laut.de-Kritik
Always Centered, nie ganz greifbar.
Review von Franz MauererMoby mag "Always Centered At Night" sein, das gleichnamige Album ist ein Gästeschaulaufen sondergleichen. Damit ist nicht die Prominenz der Gäste gemeint, sondern ihr Einfluss auf das Endprodukt. Mobys Lust zum Elektropop hört man schon heraus, aber entweder suchte er die Gäste dermaßen konsequent passend aus, oder ihr Einfluss auf die Songs war gewaltig und größer als der von Apollo Jane auf "All Visible Objects" - und Moby diesmal wirklich nur Produzent.
Wenig abwechslungsreich ist die Scheibe mithin nicht, in ihrer Qualität aber ausgesprochen abhängig von den Feature-Gästen und deren Einbettung in Mobys Soundidee, die seit mittlerweile einer Vielzahl von Jahren so klar nicht mehr ist. Der unlängst verstorbene Benjamin Zephaniah macht es auf "Where Is Your Pride?" gut, und der ewige Grantler reüssiert auch hier deshalb, weil er es neben allen anderen auch sich selbst nicht zu einfach macht. Moby konstruiert um dessen Sprech-Anklage eine luftige Techno-Nummer, die nicht zu sehr drückt. "Dark Days" dagegen gerät eher schief als eben. Zwar hat Lady Blackbird eine "Black Queen"-Stimme, wie Moby sie schon immer gerne mochte. Der Song weiß aber nicht recht, wohin, schaukelt den Kopf im eigenen Soul-Sud, gefällt sich einfach zu sehr in seiner Stimmung, erdet zu oft, wenn Epochales gefragt wäre.
Serpentwithfeet, der sich endlich einen neuen Namen zulegen sollte, ist der nächste interessante Gast auf dem Opener "On Air" und hat den unfairen Vorteil, dass man mit seiner Stimme schon viel Schindluder treiben müsste, um sie zu ersticken. Solange der Junge genug Raum hat, wirkt das; und den lässt ihn Moby auf dem erneut luftigen, aber poppigen Song. Gaaida folgt mit Riesenpotenzial, das sie beizeiten aber gerne mal versteckt. Dafür lässt ihr Richard Hall auf "Transit" aber keine Gelegenheit. Das erneut eher kühle Lied fährt einen hintersinnigen Bass auf und gibt viel Raum, ohne zurückgenommen zu wirken. Wieder passt die Struktur und es entsteht ein ganz feiner, moderner Pop-Song. Die Lyrics stören zumindest nicht, was auf ganz "Always Centered At Night" zutrifft. Egal wie klug die Leute sind, von wem außer Kanye & Kendrick bekommt man interessantere Feature-Texte?
Danae, die Sängerin von "Wild Flame", leidet neben der eigenen Ungooglebarkeit (ein Haufen Models und Sängerinnen heißen mindestens ähnlich) an einer verzagten Performance, wobei der Afro-Pop-Electro von Moby auch nicht aus den Startlöchern zu kommen vermag. Das passiert India Carney auf "Precious Mind" nicht, obwohl ihr Moby ebenfalls wenig an die Hand gibt außer Atmo, die die New Yorkerin mit bemerkenswerter stimmlicher und musikalischer Souveränität zu einem schönen gehauchten, traurigen Stück formt. Traurig ist mit J.P. Bimeni nicht zu machen, dementsprechend fällt der Bruch zu "Should Sleep" aus. Textlich ausgesprochen anspruchslos, mitreißend und mit viel Eingängigkeit gesegnet, erbaut das Poplied mit seinen Mantras.
Raquel Rodriguez kann auch solo richtig was und bekommt hier von Moby ein flirrendes Stück Laid-Back-L.A.-Latin-R'n'B maßgeschneidert, auf dessen Wogen sie gekonnt surft. Albumhighlight neben "On Air". Aynzli Jones und Moby überfordern sich gegenseitig auf "Medusa", dem ersten Song, der in die Hose geht. Im Ergebnis ein wirrer Haufen Hall und Drums. "We're Going Wrong" dagegen ist keinesfalls auf die Zweitkarriere der Dichterin und Freundin von Moby, Brie O'Banion, bezogen, die drückt dem Song nämlich nachhaltig ihren Stempel auf, indem sie das luftige Stück erdet und in neue Sphären gleichzeitig zieht. Eine echte Entdeckung.
Akemi Fox dagegen verlor sich in letzter Zeit trotz ihrer Fähigkeiten in zunehmender Nackertheit auf ihren Covern - gegen die nichts zu sagen wäre, nähme die Qualität nicht gleichzeitig ab. Moby und seine Cow Bells, sein treibendes Piano und die Bongos zeigen ihr auf "Fall Back" aber hochkompetent den Weg. Ob der krassen Heterogenität von "Always Centered At Night" mag man es kaum glauben, aber bei Stück Nummero Elf hat Moby den Hörer langsam überzeugt, dass es irgendwie doch noch, wenn nicht eine kohärente Vision, so doch ein für ihn typisches Soundempfinden gibt. In diesem Fall deutet das irgendwo Richtung Trip Hop, auf dem zu langen "Sweet Moon" mit Choklate Richtung Pop und Soul. Wer auf diesem Brocken bis "Ache For" am Ball bleibt, den belohnt José James leider nur so lange, bis Moby dessen ungewöhnlich klare, gute Gesangsleistung in Keyboardstreichern versenkt. Auch so eine Eigenart von Herrn Hall.
1 Kommentar
Schmuckes Album, doch. Hab mehr davon gelesen als gehört vor dem Kauf, war aber glücklicherweise kein Fehler; sehr schön durchzuhören. "On Air", "Transit", "We're Going Wrong" und "Ache For" sind meine Favoriten, aber auch sonst sehr fein geworden.