laut.de-Kritik
Eine insgesamt würdige Grablegung.
Review von Ulf Kubanke"Es war das emotional schwierigste Projekt, das ich je gemacht habe, aber auch das Lohnendste. Mikey war voller Leidenschaft bei der Sache und hat den Songs das gewisse Etwas eingehaucht. Ich weiß, dass er uns auch jetzt beobachtet und hin und weg von dem ist, was wir da geschaffen haben." sagt Al Jourgensen über die neueste Ministry Platte "From Beer To Eternity".
Schön, dass Gitarrist Mike Scaccia hier noch ein echtes künstlerisches Ausrufezeichen als Vermächtnis gelang. Dummerweise stieg die damit unter Fans wie in Medien gleichermaßen geschürte Erwartungshaltung an eine Rückkehr der guten alten Ministry. Doch das ist unmöglich.
Gestartet als anspruchsvolle Wavepopper, deren Musik auch kein Depeche Mode-Fan von der Bettkante gestoßen hätte. Bis hin zum ewigen Zenith "Psalm 69" gab es schon mehr Häutungen als Katzen Leben haben. Sicherlich gab es in den letzten, recht ziellosen 20 Jahren mehr als einen Schnitzer samt Wilderns in den Niederungen des Orkmetal. Aber beweisen muss Jourgensen niemand mehr etwas. Und so ist es eine gute Nachricht, wenn man "From Beer To Eternity" anhört, dass es das überhaupt nicht versucht.
Mittlerweile brauchen Ministry die eigenen Symptome nicht mehr chronologisch zu trennen. Der bevorzugte Stilmischmasch tritt gern simultan auf ("Hail To His Majesty (Peasants)"). Mit einem Bein steht die Scheibe noch im kreativ eher dunklen Gestern, dem brachialen Nachhall von "Relapse". Doch selbst in diesen semi-inspirierten, etwas grobschlächtigen Tracks ("Perma War", "Perfect Storm") liegt Jourgensens ganz und gar eigentümlich charmante Brachialität, die so erhaben wumst ("Fairly Unbalanced"), dass man ihm solche Momente verzeiht.
So richtig interessant wird die LP ab "The Horror". Rhythmisch, perkussiv, und rein elektronisch. Eine Art EBM-Song für alle Freunde von "The Land Of Rape And Honey". Der gesamte Rest des Albums ist ein reines Spektakel. Das Ungeheuer "Side Fx Include Mikey's Middle Finger (TV 4)" ist eine unwiderstehliche Noisebombe. Die zweite Hälfte klingt nach alles zerklüftendem Steckdosensalat - "Psalm 69" reloaded.
Nach dem groovy Partytrack "Lesson Unlearned" läuft Jourgensen dann zur vollen Form auf. Die beiden längeren Stücke "Thanx But No Thanx" und "Change Of Luck" sind Höhepunkt und Herz des Albums. Fieser Text zu jazzigem Bass als Intro von "Thanx", bevor alles zu verkommenem Straßemköterrock samt fettsträhniger Gitarre mutiert. Übrig bleibt am Ende nur ein schepperndes Delay-Gerippe und die Überbleibsel eines in Agonie zappelnden Beats.
"Change Of Luck" macht den Sack hernach komplett zu. Ein exotischer, fast morgenländischer Hauch umweht die filigrane wie exotische Gitarrenarbeit Scaccias. Hypnotisch wie ein psychedelischer Strudel reißt das siebenminütige Lied sofort mit. Beinharte Rockpassagen ziehen sich wie Sehnen durch das Fleisch des hymnischen Songs. Zum Ausklang dann der gelungene Gag "Enjoy The Quiet". Jourgensens Humor entsprechend natürlich kein Hort von Ruhe und Einkehr, sondern eine kreischend dentalbohrerhafte Kakophonie, die man kaum ihre 160 Sekunden Dauer durchhält.
Sollte das nun also wirklich Ministrys Last Stand sein, den momentan alle Spatzen von den Dächern pfeifen? Wenn ja, dann ist "From Beer To Eternity" eine insgesamt würdige Grablegung.
2 Kommentare
Ohne das Album gehört zu haben: der Titel gefällt mir irgendwie....
habe sie heute von amazon geliefert bekommen, meiner meinung nach eines der besten der zuletzt oft ungelungenen alben.