laut.de-Kritik
Die wirklichen Themen versteckt hinter Bombast.
Review von Yannik Gölz"Nas Album Done." So hat DJ Khaled es 2016 angekündigt. Dass ausgerechnet er, eine der musikalisch gesichtslosesten Figuren der Rap-Landschaft, eine auf dem Papier so wichtige Ankündigung machen darf, kann man durchaus als ein schlechtes Omen verstehen. "Nas Album Done" müsste eine Zäsur darstellen, denkt man daran, dass der Mann nach einstimmigen Konsens eines der besten – wenn nicht sogar DAS beste – Hip Hop-Album aller Zeiten gemacht hat.
"Nasir" braucht trotzdem noch zwei Jahre. Eine Platte, die die Orientierungslosigkeit einer Legende unterstreicht, die trotz handwerklicher Elite zur Zeit so wenig sesshaft in der Szene scheint, dass sie DJ Khaled für die Comeback-Ankündigung anheuern muss. Dabei stehen die Grundvoraussetzungen nicht einmal schlecht: Nachdem Nas nun unerwartet bei Kanye Wests Good Summer-Projekt unterkommt, gibt es nicht nur ein ambitioniertes Cover, sondern auch sieben Tracks mit kompletter Kanye-Produktion, um davon zu überzeugen, dass Nas sechs Jahre nach "Life Is Good" noch seinem Status in der Kultur gerecht wird.
Ein vielversprechendes Konzept eigentlich, das klanglich zu einem hervorragenden Tape heranreift. Für den Mann, der schon vor zwölf Jahren auf "Hip Hop Is Dead" den Tod des Genres angekündigt hat, lässt Ye seine Unberechenbarkeit einmal an der Garderobe zurück. Um so tiefer greift er dafür in die Sample-Trickkiste und zimmert konventionelle Rap-Instrumentals, die Traditionalisten die Freudentränen in die Augenwinkel treiben dürften.
"Adam & Eve" flippt eine Piano-Line des iranischen Rock-Pioniers Kourosh Yaghmaei, "Bonjour" transformiert einen Bollywood-Soundtrack von R.D. Burman in einen Beat, der die Ennui der französischen Großstadt einzufangen scheint. Abseits von den Flips gibt es liebevolle Referenzen quer durch den Katalog der Hip Hop-Geschichte, von einer Richard Pryor-Einspielung bis hin zum Chop der Prominenten "Children's Story"-Line von Slick Rick auf "The Cop Shot The Kid".
So weit, so gut – und auch, wenn die Platte allein auf dieser Ebene und dank Nas' unerschütterlicher Rapskills einen guten Eindruck macht, fehlt doch der überspringende Funke, um alle Elemente zusammenzubringen. Ein gutes Beispiel liefert da bereits der Opener "Not For Radio". Das Instrumental geht mit schwülstigem Chor-Sample in die Fahrwasser von Snowgoons-Dramatik, die markanteren Bars wie "Show gratitude in the presence of dominance" und Puff Daddys "We see that bitch in your eyes" zeigen jedoch eher substanzlose Angriffslust.
Die bislang überraschend gut aufgegangene Sieben-Track-Strategie scheint für Nas unter allen Projekten am schlechtesten zu funktionieren. Zumal ohnehin nicht gerade klar ist, was der Hörer 2018 von einem Projekt des New Yorkers erwarten sollte. Dafür erlaubt die kurze Spielzeit es ihm, sich in kontextlosen Ansagen und halbgaren Weisheiten an notwendiger Substanz vorbeizuwinden. Die Formulierungen sind potent, die Flowpattern stark, nur wirklich greifbar will "Nasir" an keiner Stelle werden.
Dabei gibt es gerade in den vergangenen Jahren mit Jay-Zs "4:44", Talib Kwelis "Radio Silence" oder sogar Kanyes "Ye" mehrere gute Referenzpunkte, wie ein alternder Rapper sinnvoll ein neues Framing finden kann. Gleichzeitig zeigten Platten wie Eminems katastrophales "Revival" oder Hovs "Magna Carta, Holy Grail", dass ziellose Epik und ein Ausruhen auf dem eigenen Status nirgendwo hinführen.
Natürlich retten musikalische Stimmigkeit, textliche Pointiertheit und Nas' ungebrochenes Charisma "Nasir" davor, als Reinfall zu gelten. Aber nachdem die Kontroverse um Kelis' Missbrauchs-Vorwürfe, der Status Quo von New Yorks Rapszene und die Trump-Administration eigentlich genug Futter vorgeben sollten, um sieben Tracks mehr als interessant auszufüllen, fühlen sich die Represent-lastigen Nummern kaum erfüllend an.
Richtig frustrierend wird es, wenn Nas die Kontroverse um Kelis tatsächlich anspricht: Auf "Simple Things" adressiert er die äußerst ernsten und heiklen Vorwürfe mit einem ablässigen, chauvinistischen Vierzeiler: "Was lovin' women, you'll never see / All you know's my kids' mothers, some celebrities / Damn, look at the jealousy! / Lucky me, I meet some beauties, make you wanna shoot me."
Während ihm der eigentlich einschneidende Vorwurf kaum einen unkonkreten Bar wert ist, bekommen wir einen halben Verse Impfgegner-Geschwurbel auf dem klanglichen Standout-Track "Everything". Auch Themen wie Afrozentrismus, die musikalisch immer wieder hervorragend gespielt werden, verlaufen sich auf "Not For Radio" in paranoiden, fast konspirativen Gerede. "Fox news was started by a black dude", zum Beispiel. Stimmt halt eben leider nicht. Es ist eine Sache, ein Album lang nur zu flexen und via irrer Beats und Stunt-Raps Dominanz zu zeigen, aber Nas verweist ja regelmäßig auf eine größere Ambition, sei es durch die bedeutungsschwangere Ausstrahlung, die vielsagende Tonlage oder immer wieder halbgar angeschnittene Themenkomplexe in den Zeilen. Nur eingelöst werden diese Versprechen nicht so recht.
"Nasir" ist eine sichere Platte, die mit kurzer Spielzeit, konstant starken Features und der Energie ihres Protagonisten nichts an Intensität einbüßt. Blickt man jedoch über musikalische Staples und kreative Sample-Chops hinweg, bleiben die Argumente für die Relevanz eines Nas-Comebacks eher dünn. Dass er rappen kann, dürfte niemand bezweifelt haben. Da gab es nichts zu beweisen. Ein Album zu schaffen, dass den Wandel in seinem eigenen Leben oder dem seiner Umwelt angemessen oder gar so beißend detailliert einfängt, wie es einst "Illmatic" tat, diesen Versuch hat er gar nicht unternommen. Es bleibt ein wohlklingender und atmosphärischer Schlag Songs, die aber bei Wiederkehr doch ein stechendes Gefühl des ungenutzten Potenzials hinterlassen.
17 Kommentare mit 12 Antworten
Yo, wichtige Frage: Von wo wurde gleich nochmal der Adam & Eve Beat geklaut? Irgendjemand hat schon vor Jahren auf genau dem Instrumental gerappt. Action Bronson?
Laut whosampled.com wurde das Sample auch in diesen Songs genutzt - in allen sehr prominent:
Jailbait
by Fella Vaughn (2011)
Bom Bom Fiya
by Slim Kid 3 and DJ Nu-Mark (2014)
How Long
by Demograffics (2012)
Kommt mir auch sehr bekannt vor. Hab irgendwie die Clique um Ill Bill dabei im Ohr. Irgendein weißer Rapper mit rauher Stimme
es ist ein unumstößliches Naturgesetz: nas skilz passen nur auf beats von premier, pete rock oder Apollo Brown. ein ganzes Album produziert von Brown und wir hätten ein zweites illmatic.
nas ist und bleibt für mich der größte aller Zeiten. die ep ist nicht schlecht und Kanye hat mich hier überrascht. aber es ist nicht nas. trotzdem 5/5
Apollo/Nas-Kollabo wäre in der Tat ein Träumchen. Oder wenigstens Apollo/Royce (da beide aus Detroit kommen).
Ach ja, Primo und Royce gabs ja schon. Hörte sich auf dem Papier besser an als es war. Ich finde das hier nicht schlecht. Er hat schon schlechtere Alben gemacht und ist immer noch die 1. Irgendwie. Ach und wie man Hovas Pseudologenalbum Album feiern kann raff ich auch nicht.
illmatic ist genial, aber nas is like ist der größte rap-hit aller Zeiten. von dj premier produziert und auf i am... erschienen. der absolute Wahnsinn. nas sollte wieder mit premier und rock ins Studio gehen und dann entsteht wieder so etwas großes wie come get me - nastradamus
Solide. Uninteressant. 3/5.
beats sind solide bis gut. umso überraschender, dass nas das problem ist. uninteressante texte und müder verstaubter flow. ist er past prime? 2.5/5
How Kanye West Almost Destroyed Nas' Career
https://www.youtube.com/watch?v=4lhgMv1S62Y
Damn, was ein Kanye-Move...zum Glück hat Nas noch Hit-Boy entdeckt.