laut.de-Kritik

Von wegen freundlicher Diktator! Nazar kann noch viel mehr.

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Schon im Vorfeld wirbelte Nazars 'Camouflage' einigen Staub auf. Grund dafür war die Ankündigung eines Feature-Parts von Falco. Nach monatelangem Hin und Her erhielt der Rapper aus Österreich die Rechte an unveröffentlichtem Material seines verstorbenen Landsmannes. Verständlicherweise löste er mit dieser Aktion nicht nur Begeisterungsstürme aus, zumal der gebürtige Teheraner weltweit der einzige ist, dem diese Ehre bislang zuteil wurde. Dass die Produktionskosten des Longplayers sich laut eigenen Angaben auf rund eine halbe Millionen Euro belaufen haben, entfachte das Feuer der Neugierde zusätzlich.

Nach fünf vorangegangenen Soloalben erschuf Nazar mit "Camouflage" ein für ihn "perfektes Album". Widmet man sich dem Werk mit entsprechend gestiegener Erwartungshaltung, stellt man fest, dass es diesem Prädikat ziemlich nahe kommt. Der Rapper präsentiert sich innerlich gereift und thematisch vielseitig, ohne dabei den berühmten roten Faden zu verlieren. Im Vorfeld versprach er "sehr dicke Bässe, ehrliche Texte". Dieses Versprechen löst er ein, an den unüberhörbaren Wiener Akzent muss man sich allerdings erst einmal gewöhnen.

Viel Zeit bleibt einem dazu aber nicht, denn der "Krieger im Anzug naht". "Rapbeef" thematisiert die Maschinerie rund um den "Affentanz", den so mancher Kollege zu Promotionzwecken veranstaltet. Nazar hält sich in dieser Hinsicht lieber bedeckt und beweist mit "Freundlicher Diktator", dass er dergleichen auch gar nicht nötig hat. Die vorab ausgekoppelte, sehr basslastige Single lässt einen automatisch mit dem Kopf nicken und jede Silbe des eher angriffslustigen als freundlichen Diktators sitzt auf den Punkt genau. Dass er "keinen Fick" gibt, glaubt man Nazar trotz seiner angenehm warmen Stimme sofort.

Mit "Kanax" folgt einer der absoluten Höhepunkte: Überspitzt, und mit einem für ihn seltenen Augenzwinkern, lässt er sich über Ausländer-Klischees aus ("Versuchen Arbeitslosikeit auf die Herkunft zu schieben / Doch in Wahrheit haben wir noch nie eine Bewerbung geschrieben"). Dabei hat seine Vorstellung keinesfalls einen anklagenden Tonfall: Durch die Wir-Perspektive identifiziert er sich mit den "Kanax" und äußert auf angenehme Art und Weise Selbstkritik.

Nach dem furiosen Einstieg werden ruhigere Töne angeschlagen: Zu offenen Snares rappt Nazar in "Eines Tages" über Persönliches und auch "Rosenkrieg" besticht durch gefühlvolles Storytelling, ohne dabei in Kitsch abzudriften. Das gelingt ihm in "Borderliner" nicht ganz: Da finden sich Phrasen wie "Kein Sturm der Welt kann uns beide zum Fallen bringen" und auch musikalisch plätschert der Track eher dahin. Ansonsten tragen die trappigen Beats von "Camouflage" einen großen Teil zu seiner Qualität bei: Meist tief und wuchtig, erklingen sie an den richtigen Stellen leise und laid back. Dass hier mehr als zehn verschiedene Produzenten mitmischten, ist dem Album keineswegs anzuhören; hier waren ausnahmslos Könner am Werk.

Wenn sich wie so häufig noch orientalisch angehauchte Melodien in das Klangbild einfügen, kann niemand ruhig sitzen bleiben. So geschehen im viel diskutierten Track "Zwischen Zeit Und Raum" zusammen mit Falco: Besagte Melodien werden geschickt mit einem passenden 80er Jahre-Klangbild und Streicher-Arrangements kombiniert; die Zusammenstellung aus Nazars Rap und Falcos eigenwilligem Gesang klingt überhaupt nicht künstlich oder gar zusammengeschustert: Wer weiß, vielleicht avanciert der ein oder andere Falco-Fan danach zum Rap-Hörer.

Nachdem er mit "Trauerweide" eine klassische Kopf-Hoch-Hymne liefert, bietet "Randale" exakt das, was man sich vom Titel verspricht: Es wird rasiert und zum ersten Mal leuchtet wirklich ein, warum der Österreicher von der Presse manchmal noch als "deutscher Bushido" bezeichnet wird. "Ich bin kein Eismann, doch lass’ dich einfach Kugeln fressen" - Hier werden Mütter gefickt und obwohl die Hook eher simpel aufgebaut ist, schlägt sie ein und der wummernde Bass tut sein Übriges – "Dreh' die Boxen laut, dreh' doppelt auf" - diesem Befehl sollte Folge geleistet werden.

Die eher inhaltsarme Hommage an "Ibrahimovic" erinnert thematisch an "Fifa Street" der Kollegen Celo & Abdi. Aber die sind erst später an der Reihe; Zunächst hat Sido seinen Auftritt auf "Camouflage". Zur Begrüßung werden ein paar "Schüsse in die Luft" abgefeuert. Obwohl Sido mit Lines wie "Mach mal nich' auf hart mit deiner Zahnspange / Ich setz' dich in die Bratpfanne oder auf 'ne Fahnenstange" reimtechnisch gegen Nazar abstinkt, sorgt seine hohe Stimme für eine gelungene Abwechslung. Das bessere Feature gelingt aber trotzdem dem Frankfurter Duo. Der Azzlack-typische Sound steht dem Longplayer gut zu Gesicht und obwohl sich beide Parteien nie begegnet sind, funktioniert der Dialog einwandfrei.

Kurz vor Schluss schlägt das Stimmungsbarometer aber noch einmal gehörig um. Kenner wissen, wo "Mark Forster" drauf steht, da lauert eine ordentliche Portion Kitsch. Zu leisen Gitarrenklängen schmachtet er den Refrain ins Mikro und Nazar rappt zu leisen Klaviertönen. Den Schlussstrich mit "Outro" zieht der Wiener dann zum Glück allein und bildet thematisch einen Kreis zum Intro. In beiden Tracks gibt er selbstreflektierend persönliche Gedanken preis und wirkt dabei so ehrlich wie authentisch. "Vielleicht ist das hier das letzte, das ihr hört" so Nazar im finalen Track - Bitte nicht!

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Rapbeef
  3. 3. Freundlicher Diktator
  4. 4. Kanax
  5. 5. Eines Tages
  6. 6. Borderliner
  7. 7. Rosenkrieg
  8. 8. Zwischen Zeit Und Raum
  9. 9. Trauerweide
  10. 10. Randale
  11. 11. Ibrahimovic
  12. 12. Schüsse
  13. 13. Alles Rasiert
  14. 14. Richtig Oder Falsch
  15. 15. Camouflage
  16. 16. Outro

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