laut.de-Kritik

Die Lichtgestalt des Hip Hop zieht alle Register.

Review von

Pharaonen ließen Pyramiden errichten, absolutistische Könige bauten monumentale Schlösser, die der Nachwelt einen Teil ihres strahlenden Glanzes übermitteln sollten. Rapper suchen den Götterstatus zu erlangen, indem sie ein Doppelalbum veröffentlichen. Die Liste derer, die sich ein solches Projekt bislang zutrauten, ist ebenso kurz wie beeindruckend: Tupac Shakur, Notorious B.I.G., der Wu-Tang Clan und Jay-Z. Dass der Jigga sich bei seinem "Blueprint 2 - The Gift And The Curse" nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat, dürfte für Nasty Nas ein zusätzlicher Ansporn gewesen sein. Wenn es eine Gelegenheit für ihn gibt, den jahrelangen Kleinkrieg gegen Hova endgültig und in aller Öffentlichkeit zu seinen Gunsten zu entscheiden, dann diese. Und eines sei vorab gesagt: Nas zieht alle Register.

Für sein Mammutwerk besinnt sich der Rapper auf alte Stärken: Die Beats stammen mit wenigen Ausnahmen von seinen langjährigen Wegbegleitern L.E.S., Chucky Thompson und Salaam Remi. Die Beats zu der Busta Rhymes-Collabo "Suicide Bounce" und "U.B.R." gehen auf seine eigene Kappe, ATCQ-MC Q-Tip steuert die plattwälzende Synthiehymne "American Way" bei und Buckwild bastelt aus einer funky Basslinie und einem Bluespiano den passenden Klangteppich für den Übertrack "These Are Our Heroes". Zynisch nimmt Nas hier Afro-Amerikaner aufs Korn, die es derzeit zu fragwürdigem Ruhm bringen, dabei aber ihre Wurzeln vergessen. Eines der Opfer: Basketballlegende Kobe Bryant, der letztes Jahr wegen sexueller Belästigung negativ in die Schlagzeilen kam. "From O.J. to Kobe" - So macht der Mann sich keine Freunde.

Man findet kaum eine musikalische Marschrichtung, die die Scheibe nicht abdeckt. Ob Nas bei "Disciple" seinen herausragenden Flow auf einem Oldschoolbeat in allen Facetten unter Beweis stellt oder ob seine Freundin Kelis im äußerst kritischen "American Way" eine herrlich schräge Hookline singt - auf wundersame Weise sind die Songs ineinander verzahnt und wirken trotz ihrer Gegensätze sehr homogen. Auch "Just A Moment", eine Hommage an tote Raplegenden, bei der ihn Quan unterstützt, der eine zauberhafte Hookline im besten Nate Dogg-Style croont. "Can we have another moment of silence - for brothers that died for black-on-black violence?"

Musikalisch besonders beeindruckend sind die beiden Tracks, in denen Nas gleich zwei Rollen spielt. Jeweils von einem Beatwechsel begleitet, schlüpft er in "Sekou Story" und "Live Now" neben seiner eigenen noch in die Rolle von Scarlett, einem MC mit einem ähnlichen Style wie Lil' Kim und einer Stimme wie D-Flame auf Helium. Beim Höhepunkt von Platte Eins, "Live Now", nutzt er dieses Stilmittel, um zu predigen, jeden Tag wie seinen letzten zu leben - man wisse schließlich nie, ob es ein Morgen gebe. Direkt im Anschluss mimt er mit seinem Alter Ego die letzten Worte eines Mannes auf dem Sterbebett bis zum Herzstillstand - sehr nahegehend und lyrisch glänzend. Ebenso übrigens wie die klaren Worte bei dem immer zwischen hektisch-furios und monumental schwankenden "Nazareth Savage": "I carried the cross to help you afford that plasma screen – gave you chumps a path to walk" - übrigens nicht die einzige Anspielung auf das Vorgängeralbum.

Nach einer derart überzeugenden ersten Halbzeit hat man direkt Skrupel, die zweite anlaufen zu lassen. Doch jegliche Befürchtungen werden im Keim erstickt, wenn Busta Rhymes und Nas gemeinsam auf einem pumpenden, von Mr. Jones produzierten Beat loslegen. So hungrig wie bei "Suicide Bounce" hat man das Flipmode Squad-Mitglied lange nicht mehr gehört. Beim anschließenden "Street's Disciple", dessen musikalische Untermalung doch verdächtig nach RZA während der "Forever"-Phase klingt, darf auch Nas' Vater, der bekannte Jazzmusiker Olu Dara, seinem Sprössling bei dessen wohl wichtigstem Werk beistehen. Schon auf dem Debüt "Illmatic" konnte man beide gemeinsam hören. Später widmete ihm der Sohn mit "Poppa Was A Player" auf den "Lost Tapes" eine eher zwiespältige Ehrung.

Für "Virgo" gewann Nas das Beatbox-Urgestein Doug E. Fresh und Ludacris, die Hookline zu "No One Else In The Room" stammt von R'n'B-Sänger Maxwell, das Sinatra-Double in "War" spielt Keon Bryce. Alles in allem hat Nas seine Gäste sehr sorgfältig ausgewählt. Jeder trägt seinen Teil zum Album sehr dezent bei, ohne den Meister bei der Arbeit zu stören.

Die zweite Scheibe beinhaltet eher die persönlichen Gedanken von Nasty Nas. In "U.B.R. (Unauthorized Biography Of Rakim)" erzählt er dessen Lebensgeschichte von der Geburt bis zum Split mit Dr. Dre. Am Ende dieser Huldigung kündigt Nas auch gleich sein nächstes Projekt an: eine gerappte Biografie von KRS-One.

Bei "Getting Married" philosophiert er ausschweifend über seine anstehende Heirat. "Say hello to the man, goodbye to the gigolo". Ehrliche Worte. Die waren aber auch nötig, schließlich lässt der Mann direkt vorher in "Remember The Times" sein Sexualleben genüsslich Revue passieren. Auch in "Bridging The Gap" mit abgefahrenem Bluesarrangement, berichtet er (mit seinem Vater) von seiner Vergangenheit. Der Abschluss der Platte geht ebenso unter die Haut: Nas widmet seiner Tochter Destiny ein Liebeslied.

Die zweite Scheibe kann zwar in puncto Power und Arrangements der ersten nicht das Wasser reichen, die Lyrics hingegen toppt sie. Insgesamt macht genau jener Umstand, der bislang als Nas' größtes Manko galt, das Gesamtkonstrukt zu einem Meisterwerk: Die Experimentierfreudigkeit bei den Beats. Es wäre müßig, die Platte mit den Werken von Tupac, Notorious oder dem Wu-Tang Clan vergleichen zu wollen, da es sich um einen völlig anderen Stil handelt. Doch soviel sei gesagt: Bei Nas hat man nicht das Gefühl, er patze bei dem Versuch, sich zum Karriereende vorschnell noch etwas beweisen zu müssen.

Mr. Jones besiegelt mit "Streets Disciple" seinen endgültigen Aufstieg von "God's Son" zur Lichtgestalt der Rapszene. Vielleicht spielt auch die Covergestaltung bzw. das beiliegende Poster darauf an: Nas und 12 Homies posieren in einer "Letztes Abendmahl"-Szenerie. Anbetungswürdig ist der Rapper nach diesem Album auf jeden Fall - die Kreuzigung muss allerdings noch warten.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. A Message To The Feds, Sincerely, We The People
  3. 3. Nazareth Savage
  4. 4. American Way (feat. Kelis)
  5. 5. Coon Picnic (These Are Our Heroes)
  6. 6. Disciple
  7. 7. Sekou Story (feat. Scarlett)
  8. 8. Live Now (feat. Scarlett)
  9. 9. Rest Of My Life
  10. 10. Just A Moment (feat. Quan)
  11. 11. Reason (feat. Emily)
  12. 12. You Know My Style
  1. 1. Suicide Bounce (feat. Busta Rhymes)
  2. 2. Street's Disciple (feat. Olu Dara)
  3. 3. U.B.R. (Unauthorized Biography Of Rakim)
  4. 4. Virgo (feat. Ludacris & Doug E. Fresh)
  5. 5. Remember The Times (Intro)
  6. 6. Remember The Times
  7. 7. The Makings Of A Perfect Bitch
  8. 8. Getting Married
  9. 9. No One Else In The Room (feat. Maxwell)
  10. 10. Bridging The Gap (feat. Olu Dara)
  11. 11. War (feat. Keon Bryce)
  12. 12. Me & You (Dedicated To Destiny)
  13. 13. Thief's Theme

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12 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    und genau da liegt auch der hund begraben. da kann der beste reapper nichts machen wenn ein großteil seiner songs strunzlangweilig in bezug auf beat/hook sind.abundzu sind ja einige perlen dabei aber das sind leider wenige glanzlichter und gerade bei einem doppelalbum fällt dies dann doch schon sehr gravierend auf

  • Vor 16 Jahren

    @Garret (« und genau da liegt auch der hund begraben. da kann der beste reapper nichts machen wenn ein großteil seiner songs strunzlangweilig in bezug auf beat/hook sind.abundzu sind ja einige perlen dabei aber das sind leider wenige glanzlichter und gerade bei einem doppelalbum fällt dies dann doch schon sehr gravierend auf »):

    wie gesagt, das mag ja für gods son, hip hop is dead oder i am... teilweise stimmen. bei streets disciple (worums hier ja eigntlich gehn soll) stimmt meiner meinung (und der vieler anderer) einfach alles. hooks sind bei einem storyteller wie nas zweitrangig.

  • Vor 9 Jahren

    in kürze: umfassende Review zu diesem enttäuschenden werk by garret
    stay tuned