laut.de-Kritik
Honorige Anliegen aus Hamburg.
Review von Dominik Lippe"Wir setzen Rap wieder aufs richtige Gleis." Nach den letztjährigen Soloausflügen von Johnny Mauser ("Mausmission") und Captain Gips ("Klar Zum Kentern") haben sich Neonschwarz wieder zum Quartett zusammengeschlossen, um ihre politischen Positionen in ein poppiges Gewand zu hüllen. Dominant tritt vor allem Marie Curry hervor, die nicht nur die meisten Refrains beisteuert, sondern auch in den Rap-Parts eine ansprechende Leistung zeigt. Auf der inhaltlichen Ebene verweilt noch immer der Kampf gegen die nicht weniger werdenden faschistischen Tendenzen der Gesellschaft ganz oben auf der Agenda der Hamburger.
"Statt Richtung Paradies, immer weiter Richtung Abgrund." Nach "2014" und "2015" setzt die Band mit einer weiteren Zustandsbeschreibung die Abwärtsspirale fort: "Jeder weiß, Geschichte kann sich wiederholen, doch ich gebe zu, in meiner Seifenblase hätt' ich nicht gedacht, dass es so schnell passiert." Lobenswerterweise formulieren sie ihre Botschaft in "2018" in aller Klarheit, ohne sich mit dem nach wie vor beliebten Ironie-Panzer zu schützen, denn "Menschlichkeit ist nicht verhandelbar."
Wie der den öffentlichen Diskurs dominierende Rechtspopulismus wohl auf die letzten Holocaust-Überlebenden wirken mag, beleuchtet das melancholische Highlight "Der Opi Aus Dem 2. Stock": "Heut' sind sie wieder stolz, beziehen sich auf Dichter und Denker. Für ihn bis zum Ende das Land der Mörder und Henker." Musikalisch knüpft die Gruppe direkt an Eins Zwos "Die Omi Aus Dem 1. Stock" aus "Gefährliches Halbwissen" an. Während Dendemann das Verbindende zur titelgebenden Rentnerin von nebenan suchte, geht es Neonschwarz vor allem darum, sich "in einem Land der Täter" mit den Opfern zu solidarisieren.
Dass auch die Einwohner der Hansestadt unter dem Einfluss der Gentrifizierung leiden, unterstreicht "Ananasland". Gelungen skizziert Neonschwarz wie wohlhabende Zugezogene zwar den alternativen Lifestyle pflegen, dabei aber billigend in Kauf nehmen, Einheimische aus dem Stadtbild zu verdrängen: "Die, die hier mal wohnten, die wohnen jetzt am Stadtrand. Hier sind alle einer Meinung: Unser Viertel bleibt bunt. Und die Dealer vor der Haustür vertreibt ein Polizeihund". Im Hinblick auf ihre eigene unkonventionelle Lebensart erscheint der Song durchaus selbstkritisch, wenn sie die Grüne Weltsicht ("Alles öko, alles Fair Trade, alle bio") als auch nicht allein seligmachend charakterisieren.
"Statt unter Hochdruck immer nur Termine frei zu schaufeln, nutzt du jetzt die Hochdruckgebiete und lässt die Beine baumeln." Gegen das "Fieber" der Leistungsgesellschaft empfiehlt Neonschwarz das entschleunigte Dolce Vita. Dabei treiben die drei Rapper ihre nur aus einer Luxusposition heraus entwickelbare Laisser-faire-Haltung derart weit, dass selbst im liberalsten Hörer leise Zweifel aufkommen: "Immer noch kein Bock auf Arbeit. Wir wollen einfach chillen. Ich will hängen mit den Homies unter Palmen. Wir wollen einfach leben, aber sie haben was dagegen. Meine Hängematte ist mir wichtiger als Deutschland".
Zwar fängt die Hamburger Band damit sicherlich Wunschvorstellungen eines Teils der jugendlichen Hörerschaft ein, doch die hört bereits Yung Hurn, dessen skizzenhafte Songs glaubwürdig seine gleichgültige 'Ok cool'-Haltung verkörpert. Neonschwarz orientiert sich dagegen am unbekümmerten Rap der 1990er. Stilistisch zielt "Clash" damit auf eine Zielgruppe, die heute weniger auf Hip Hop-Jams als vielmehr im mittleren Management anzutreffen ist.
Dem entsprechend greift auch die Selbsteinschätzung daneben: "In den Augen von euch Realkeepern sind wir krass gescheitert". Besagten Vertretern des Rap-Reinheitsgebotes dürfte der Neonschwarze Ansatz ganz im Gegenteil vortrefflich munden. Grundsympathisch ähnelt die Gruppe gelegentlich einer um ihren satirischen Anteil entledigten Variante des Verbalen Style Kollektivs. Insbesondere für eine explizit politische Band hinterlassen sie mitunter einen zu harmlosen Eindruck. Um eine Chance zu erhalten, ihre ehrenwerten Anliegen durchzusetzen, müsste das Quartett musikalisch wie inhaltlich mehr Nachdruck an den Tag legen.
8 Kommentare mit 2 Antworten
Uff...klingt nach Feine Sahne als Rapcrew.
Album gefällt kommt aber nicht an das Debüt heran das war irgendwie unverkrampfter
Absolut ehrbares Gereier. Auch von mir gibt es 1/5.
"Wir setzen Rap wieder aufs richtige Gleis."
Fängt ja schonmal abstoßend an. Uff.
ich weiß auch, wo dieses gleis hinführt...
Wurde mir das erste Mal bezeichnenderweise von einem Genrefremden gezeigt. Flows und Delivery waren ausbaufähig, Beats klangen nach Einheitsware aus '05. War aber '13 oder so.
hatten einige echt stabile tracks, als sie noch free-eps/alben gemacht haben. seit dem signing gehts allerdings steil...
Ich finde es aber immer sooo süß, wenn ich vom "Neonschwarzen Block" Gewalt angedroht bekomme für mein nazitum... ich will dann mauser und gips am liebsten in den arm nehmen und ihnen die brust geben ♥