnende Titelstück geht nach ein paar Handgriffen locker als Avril Lavigne-, Down Below- und vor allem Eisblume-Track durch. Der songwriterisch retardierte Backförmchenansatz ist hie wie dort derselbe.

Der bewusst inszenierte Dichter- und Denkeranstrich der Band wirkt vor diesem Hintergrund amüsant realitätsfern. Wegwerf-Zeilen wie "Rache ist süß / Rache ist heiß / und du bezahlst dafür den Preis" gehören noch zu den besseren Stellen der Scheibe. Während Mina Harker sich selbst mit deutschen Popkultur-Ikonen wie Kraftwerk oder Rammstein vergleicht und echte Gothrocker wie Peter Murphy gerade ihren zweiten Frühling genießen, bleibt Mina harker mit diesem Album da, wo sie momentan künstlerisch leider hingehört: Auf den ganz hinteren Bänken.

Trackliste

  1. 1. Bittersüß
  2. 2. Macht
  3. 3. Rache ist süß
  4. 4. Fort von mir
  5. 5. Lolita
  6. 6. Schmutzige Hände
  7. 7. Wenn ich von Dir träum
  8. 8. Nie mehr allein
  9. 9. Verdammnis in mir
  10. 10. Nackt
  11. 11. Nichts zu verlieren

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14 Kommentare

  • Vor 13 Jahren

    Und noch dazu sieht die echt übel aus. Von der Mucke mal ganz zu schweigen...

  • Vor 13 Jahren

    Ich gebe zu: ist nicht mein Genre, deshalb habe ich nur die Singleauskopplung angehört. Aber nur einen Punkt? Ich kann definitiv zwölfunddrölfzig Titel nennen die schlechter klingen...und jeden Tag im Radio hoch- und runtergeleiert werden. Was sollen die dann bekommen? Minus zwei Punkte? Besser als "der Graf" ists aus meiner Sicht auf jeden Fall: hier ist wenigstens Rythmus drin.

  • Vor 13 Jahren

    Unheilig sei Dank werden wir wohl auf Dauer mit solchen Acts bombardiert werden. Aber da Gothic schon Scheiße wurde, als der Metal anfing da mitzumischen, ist das so tragisch ja nun auch nicht.
    Ach ja: Laut eurem Künstlerprofil sind Mina Harker ein Duo. In dieser Rezension kriegt man aber den Eindruck, es sei eine Solokünstlerin. So viel Recherche hat sogar ein Verriss verdient,erst recht dann, wenn man dafür nichtmal die eigene Seite verlassen muss. ;)

  • Vor 13 Jahren

    irgend einer hat in solchen fällen immer die mindermeinung vertreten, "alles kagge ausser batcave"; meist noch mit alien sex fiend shirt.
    ......von bauhaus gar nicht zu sprechen, haggy.
    ....mein goth....so viele geile vorbilder in einer ehemals so kreativen szene.
    echt ne kunst, aus diesen vorlagen so einen rotz zu machen.....die kinder fressen ihre revolution - nicht umgekehrt!

  • Vor 13 Jahren

    Meiner Meinung gibt es aber auch eine gute Welle an Bands, welche sich dem Goth/Ethereal/Shoegaze- Sound der 80er und 90er bedienen und diesen in einen neuen subkulturellen Kontext darstellen, wie Fever Ray, Zola Jesus, Memoryhouse, The Soft Moon, The Mary Onettes, The Raveonettes, EMA, um nur einige zu nennen.

  • Vor 13 Jahren

    Gut, dass es noch Online Musik-Magazine wie Resident Advisor gibt, bei denen ein Review noch eine fundierte Analyse eines Albums bedeutet und nicht die persönliche, hingerotzte Meinung eines Musik-Polizisten.Mina Harker haben ein super Album vorgelegt, das natürlich kein Underground Gothic a la Das Ich darstellt, sondern eher im Bereich der melancholischen Pop-Musik anzusiedeln ist. Wo der Reviewer "eine dünne, noch immer kraftlos und schief phrasierende Stimme" gehört haben will, gehört sicherlich zu den großen Rätseln der Musikkritik. Wer auf Unheilig steht und keine ideologischen Probleme mit Silbermond hat, wird Mina Harker auf alle Fälle lieben.