laut.de-Kritik
Nach geteiltem Leid öffnet der Veteran nun sein Herz.
Review von Robin SchmidtFünf Jahre ist es her, seit Moses Pelham der Öffentlichkeit zum letzten Mal sein Leid klagte. Nach der Trilogie "Geteiltes Leid 1", "Geteiltes Leid 2" und "Geteiltes Leid 3" war eines bereits klar: ein neuer Albumtitel muss her. 2017 schüttet uns Moses Pelham nun also sein "Herz" aus.
"Von Anfang an anders, nicht von dieser Welt, bevor die labern von Standards, mach ich das lieber selbst". Moses Pelham tritt seinen "Neubeginn" erhobenen Hauptes an. Dabei baut das Frankfurter Urgestein seinen Opener in den ersten Sekunden musikalisch zunächst behutsam auf, um dann im Finale des Tracks mit druckvollem Boom-Bap-Sound und Vocal-Scratches zu schließen. Wer glaubt, dass Moses sein Pulver gegen die Kollegen schon mit den ersten Zeilen verschossen hat, dem sei gesagt: "Ich brauch nicht schlagen oder schießen, ich schreib die tot".
Das beweist der Rödelheimer Rapper nicht nur auf Deutsch. In "Bgmb", was soviel heißt wie "Bitte gib mir bös", singt Pelham die Bridge ganz lässig auf Englisch. Überhaupt experimentiert er innerhalb seiner Kompositionen mit äußerst unterschiedlichen Elementen, ist mal laut, mal leise, mal schnell, mal langsam und bringt musikalisch Unerwartetes auf die Platte.
Zwischen Glashaus-Piano ("Wir Sind Eins (Sagt Ihr)") und Onkelz-Gitarrensound ("M Zum O") bietet Moses P. immer wieder gelungene Abwechslung. Dennoch basieren die meisten Songs eher auf einem sparsamen Beat-Gerüst, das dem Deutschrap-Veteranen genügend Freiraum für seine eigenen Sichtweisen lässt.
Die ganz krasse Ausnahme stellt "Momomomomosespelham" dar. Man nehme: ein poppiges Instrumental, packe eine Gospel-Gitarre darauf, münze den Hit "Es gibt nur ein' Rudi Völler" in "Es gibt nur ein' Moses Pelham" um und lasse das dann auch noch von einem Kinderchor einsingen. Das hätte man auf "Herz" eher nicht erwartet, aber Respekt an Moses Pelham: mehr Selbstironie geht nicht. Moses' alter Spezi Illmatic bekommt dann im anschließenden Skit auch nochmal eine kurze Würdigung, in dem er dasselbe mit seinem Namen versucht: "Cococococostameronianakis". Witzig gemeint, aber das ist dann doch vielleicht ein bisschen viel des Guten.
Nostalgisch wird es bei "Meine Heimat" und "You Remember". Moses Pelham schwelgt in beiden Tracks in Erinnerungen und wartet mit jeder Menge Querverweisen an die gute alte Rödelheimer Zeit auf. ("Rödelheimer Land, Ecke Kleemannstraße, ist wo der Shit hier begann, sollte jemand fragen / unvergessen, da bin ich Elefant und was Nullen drüber sprechen, ist für mich nicht relevant")
Die Tracks "Mehr Licht", "An Alle Engel" und "Geheime Welt" fallen aus zweierlei Gründen auf. Zum einen gewähren sie Zuversicht und kennzeichnen einige positive Facetten aus Moses Pelhams Innenleben. Zum anderen legen sie die Schwächen des Werks dar. Moses Pelham hechelt hin und wieder dem Flow hinterher, nuschelt dabei gelegentlich und verwendet trotz anspruchsvoller Lyrik, die zum Nachdenken anregt, ab und an auch einige zu mystische Zeilen.
Summa Summarum ist Moses Pelham ein berührendes und erwachsenes Hip Hop-Album gelungen, das sich durch Meinungsstärke und pulsierender Vielfalt auszeichnet. Der Schmerz des Rödelheimers ist geblieben, geteilt hat er ihn aber diesmal straight aus seinem weiter als sonst geöffneten "Herz".
8 Kommentare mit 6 Antworten
Überraschung des Jahres oder wieder nur das übliche Palaver über einen dampfenden haufen Scheiße?
Die Krititk gibt mir keine wirkliche Antwort und selbst habe ich mich noch nicht rangetraut (von wegen Paddy Kelly und überhaupt muss der Typ doch wack sein), BGMB ist dageegen allerdings ein verdammt überzeugender Track.
Bin confused...
Kannst es zum reinhören ja mal runterladen, das freut den Mo.
Oder wahlweise einfach den letzten Abschnitt noch einmal lesen
Oder was mir gerade erst aufgefallen ist. Einfach das komplette Album auf youtube hören welches laut netterweise verlinkt hat (sieht nicht offiziell aus). Das ist fast noch komischer in dem Zusammenhang.
Die Videos werden automatisch verlinkt. Aber ja, da musste ich auch schmunzeln.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
4/5 für Moses...also, wenn das Lauti nicht triggert, weiß ich auch nicht mehr
Gutes Albong!
Ungehört 1/5, Musik für den lautuser.
Schönes Albung! Hab's endlich auch gehört und bin auf jeden Fall positiv überrascht. Der elektronische Touch und der wohldosierte Gesang gefallen mir besonders, aber auch Moses selbst überzeugt durch seine durchdachten Lyrics und einen durchaus abwechslungsreichen Vortrag, ohne dass man das jetzt nach Juliensblog-Huso-Art bewerten kann und sollte. Ist halt voll erwachsen und musikalisch und so. Moses weiß auf jeden Fall, was er kann und was er tut. Man aber muss schon in der Stimmung dafür sein, da es stellenweise sehr bedächtig wird und Moses ab und zu in den Preacher-Modus schaltet. Dann aber lässt sich das Album wunderbar durchhören (vom Costa-Skit, das zwar eine nette Idee ist, aber zukünftig wohl meist geskippt wird, mal abgesehen). Wenn ich mir so angucke, wer in ein paar Jahren auch in Moses' Alter kommt, wird das hier wahrscheinlich auf Jahre hinaus der Maßstab für Alben von Ü45-Deutschrappern sein.
Na dann hör ich jetzt dann auch mal rein
Album ist okay. Ein bisschen mehr Tempo hätte es insgesamt aber schon geben dürfen.
Mal wieder ein geniales Album, wie die meisten Produktionen von Moses eben. Bei der Melodie von "Wir sind eins (Sagt ihr)", das Stück mit Paddy Kelly, war mir sofort klar: Kenne ich aus irgendeinem Film. Und ich fand das Teil auch wieder. Das Original stammt aus dem Film "Goodbye Lenin!" von 2003. Auf dem Soundtrack-Album heißt es "First Rendez-Vous" (Track 13). Eine andere Version ist "Lara's Castle" (Track 6). Dürfte ganz interessant sein für die, die das Original-Instrumentalstück nicht kennen. Ich fand im Netz komischerweise keine einzige Info hierzu.