laut.de-Kritik

Gibts ein Gitarrensolo, sieht man garantiert den Keyboarder.

Review von

Da ist er wieder, der Al Jourgensen. Wie oft hat er mittlerweile den Rückzug vom Musikbusiness oder die Auflösung von Ministry verkündet? Hat noch jemand den Überblick? Und auch diesmal zieht er im Booklet wieder vom Leder: "This is one of the last live official videos of the band ever."

Das kommende Studioalbum "From Beer To Eternity" soll nun außerdem wirklich und defnitiv das allerletzte sein. Wers glaubt, wird selig.

Aber bleiben wir fair. Der Anlass fürs DVD/CD-Paket "Enjoy The Quiet - Live At Wacken 2012" ist nicht nur der, mal wieder ordentlich die Kuh zu melken, sondern zudem ein trauriger: Ministry-Gitarrist Mike Scaccia starb knappe fünf Monate nach diesen Aufnahmen an einem Herzinfarkt. Da macht es durchaus Sinn, diesen Auftritt als Andenken an Jourgensens langjährigen Weggefährten und nach eigenen Worten besten Freund zu veröffentlichen.

Das Konzert: Ministry geben sich auf der Bühne eher statisch, spielen viele neuere Sachen und ein paar Klassiker. Ein rundes Stündchen lärmen sie vor sich hin. Hintergrundprojektionen überlappen schon mal die Live-Shots - viel Lichtgeblitze, das Übliche.

Al Jourgensen versteckt sich gerne hinter seinem Totenkopf-Mikroständer. Die Bildregie schneidet stilsicher auf genau die Kamera, die nicht zeigt, was gerade vor sich geht. Gibt es ein Gitarrensolo, kann man darauf wetten, dass man dazu den Keyboarder bewundern darf. Überhaupt gibt es nicht viel zu sehen, weil das Bild zu dunkel und zu wenig ausgeleuchtet ist.

Das passt möglicherweise zur Liveatmo des Industrial-Metal-Flaggschiffs, im heimischen Kino wäre es aber schön gewesen, mal einen näheren Blick auf die Musiker werfen zu können. Bild und Ton sind zudem nicht komplett synchron.

Noch problematischer gestaltet sich der Sound: So klingt einfach kein Livekonzert. Hier wurde von Jourgensen und seinen Leuten ordentlich nachbearbeitet. Und so wirkt der Wacken-Auftritt wie ein Studioalbum mit etwas Publikum im Hintergrund. Apropos Publikum: Das bleibt die gesamte Zeit über sehr zurückhaltend. Kein Wunder nach so viel Regen, man kann die Schlammwüste vor der Bühne gut sehen.

Die im Beileger bejubelten "75.000 screaming fans" hat Jourgensen jedenfalls halluziniert. Ein paar Tausend mögen es in lockeren Reihen gewesen sein, der Rest steht ganz offensichtlich vor der Nebenbühne und wartet auf die traditionelle Wacken-ist-zu-Ende-Ansage.

Das Bonusmaterial besteht aus einem kompletten zweiten Ministry-Konzert, dieses Mal vom Wacken-Festival 2006. Mit 75 Minuten Spielzeit fällt dieses sogar länger aus als das Hauptprogramm. Die Setlist überschneidet sich oft mit der von 2012, es finden sich allerdings zwei, drei Klassiker mehr im Programm, zum Beispiel "Psalm 69".

Und hier klingt der Sound authentisch, so wird sich die Band wohl auf der Bühne anhören. Aber: Ist das allen Ernstes mono? Es klingt zumindest so. Leider macht auch das Bild keine Pluspunkte, weil verwaschen und unscharf. Das Seitenverhältnis scheint auch nicht zu stimmen. Alles, was man über die Bildregie vom 2012er-Auftritt sagen kann, trifft hier ebenfalls zu.

Ansonsten bietet die DVD keinerlei Extras und kommt sehr spartanisch daher, so auch das Menü: ein Fest für Freunde des Minimalismus. Und so hat man die Wahl zwischen einem Auftritt mit halbwegs erträglichem Bild und glattpoliertem Sound oder einem mit mangelhaftem Bild und dumpf klingendem, aber authentischem Sound.

Wer Fernseher oder Monitor lieber ausgeschaltet lassen möchte, kann sich beide Sets auch auf den CDs anhören, sie klingen exakt wie auf DVD. Unterm Strich ist das deutlich zu wenig, vor allem wenn man "Enjoy The Quiet - Live At Wacken 2012" als Mike Scaccias Vermächtnis begreifen möchte.

Trackliste

  1. 1. Ghouldiggers
  2. 2. No W
  3. 3. Rio Grande Blood
  4. 4. Lieslieslies
  5. 5. 99 Percenters
  6. 6. Life Is Good
  7. 7. Waiting
  8. 8. Relapse
  9. 9. New World Order (N.W.O.)
  10. 10. Just One Fix
  11. 11. Thieves

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LAUT.DE-PORTRÄT Ministry

Al Jourgensen ist ein umtriebiger Wicht. Mit Ministry, Revolting Cocks, Lard, Acid Horse, 1000 Homo DJs, PTP, Pailhead, Buck Satan, W.E.L.T., Special …

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