laut.de-Kritik
Sie schlagen um sich wie russische Diskuswerferinnen.
Review von Michaela Putz'Schmutzkampagne'. Nicht nur aufgrund des Titels kann man sicher sein, dass die Briten mal wieder ordentlich an den Säulen der Gesellschaft rütteln. Diesmal wird es ungemütlich für selbsternannte Moralisten. Kritik an der Kirche und an tradierten Glaubensvorstellungen zieht sich wie ein roter Faden durch das Album zieht. Wer Barney Greenways geistige Ergüsse kennt, wird ahnen, dass er hierbei nicht so plakativ zur Sache geht wie so manch andere, die sich des Themas annehmen.
Ein System kann man nur aus den Angeln heben, wenn man seine Wurzeln kennt, lautet wohl seine These und so rollt er eine Jahrtausende alte Historie von menschlicher Unterdrückung durch religiös geprägte Moralvorstellungen auf. Das einzig Brachiale daran ist, wie gewohnt, die Musik. Die Einführung in die genau fünfundvierzig Minuten, in denen Napalm Death harte Brocken um sich werfen wie russische Diskuswerferinnen ihr Sportgerät, liefert "Weltschmerz (Intro)".
Die sanfte weibliche Stimme darauf gehört zu The Gatherings Anneke van Giersbergen. Nach Ausklingen des Intros setzen die Briten mit brutaler Keule ein. Business as usual. Düstere Riffs und Blastbeats schlagen alles in Trümmer. Nicht zu vergessen dass bekannte Gekreische von Frontmann Barney Greenway, der ins Mikro brüllt, was Sache ist und nebenher ein bisschen mit Salzsäure zu gurgeln scheint.
"Smear Campaign" klingt jedoch eine Spur düsterer als sein Vorgänger. Das Tempo ist teilweise etwas zurückgeschraubt, das haben Napalm Death aber schon mit "The Code Is Red ... Long Live The Code" vorgemacht. So walzen und stampfen Napalm Death teilweise im Midtempobereich, auf "Fatalist" etwa, das relativ langsam einsetzt, dann aber einen Zahn zulegt.
Ähnlich "Puritanical Punishment Beating": erst groovt es ordentlich, ab der Mitte bringt es Gehirnzellen und Gehör wieder in Aufruhr. Der Song "When All Is Said Is Done" ist richtiggehend melodisch, wohingegen "Freedom Is The Wage Of Sin" in Hochgeschwindigkeitstempo über uns hinwegfegt. Anneke ist ein weiteres Mal auf dem Track "In Deference" zu. Ihre Stimme, untermalt von atmosphärischen Klängen, lässt Unheil vermuten.
Zurecht, die besinnliche Stimmung wird natürlich nicht gehalten, denn ruhige Momente gehören nicht zur Stärke von Napalm Death. Mit "Short-Lived" folgt sogleich ein Orkan an Song. So wird dann auch die restlichen Tracks über reingedroschen, was das Zeug hält, Tempiwechsel inklusive.
Lange Rede, kurzer Sinn: Große Veränderungen enthält "Smear Campaign" erwartungsgemäß nicht. Napalm Death knüppeln und hauen in gehabt unbarmherziger Manier. Sie haben uns auch nach zwanzig Jahren noch einiges zu sagen - so kompromisslos wie eh und je.
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