laut.de-Kritik
Individualität und Seele bleiben auf der Strecke.
Review von Dani Fromm"Hallo", flötet der Engel auf der rechten Schulter. "Hier, nimm! Neues Album eines aufstrebenden jungen R'n'B-Acts. Niedlicher Junge, gib ihm eine Chance. Vielleicht haben wir hier den Messias, der das Genre aus der von Kollegen Kopp diagnostizierten Sackgasse führt? Er hat eine Chance verdient, meinst du nicht?" - "Bullshit", grunzt der desillusionierte alte Teufel von links. "Was wird das schon sein? Langweilige Grütze, wie die zwanzig Male davor auch. Im R'n'B ist nichts zu holen – geb's auf." Ich hätte ihm glauben sollen.
Aber nein: Ich falle ein weiteres Mal einem Anfall von grundlosem Optimismus anheim. Diesmal also Ne-Yo. Warum auch nicht? Die hässliche Antwort hierauf steht eine starke Stunde später unübersehbar im Raum: Weil wir es mit exakt der langweiligen Grütze der zwanzig Male zuvor zu tun haben. Meine Güte, in keinem anderen Genre, so scheint mir, hat der Stillstand derart schmerzhafte Ausmaße angenommen.
Ja, Ne-Yo kann singen, erinnert stimmlich zuweilen ein wenig an den jungen Michael Jackson - das Feuer und die Dynamik, die dieser damals in seinen Vortrag packte, erreicht Def Jams Küken allerdings bei Weitem nicht. Selbst wenn: Jacksons Glanzzeiten, bevor (!) er King of Pop war, liegen Jahrzehnte zurück. Die eine oder andere neue Idee dürfte man da schon erwarten - und die sollte sich dann nicht auf die allgegenwärtige Verwendung künstlich erzeugter Handclaps und das gelegentliche Einstreuen einer Prise Hip Hop-Flairs beschränken.
Ich stelle - wieder einmal - fest: Ich langweile mich zu Tode. Klar, an der Produktion ist technisch nicht zu kratzen. Das hatten wir alles auch schon. Ein bisschen Schmachterei, ein bisschen Party, ein wenig fürs Schlafzimmer, etwas für den Dancefloor - die übliche Kombination. Individualität oder gar Seele bleiben allerdings auf der Strecke. Wieder einmal macht sich der schale Eindruck breit, hier habe einer keineswegs vor, echte Gefühle zu transportieren, sondern wolle lediglich auf einen rasant in Richtung immenser Verkaufszahlen zuhaltenden Zug aufspringen.
Trotz hübsch verspielten Instrumentals reicht es in "Let Me Get This Right" nicht zu mehr als einer harmlosen R'n'B-Pop-Nummer. "I wanna touch you, I wanna kiss you, you're so damn sexy." Textlich hierüber hinaus Gehendes zu erwarten ("When You're Mad"), wäre wohl ohnehin vermessen gewesen. "Sign Me Up" liefert immerhin recht ordentliche Bläser, die ihre Wirkung allerdings kaum entfalten dürfen. Auch der Funk eines O'Jays-Samples geht im übertriebenen Bombast von "Get Down Like That" vollkommen unter. Schade - hier hätte durchaus eine Möglichkeit bestanden, an die Pracht alter Phillysoul-Stücke anzuknüpfen.
Einzig "Time" bietet mit Klavier und ausnahmsweise dezenter eingesetzten Claps so etwas Ähnliches wie Wiedererkennungswert. Der Rest bleibt 08/15-Ware inklusive der gängigen Herumknödelei auf Vokalen. Wer's so mag, erlebt sicher keine negativen Überraschungen – man erlebt nämlich schlicht gar keine.
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